Wunstorfer Auepost
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„Am Ende hilft nur das Impfen!“

18.02.2022 • Daniel Schneider • Aufrufe: 1978

Unter den Impfärzten der ersten Stunde, die im mittlerweile geschlossenen Impfzentrum in den hannoverschen Messehallen den Impfwilligen gegenübersaßen, war auch ein Wunstorfer: Dr. Klaus Jagla im Auepost-Quartiergespräch.

18.02.2022
Daniel Schneider
Aufrufe: 1978
Dr. Klaus Jagla
Dr. Klaus Jagla | Foto: Daniel Schneider

Inzwischen wurde bundesweit diskutiert, ob man sie wieder öffnen sollte – dabei waren die großen Impfzentren in Niedersachsen erst gegen Ende September geschlossen worden. Auch das gemeinsame Impfzentrum von Stadt und Region Hannover war zum 30. September 2021 außer Betrieb gegangen. Seitdem sorgen mobile Teams, die auch stationär agieren können, für Impfangebote in der Region.

Das zentrale Impfzentrum auf dem Messegelände im Süden Hannovers war für die schnelle Abfertigung von Massen und die Handhabung des neuen Impfstoffes von zunächst Biontech konzipiert gewesen, noch bevor Hausärzte großflächig in das Impfprogramm eingestiegen waren. Die halbe Region hätte man hier quasi im Schnelldurchlauf durchschleusen und immunisieren können. Die mögliche volle Auslastung erreichte das Zentrum jedoch nie: Das lag am Anfang an der Knappheit des Impfstoffes – es war nur ein Bruchteil des angekündigten Impfstoffes geliefert worden – und zuletzt an der abnehmenden Nachfrage. Die theoretisch in mehreren Gängen mögliche Sortierung von Wartenden mit Absperrgittern im Eingangsbereich war damit gar nicht nötig – als zu Impfender kam man sich bisweilen schon fast verloren vor in der Monstrosität des Parcours, dessen seltsam beklemmend-befreiende Wirkung durch die kühle Atmosphäre der Messehallen noch verstärkt wurde. Die gesamte Anmeldeprozedur an mehreren Stationen durchlief man zuletzt in einer Halle, für die eigentliche Impfung wechselte man in eine zweite, wenn man das „Go“ in Form eines Armbändchens erhalten hatte. Dort warteten dann in Kabinen die Impfärzte, bevor in einer zweiten Kabinenreihe dahinter die Impfungen gesetzt wurden.

Einer der Ärzte, die dort die zu Impfenden in Empfang nahmen, war Dr. Klaus Jagla – als einer unter 70 Ärzten im Pool der Mediziner, die im Zentrum Dienst taten. Als Arzt konnte man sich über ein Portal als Impfarzt für das Zentrum bewerben – was schnell sehr attraktiv wurde. Manche Mediziner sollen dabei sogar technische Hilfen genutzt haben, um sich einen Platz zu sichern, es entstand ein regelrechter Wettbewerb unter der Ärzteschaft. Jagla kam daher vor allem in der Anfangszeit des Zentrums zum Einsatz. insgesamt neunmal war er vor Ort. Auch für den Gynäkologen, der vor seinem Ruhestand eine Praxis in der Innenstadt führte, war es ein Zuverdienst: knapp 35 Euro bekamen die eingesetzten Mediziner als Viertelstundenlohn.

