Wunstorfer Auepost
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„Man kann alles machen, aber es muss auch Sinn machen“

28.05.2022 • Daniel Schneider • Aufrufe: 2651

Vor einigen Jahren hat er an der A 20 mitgeplant, jetzt sorgt er u. a. dafür, dass in Steinhude der Verkehr nicht zum Erliegen kommt. Bauamtschef Alexander Wollny im Auepost-Quartiergespräch über Parkplätze, Tabula rasa im Stadtbild und die Zukunft der Südstraße.

28.05.2022
Daniel Schneider
Aufrufe: 2651
Alexander Wollny
Alexander Wollny

Dreizehn Jahre lang pendelte er von Wunstorf nach Gifhorn, im vergangenen Jahr nur noch von Wunstorf nach Barsinghausen. Seit dem 1. Mai 2020 kann er mit Fahrrad zur Arbeit kommen. Seit diesem Datum ist Alexander Wollny Stadtbaurat in Wunstorf und steht damit einer dreistelligen Mitarbeiterzahl in der Verwaltung vor. Auch ein knappes halbes Jahr später kannte er noch immer nicht jeden Mitarbeiter persönlich – Corona war schuld. Als die erste Welle der Pandemie gerade übers Land zog, trat er seine neue Stelle in der Auestadt an und traf dann auf leere Büros, als er durch die Flure ging. Sein Team war größtenteils im Home-Office. Auch eine Begrüßungsrunde musste ausfallen, und so machte sich Wollny nun schleichend bekannt.

Der gebürtige Neustädter legt eine moderate, differenzierende Haltung an den Tag. Auf eine bestimmte Antwort festlegen will er sich selten, er bietet fast immer mindestens zwei Sichtweisen zu einer Fragestellung an. Das muss er auch, denn als Bauamtschef ist er das oberste Bindeglied in der Stadt für alles, was errichtet oder umgebaut wird – und dabei laufen immens viele Interessen zusammen, die berücksichtigt und gehört werden wollen. Egal ob ein Platz oder eine Straße gebaut, Gebäude errichtet oder das Abwassernetz instandgehalten wird – in Wollnys Fachbereich wird das koordiniert. Neue Schulen, Kitas oder Feuerwehrgerätehäuser in Wunstorf – auch das läuft nun alles über seinen Schreibtisch im Bauamt in der Stiftsstraße. Der Baubetriebshof ist ihm ebenfalls unterstellt.

Wollny hat durch die Stadt- und Verkehrsplanung, Bebauungs- und Mobilitätspläne zu navigieren. Dabei hat er mal mehr, mal weniger Gestaltungsspielraum. Baugenehmigungen etwa werden nach ziemlich starrem Muster eingereicht, geprüft und genehmigt – auch die Politik könne da nicht sagen „wir wollen das anders“, erklärt er. Bei der Bauleitplanung hingegen haben Verwaltung und Politik viel mitzureden. Die sogenannte Planungshoheit liegt dann bei der Kommune. Letztlich entscheidet er jedoch nicht selbst, gibt aber den Rahmen vor, gestaltet und lenkt in die richtigen Richtungen. Das letzte Wort hat die Politik in Stadtrat und Verwaltungsausschuss – die Bauprojekte beschließt bzw. den Auftrag zur Ausarbeitung gibt. Initiativen können gleichermaßen von der Verwaltung oder der Politik ausgehen. Manchmal kommen sie aber auch von außen: Beim zu errichtenden Fahrradparkturm durch die Region am Bahnhof soll es nun wohl eine Variante mit Überdachung und Glastürmen werden, verrät Wollny. „Wenn man Fahrräder in einem Luxusturm unterbringt, sollte man sie auch sehen.“ Der ursprüngliche Entwurf sah keine Überdachung vor, diese wird nun ergänzt.

Mit seiner Arbeit in Wunstorf muss er sich nun auch mit den Ortsräten auseinandersetzen – die gab es in seinem vorherigen Wirkungsgebiet in Barsinghausen nicht. Das mache die Arbeit komplexer – zehn weitere Gremien müssen eingebunden und mit Informationen versorgt werden –, aber es habe auch Vorteile, sagt er, denn die Ortsräte seien viel näher dran an den Themen vor der eigenen Haustür.

