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„Der Erfolg ist nur gemietet“

20.03.2021 • Achim Süß • Aufrufe: 2242

Gut 2.000 Menschen arbeiten in seinem Unternehmen. Sie putzen, kochen, pflegen und kümmern sich. Immer wichtiger: die Palliativversorgung Schwerkranker in der letzten Lebensphase. Davon erzählt Jens Tegeler im Quartiergespräch.

20.03.2021
Achim Süß
Aufrufe: 2242

Gut 2.000 Menschen arbeiten in seinem Unternehmen. Sie putzen, kochen, pflegen und kümmern sich. Immer wichtiger: die Palliativversorgung Schwerkranker in der letzten Lebensphase. Davon erzählt Jens Tegeler im Quartiergespräch. Auch über seinen Start bei null berichtet der 56-Jährige, seine Werte und sein vielfältiges soziales Engagement. Nicht zuletzt über seinen Ausflug in die Politik und seine Vorliebe für Oldtimer.

Unternehmer Jens Tegeler

Unternehmer Jens Tegeler | Foto: Achim Süß

Er gilt als knallharter Geschäftsmann. „Na ja. Ein Patriarch bin ich wohl nicht. Aber ich habe einen sehr klaren, gerechten und stringenten Führungsstil“, sagt Tegeler. Die Gruppe, die seinen Namen trägt, ist sein Werk. An 24 Standorten ist sie in der Pflege in Norddeutschland aktiv, an mehr als 400 Plätzen mit Versorgungsdienstleistungen. Tegeler legt Wert auf Deutlichkeit und das offene Wort, geschäftlich wie privat. Nicht immer kommt das gut an, weiß er. Aber schließlich stehe er als geschäftsführender Gesellschafter immer bei allem persönlich „auf der Uhr“. Er allein müsse geradestehen für seine Entscheidungen und zu 100 Prozent haften. So sei es jetzt auch während der Corona-Zeit.

Wir passen aufeinander auf

Das Unternehmen sei bisher relativ gut durch die Pandemie gekommen – allerdings nur mit massiven Rückgriffen in die Reserven. „Wir passen aufeinander auf“, beschreibt Tegeler einen wichtigen Grundsatz seines Unternehmens. Dessen Motto: „Wir kümmern uns.“ Was für Kunden, Bewohner und Patienten gelte, wirke auch im Innern: Tegeler will seinen Mitarbeitern sichere und gute Arbeitsplätze bieten. 24 eigenständige Gesellschaften zählen zur Unternehmensstruktur in der Gruppe: Soll die Holding weiter wachsen? „Nein, nicht um jeden Preis.“ Fast jede Woche erhalte er Angebote für Beteiligungen oder Übernahmen. „Die meisten lasse ich liegen.“ Dabei verlasse er sich auch auf seinen Bauch. Allerdings sei Wachstum wichtig und richtig und schaffe Sicherheit.

Tegeler klassifiziert die Gruppe als ein mittelständisches Familienunternehmen – irgendwo unter den 100 größten seiner Art. Urzelle ist die wertokil GmbH, 1992 von Josef Wellenzohn gegründet. Ihre Spezialität war die Gebäude-Reinigung. Tegeler stieg dort als Mitgesellschafter ein, übernahm sie 2005 ganz und begann mit dem Ausbau. 2006 kam die Speisenversorgung hinzu, neudeutsch Catering. Ein Jahr später die Pflegesparte, seit Jahren ständig wachsender Schwerpunkt des Unternehmens.

Von der Unterweser an die Aue

Kommt der Mann aus Brake an der Unterweser aus diesem Metier? „Nein!“ Nach der mittleren Reife hat er Elektroinstallateur gelernt, nach dem Wehrdienst in Oldenburg Betriebswirtschaftslehre in Hannover studiert. Über Hamburg kommt er nach Wunstorf. Die einfachen Verhältnisse zuhause leugnet er nicht. Der Vater ist Maurer, die Mutter Verkäuferin. Tegeler berichtet stolz von seinen sozialdemokratisch orientierten Eltern, seiner Jugend in Nordenham, seiner Ausbildung. Heute das, was als gemachter Mann bezeichnet wird, hat er die Bodenhaftung nicht verloren: „Der Erfolg ist nur gemietet, und die Miete ist jeden Monat fällig.“ Seit Jahren etabliert und gut situiert, sind ihm die Anfänge stets präsent. „Ich habe angefangen mit null. Es haben mir wenige Leute den Erfolg zugetraut. Es haben mir wenige Leute das gegönnt.“ Das sei nun einmal so. Seine Firmenzentrale bleibt in der Stadt, aber mit der Familie hat er Wunstorf den Rücken gekehrt.