„Impfen ist eine moralische Verpflichtung“

Dr. Klaus Jagla

Für den Wunstorfer war es aber vor allem ein persönliches Anliegen, als Arzt einzuspringen: „Impfen ist eine moralische Verpflichtung“, sagt Jagla, der damit vor allem auch die Bereitschaft zum Impfen meint. Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, wie sie sich mittlerweile nach eingeführten 2G-Regelungen und einer Debatte um Pflichtimpfungen herauskristallisiert, ist für den 77-Jährigen schwer zu ertragen. Er riet uneingeschränkt zur Impfung, zum Schutz der verletzlichen Gruppen und der Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung. Das wurde besonders deutlich, als eine Wunstorfer Kollegin sich in einem Gastbeitrag in einem örtlichen Blatt skeptisch zur Strategie der Bundesregierung äußerte, ganz auf Impfungen zur Bekämpfung der Pandemie zu setzen und darüber die Coronatestungen zu vernachlässigen: Impfen wäre demnach ein persönlicher Schutz, aber keine moralische Verpflichtung, da es die Pandemie nicht aufhalten könne. Es solle kein Druck auf die noch Ungeimpften und auf Kinder ausgeübt werden. Jagla verfasste daraufhin als Reaktion gemeinsam mit weiteren Wunstorfer Ärzten einen offenen Brief, in dem er die Bedeutung der Impfungen als gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit unterstrich und sich klar pro Impfungen aussprach.

Kreative Impfvordrängler

Die Menschen, die er im Impfzentrum traf, musste er natürlich nicht überzeugen, ganz im Gegenteil. „Tiefe Dankbarkeit“ habe bei fast allen geherrscht, sich endlich impfen lassen zu können. Der Impfstoff wurde wie „flüssiges Gold“ angesehen – und auch von den Impfzügen so behandelt: „Wie zieht man aus einer Ampulle möglichst viele Dosen?“ – darum sei es vor allem in der Anfangszeit gegangen, als der Impfstoff noch knapp und das Impfen priorisiert war. Während heute über Anreize nachgedacht wird, wie man noch mehr Menschen von einer Impfung überzeugt, war in der Frühphase der Impfungen das Gegenteil der Fall: es gab zu viele Impfwillige und zu wenig Impfstoff. Nach den Risikogruppen und medizinisch relevanten Priorisierungen kamen bestimmte Berufsgruppen und dann erst die Allgemeinheit zum Zuge. Da habe es einige „Schlitzohren“ gegeben, die nun auf einmal „die Oma betreuten“ und damit als impfberechtigte Kontaktpersonen galten, erzählt Jagla. Oder man habe plötzlich ganz viel Kontakt zu Schwangeren oder Menschen mit Grunderkrankungen gehabt. Die Impfvordrängler gingen kreativ vor.

„Es gab keine Probleme“

Dabei habe er selbst gar nicht auf die Berechtigung zum Impfen geschaut, berichtet Jagla. Er war froh, wenn die Leute da waren – und wieder einer mehr geimpft. Dies zu überprüfen war auch nicht seine Aufgabe – er war für das Aufklärungsgespräch zur Stelle, wenn Impfwillige Fragen hatten – und er beurteilte die Impffähigkeit der Gekommenen. „Hauptsache geimpft“, das war seine persönliche Meinung. Nicht zugelassen hätte er jemanden, der bereits höheres Fieber gehabt hätte. Das wurde schon am Eingang zum Impfzentrum kontrolliert. Auch wenn jemand erst kurz zuvor einen fiebrigen Infekt durchgemacht hätte, hätte Jagla von der Impfung abgeraten.

Impfreaktionen

Zwölf Impfzüge gab es im Impfzentrum, zu jedem der Bereiche gehörten zwei Ärzte. 400 Impfungen konnte ein Impfzug pro Tag leisten – bis zu 200 Gespräche führte Jagla daher am Tag. Auch Wunstorfer waren natürlich unter den Besuchern des Impfzentrums. Einmal sei Jagla dabei erkannt worden, berichtet er. „Was machen Sie denn hier?“, habe es dann geheißen – und die Atmosphäre war perfekt gelockert. Schwierigkeiten habe er während seiner Einsätze nicht beobachtet. „Es gab keine Probleme“, so der Impfarzt. Anaphylaktische Schocks seien nicht vorgekommen, auch keine anderen akuten Impfreaktionen. Nur einmal hätten jemandem in der Impfkabine die Beine versagt, womöglich aus psychischen Gründen. Jagla war sofort zur Stelle, aber auch die Rettungsärzte, die sich im Hintergrund für solche Fälle extra bereithielten. Die Notfallmediziner übernahmen die Versorgung des Mannes und stabilisierten ihn. Geimpft werden konnte der Mann am Ende trotzdem – im Liegen. In der Zwischenzeit hatte Jagla schon die nächsten Impfbereiten abgearbeitet.