Die Begeisterung für seine Profession ist ihm anzumerken. Scharf analytisch beschreibt er die Zusammenhänge in Hoch- und Tiefbau. Vor seiner knapp anderthalbjährigen Tätigkeit als Baureferent in Barsinghausen war er 13 Jahre lang beim Landkreis Gifhorn u. a. im Bereich Bauordnung und Kreisstraßenwesen tätig. Auch ging es schon straßenlastig zu: Direkt nach dem Studium plante er für Schleswig-Holstein Autobahnen mit. In Wunstorf hatte sich Wollny schon 2017 beworben, flog aus formalen Gründen jedoch aus den Rennen – die Stellenausschreibung war damals zu eng formuliert.

Es ist wichtig, dass es menschlich passt, sagt Wollny, und das täte es hier. Auch in Barsinghausen hat er gern gearbeitet. Generell schätzt er in Wunstorf den konstruktiven Umgang miteinander – bei früheren Projekten sei es ihm schon einmal passiert, dass ein Rat stur an einem einmal getroffenen Abstimmungsergebnis festgehalten habe, obwohl alle Argumente für eine Planänderung sprachen. Statt seine Ideen aufzugreifen, wären die Vorschläge von vornherein abgebügelt worden.

„Hier kann man wirklich gut leben.“

Alexander Wollny über Wunstorf

Auch auf die Frage, ob es ein Nachteil ist, in der Stadt als Baureferent zu arbeiten, in der man selbst lebe, gibt er eine diplomatische Antwort: „Die einen sagen so, die anderen so.“ Ob er selbst keine Angst habe, in der Freizeit irgendwann mit „Das ist aber ein furchtbares Feuerwehrgerätehaus geworden“ angesprochen zu werden, haken wir nach. „Das kann einem auch in der Stadt passieren, in der man nur arbeitet“, antwortet Wollny überzeugenderweise. Auch in anderen Fußgängerzonen sei er bisweilen um Erklärungen gebeten worden.

Wollny selbst wohnt in der Südstadt im Neubaugebiet – ursprünglich war er mit seiner Frau im Jahr 2000 nach Luthe gezogen. Er sei damals aus strategischen Gründen Wunstorfer geworden, der guten Verkehrsanbindung wegen. Die Verkehrsanbindung sei ein großer Vorteil von Wunstorf, ob Straße oder Bahnhof, sagt er. Und: „Jetzt ist es ideal, wenn man mal zur Arbeit radeln möchte.“ Doch er würde es immer wieder tun, es sei eine tolle Stadt zum Wohnen. „Hier kann man wirklich gut leben.“

Stark veränderter Verkehr

Wo er in 20 Jahren den Schwerpunkt im Straßenverkehr sehe, wollen wir wissen. „Der Mobilitätsmix wird sich erheblich ändern“, sagt Wollny, es werde neue Mobilitätsformen mit mehr Car-Sharing, Leihautos und On-demand-Dienste geben. Hier sieht er viel Potential. Auch das Fahrrad wird einen höheren Anteil haben, prognostiziert er. Bei der Nordumgehung legt sich Wollny überraschenderweise fest: Die sei in zwanzig Jahren nicht nur längst gebaut, sondern es seien dann bereits die ersten Sanierungsarbeiten abgeschlossen, sagt er augenzwinkernd.

Ein Steckenpferd ist, das merkt man trotz aller Neutralität, der Fahrradverkehr. Das Fahrrad habe in letzter Zeit an Stellenwert gewonnen und sich auch positiv weiterentwickelt, als eines der wenigen Verkehrsmittel. Wollny, der selbst noch klassisch in die Pedalen tritt, spielt damit auf den E-Bike-Boom an. Es würden viele vor allem hochwertige Fahrräder verkauft, und der Kilometerradius erhöhe sich damit für die Fahrradfahrer. So etwas hätte man vor einigen Jahren noch nicht gehabt. Das mache ganz neue Konzepte denkbar, wenn man zügig mit dem Fahrrad vorankäme und auch mit dem Rad bei höherem Durchschnittstempo größere Strecken zurücklegen könne. Dafür sei das vor allem in den 80er Jahren entstandene Radwegenetz in Wunstorf jedoch nicht gemacht, stellt er fest. Das hat er kürzlich selbst erfahren, als er in einer Wunstorfer Unterführung auf einem schmalen Radweg von einer Pedelec-Fahrerin in höherem Tempo überholt wurde.