Er lebt seit ein paar Jahren in der Umgebung von Minden. Wenn er darauf angesprochen wird, ist eine Mischung aus Wehmut und Verärgerung zu spüren. Es sei ihm oft nicht leicht gemacht, einige Pläne regelrecht torpediert worden. Aber er rede eben „nicht den Leuten nach dem Maul“ und wisse sich auch durchzusetzen. Dabei war er vielfältig aktiv: eine Zeit lang in der CDU, in deren Mittelstandsvereinigung, im Lions Club, im Vorstand der Tafel, die er immer wieder als Spender unterstützt hat. Engstirnigkeit, Behäbigkeit und Taktiererei sind ihm aber irgendwann zu viel geworden, und er hat sich neu orientiert. Seit einigen Jahren ist er Mitglied einer Freimaurer-Loge und findet dort Halt und Erfüllung.

Der Gesellschaft etwas zurückgeben

Dankbar für Erfolg und Wohlstand, ist Tegeler schon lange in Hilfswerken aktiv: „Ich möchte der Gesellschaft zurückzahlen.“ Das sei für ihn eine Pflicht und ein Teil seines Glaubens. Die Unternehmensgruppe fördert zum Beispiel den „Hof anders“ bei Stadthagen, wo Kinder und Jugendliche betreut und gefördert werden. Die Klinik der Medizinischen Hochschule für HIV-kranke Kinder, das Kinderhilfswerk ICH (International Children Help) und Baby Care Sibiu in Rumänien sind weitere Institutionen, die Tegeler regelmäßig unterstützt. Beim ICH ist er auch selbst aktiv als Botschafter und Vizepräsident. Alle Einrichtungen profitieren von teils beträchtlichen Geldspenden, aber auch vom Netzwerk des Unternehmers. So werden Sachspenden und Aktionen organisiert, und dabei nimmt das Engagement für die Kinderklinik in Sibiu eine besondere Rolle ein. Jens Tegelers Frau Andreea stammt von dort, und die Hilfe für das Krankenhaus empfinden beide als persönliche Verpflichtung: „Wer ein Kind rettet, rettet die Welt.“ Das ist der Leitspruch des ICH, das in Sibiu besonders die Station für Frühgeborene unterstützt. Neben Rumänien bildet Paraguay einen Schwerpunkt in Tegelers Arbeit im ICH. Im Landesinneren versorgt die Organisation eine Urwaldklinik für Kinder mit Material. Eine Universität in Asunción hat den Einsatz des Unternehmers 2017 mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde gewürdigt.

Wir sind ein Multikulti-Laden

Möglich ist die karitative Arbeit nur, weil sich die Unternehmensgruppe erfolgreich am Markt behauptet. Das gilt besonders für die Pflegesparte und Spezialisierungen wie die Palliativpflege. In diesem Betriebszweig paaren sich bei Tegeler Geschäftssinn und Mitmenschlichkeit. Stationär, teilstationär und ambulant betreut das Zentrum Schwerstkranke und Sterbende. Tegeler und sein Team haben das Konzept entwickelt und realisieren es gemeinsam im Palliativnetzwerk mit zehn Ärzten aus der Region. Jeder kümmert sich um fünf bis zehn Patienten. „Das ist mehr als Pflege“, betont Tegeler: Das sei kein „Abarbeiten, als wenn man eine Tür einsetzt.“ Das Personal sei besonders intensiv geschult, empathisch und flexibel. Hohes Fachwissen, große Einsatzbereitschaft und der unbedingte Wunsch, Menschen am Ende ihres Lebens helfen zu wollen, seien erforderlich. Die Ausbildung solcher Experten übernimmt das Unternehmen längst selbst. 50 Auszubildende im pflegerischen und 24 im kaufmännischen Bereich werden derzeit auf den Beruf vorbereitet – von besonders geschulten Praxisanleitern. Viele Pflegekräfte sind aus fremden Ländern dazugestoßen. „Wir sind ein Multikulti-Laden“, berichtet Tegeler. 87 Nationalitäten sind vertreten.

Und was macht der Vielbeschäftigte in der Freizeit? „Zu selten“ schaut er in seine Garage und wirft einen Blick auf seine alten Autos und Motorräder. Oldtimer seien sein „Faible“, weil sie eine eigene Seele hätten, eine eigene Figur. „Und weil man im Chrom die eigene Frisur erkennen kann.“

Dieser Bericht erschien zuerst in Auepost #12 (10/2020).

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