„Wir wollen schwere und tödliche Krankheitsverläufe vermeiden, und das gelingt nur durch ständiges Impfen“

Im Allgemeinen seien eher die jüngeren Jahrgänge ins Impfzentrum gekommen, berichtet Jagla von seinen Erfahrungen. Zuletzt konnten sich, nach Freigabe vom Impfstoffen ab 12 Jahren, auch Kinder im Impfzentrum impfen lassen. Angst vor der Ansteckung – und auch vor der Spritze – spielte dabei eine untergeordnete Rolle. Es ging vor allem um Gruppendynamik, berichtet Jagla: Man wollte nicht der Einzige sein, der unter den Schulkameraden noch nicht geimpft ist.

Spätgekommene

Von den Impfungen an seinem letzten Einsatz als Impfzentrumarzt, an einem Tag im August – da war die Priorisierung schon über einen Monat gefallen gewesen – waren 380 Impfungen Zweitimpfungen. Nur noch 20 Personen ließen sich zum ersten Mal impfen. Die Gründe, warum sie sich nicht früher hatten impfen lassen, bekam Jagla dabei zu hören. An fehlenden Terminen im Impfzentrum hatte es nicht gelegen. „Passte nicht“, „persönliche Terminschwierigkeiten“ wurde als Begründung genannt – aber auch schlicht und ehrlich „Bequemlichkeit“. Auf wirkliche Impfskeptiker im engeren Sinne sei er nicht getroffen, berichtet der Mediziner. Was er jemandem gesagt hätte, der ihn auf die Unsicherheit bei Spätfolgen der Impfung und der mangelnden Erfahrung mit der Impfung angesprochen hätte? „Dass das nicht stimmt“, sagt Jagla, fast lachend. Die mRNA-Impfstofftechnik werde schon seit über 20 Jahren erforscht und sei ausentwickelt. Hätte er sich auch persönlich impfen lassen, wenn er nicht zur altersbedingten Risikogruppe für eine COVID-19-Erkrankung bzw. zur beruflich indizierten Gruppe gehört hätte, bleibt die abschließende Frage. „Natürlich“, sagt Jagla.

zuerst erschienen in Auepost Nr. 21 (Winter 2021)

Die Impfzentren waren eine gemeinsame Einrichtung von Bund und Ländern. Der Bund finanzierte den Impfstoff und liefert ihn aus. Die Länder übernahmen Lagerung und Verteilung. Angekündigt waren für Niedersachsen 500.000 Impfdosen im Dezember 2020. Das Impfzentrum wird eingerichtet. Statt einer halben Million treffen nur 9.750 Impfdosen ein. Ab dem 29. Januar 2021 werden im Impfzentrum Termine vergeben, zunächst für über 80-Jährige und im Gesundheitssektor Beschäftigte. Am 1. Februar 2021 beginnen die Impfungen im Impfzentrum. Ab dem 15. März werden auch chronisch Kranke und die über 70-Jährigen geimpft, dazu Berufsangehörige von Polizei, Kitapersonal und Lehrkräfte. Ab dem 7. April 2021 wird auch in Arztpraxen geimpft, ab dem 26. April werden über 60-Jährige geimpft. Anfang Juni 2021 werden die letzten Termine für Priorisierte aus der kritischen Infrastruktur vergeben, eine Woche später wird die Priorisierung aufgehoben. Im Juli gab es Impfaktionen für Kinder vor Beginn der Sommerferien. Am 30. September 2021 wird das Impfzentrum geschlossen.
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Kommentare


  • Lydia Bertani sagt:

    „Am Ende hilft nur das Impfen!“

    Am Ende hilft nur die Wahrheit!

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