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Hans H. Hanebuth

26.06.2022 • Aufrufe: 2018

Acht Fragen über das Leben: Hans Heinrich Hanebuth, 83 Jahre, Rentner, nachdenklich

Bist du ein Wunstorfer?

Im Prinzip ja. Ich bin als 6-Jähriger nach Wunstorf gekommen und lebe hier mit einer Unterbrechung von etwa 20 Jahren. Ich bin hier zur Schule gegangen und habe meine Ausbildung zum Maurer hier gemacht. In der Zeit war ich auch aktiv in der damaligen Pfadfindergruppe. Ich darf mich wohl mit Recht „Wunstorfer“ nennen.

Was bedeutet das für dich?

Meine Jugend hier in Wunstorf hat mich sicher geprägt. Aber durch meine Zeit außerhalb Wunstorfs glaube ich einen gewissen Abstand gewonnen zu haben, der dazu beiträgt, die Wunstorfer Situation manchmal mit anderen Augen zu betrachten.

Was ist das Wichtigste, das du gelernt hast?

Es mag etwas abgedroschen klingen, aber ich glaube, dass ich gelernt habe, dass Leben Veränderung bedeutet, immer wieder verbunden mit einem Neuanfang. Das ist das eine. Das andere ist, dass ich im Leben auch eigene Schattenseiten erfahren habe, mit denen ich manche enttäuscht oder vielleicht auch entfremdet habe.

Woran glaubst du?

Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Ich glaube aber, dass es so etwas wie eine innere Mitte gibt – man mag sie Gott nennen – , die uns helfen kann, im Leben einen Sinn zu finden, der über den Wunsch nach Sicherheit und Gesundheit hinausgeht. Für mich gehört dazu erst einmal Dankbarkeit für das, was ich bin und habe und auch Freude am Leben sowie respekt- und liebevoller Umgang mit meinen Mitmenschen.

Was beschäftigt dich derzeit am meisten?

Meinem Alter entsprechend komme ich mehr und mehr mit Menschen zusammen, die zwar auch alt sind, aber gleichzeitig mit Krankheiten, die das Alter mit sich bringt, zu tun haben. Das geht nahe und macht mir nicht nur die Zerbrechlichkeit, sondern auch die Endlichkeit des Lebens deutlich.

Was gibt dir Kraft in Krisen?

Ich vertraue darauf, dass ich auch in Krisen nicht allein bin und von Menschen umgeben, die mich so nehmen, wie ich bin.

Was tust du, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen?

Ich versuche nach dem Motto zu leben „Genug zu einem guten Leben ist genug“. Dass das nicht immer einfach ist, habe ich oft genug erfahren, z. B. als wir umgezogen sind und uns von vielen Sachen getrennt haben, ohne das als Verlust zu empfinden. Ob ich damit die Welt zu einem besseren Ort mache? Die Großwetterlage der Politik spricht nicht dafür, dass Veränderungen gewollt sind. Es wird weitergehen mit dem „es muss doch mehr als Alles geben“. Trotzdem werde ich nicht aufgeben und mitreden, wenn es um Zukunftsfragen geht.

Was sollen die Menschen nach deinem Tod über dich sagen?

Es wäre schön, wenn sie sagen könnten: „Er konnte lachen.“


Hans-Heinrich Hanebuth ist ein ruhiger, besonnener Mann. In all den Jahren unserer Bekanntschaft hat er nie die Stimme erhoben. Er muss das nicht. Er hat etwas zu sagen, und die Menschen hören ihm zu. Wir treffen uns im Garten seines Hauses in der Wunstorfer Nordstadt. Dort wohnt er mit seiner Frau. In den beiden Nachbarbäusern leben seine Schwester und sein Bruder mit ihren Ehepartnern. Wir suchen einen Platz für den blauen Stuhl. Es ist ein schöner Morgen, und in der Sonne ist es zu warm, im Schatten zu dunkel. Wir amüsieren uns über unsere Ratlosigkeit. Am Haus auf einem geschmackvoll gestalteten Quadratmeter könnte es klappen mit den Fotos. Auch die Vorbereitung des Gesprächs war nicht einfach. Hans, wie alle sagen, ist kein Mensch, der sich gern produziert. Ihn für diese Rubrik zu gewinnen, war Überzeugungsarbeit. Nun sitzen wir hier bei Sonnenschein, Vogelgezwitscher und Instant-Kaffee. Ich bin gespannt auf das, was ich erfahre. Dass mein Bild von Hans in der nächsten Stunde zerfließt und ein neues hervortritt, ahne ich nicht. Der 83-Jährige war Maurer, Bauingenieur, Architekt, Designer, Entwicklungshelfer, Kirchenvorstand, Kommunalpolitiker, Mitbegründer des Forums Stadtkirche und ist noch für kurze Zeit dessen Vorsitzender. Er ist ein Familienvater, ein kantiger Christ, Leser der Washington Post und feinsinniger Beobachter der Stadt, in der er aufgewachsen ist. Sein Verhältnis zu Wunstorf und den Wunstorfern ist ambivalent. Viele kennen ihn aus dem Stadtbild, denn Hans ist fast nur mit seinem Rad unterwegs – seit ewigen Zeiten. Leicht nach vorn gebeugt, radelt er zu seinen Terminen. Manchmal hat er einen kleinen Anhänger dabei mit ein, zwei Kisten Wasser. Die langen weißen Haare, die unter der dunklen Schiebermütze hervorquellen, wehen im Fahrtwind. Es ist wohl auch dieses Erscheinungsbild, das dazu beigetragen hat, dass er gelegentlich für einen Pastor gehalten wurde. Auch als „Penner“ ist er schon angesehen worden. Wenn er davon erzählt, schnellt ein amüsiertes Lächeln auf sein Gesicht. Nein, sagt er dann, ein Pastor sei er nicht. Aber ein Kirchenmann. In seiner Gemeinde, „dem Stift“, hat er Jahrzehnte mitgewirkt. Es heißt, er habe es Kirchenvorstand und Hauptamtlichen nicht leicht gemacht – und die es ihm auch nicht. Kantig und speziell, wie er ist.

Den „blauen Stuhl“ stellen wir überall in Wunstorf auf und bitten, Platz zu nehmen zur Beantwortung ganz persönlicher Lebensfragen. Wir stellen jeder und jedem dieselben Fragen. Von zehn Fragen darf sich der oder die Befragte acht aussuchen.

zuerst erschienen in Auepost-Magazin Nr. 22 (Frühling 2022)

26.06.2022 • Aufrufe: 2018
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