Hier müsse man viel überdenken, wenn man den Radverkehr wirklich steigern wolle. Dass sich Wunstorf nun in eine reine Fahrradvorzeigestadt verwandelt, ist jedoch nicht zu befürchten. „Man muss nicht alles radikal ummodeln, aber das Fahrrad als gleichberechtigten Verkehrsteilnehmer begreifen“, sagt Wollny, der selbst außer Fahrrad auch Motorrad und Auto fährt. „Man sollte das eine mehr unterstützen, ohne das andere dabei zu beschneiden.“ Das könnten breitere Radwege sein, aber auch das Verlegen von Spuren auf die Fahrbahn oder die Optimierung der Verkehrsführung an Knotenpunkten. Der Nachholbedarf ist groß, und die aus der Politik kommenden Impulse wie der Runde Tisch zum Fahrradverkehr nimmt Wollny gern auf, um das Thema weiter voranzubringen.

Wo heute noch kein Platz für Fahrräder ist, entsteht er vielleicht in Zukunft – Stichwort Nordumgehung. „Zu schauen, was hier möglich wäre, damit sollte man heute schon mal anfangen“, sagt Wollny. Ob Fahrräder einmal über die für den Autoverkehr verkleinerte Hochstraße fahren werden, dazu ist ihm allerdings keine Prognose zu entlocken. Das sei alles noch Zukunftsmusik. Zumindest derzeit gebe der Fahrradverkehr so etwas noch nicht her. Das alles müsse man sich genau anschauen. Vieles sei möglich, aber es müsse auch sinnvoll sein.

Zukunft Südstraße

Die Zukunft der Südstraße sieht er stark mit der Parkplatzfrage verknüpft. Die bestehenden Konzepte müssen intensiviert werden, um hier eine Verbesserung zu erreichen. Mit dem Wegfall der Parkplätze an der Küsterstraße sei die Lage verschärft worden. Man habe sich zwar kürzlich mit dem quantitativen Parkplatzangebot in Wunstorf auseinandergesetzt, aber nicht dem qualitativen. Dort, wo schon viele Parkplätze sind, braucht man nicht unbedingt noch mehr. Die Autofahrer müssten auch auf vorhandenen Plätzen parken wollen, und die Parkqualität in der Südstraße sei verbesserungsfähig. Im südlichen Teil der Fußgängerzone würde sich Wollny mehr Einzelhandel wünschen, der die Besucherfrequenz erhöhe. Nicht jede Nutzung – wie Versicherungs- und Maklerbüros – sorgten auch für Belebung. Als wünschenswertes Beispiel nennt er einen Drogeriemarkt oder einen Nahversorger. Doch die Ladenlokalstruktur mache dies schwierig. Auch müsse es dann mehr Parkplätze geben. Hier schließe sich der Kreis. „Das fehlt auf der Ecke jetzt gänzlich“, sagt Wollny. Erzwingen könne man Veränderung jedoch ohnehin nicht, nur bessere Rahmenbedingungen schaffen. Alles andere wäre ein Eingriff ins Privateigentum.

Auf Steinhude ließe sich das Parkplatzthema nicht übertragen, sagt Wollny. Hier sei es klar das touristische Parken, das Probleme verursache. „An schönen Sommertagen ist es wirklich schwierig, durch Steinhude durchzukommen.“ Neuen Parkraum im Bereich Badeinsel könne man nicht realisieren. Die einst vom Bürgermeister vorgeschlagene Shuttlelösung wäre etwas, was funktionieren könnte, schätzt Wollny. Ein Bootsshuttle wäre jedoch weniger geeignet, eher eine Marketingmaßnahme. Man müsse es jedoch vor allem als Paket realisieren: Wenn die Parkenden mit dem Parkticket gleichzeitig eine Karte für Bus oder Leihrad bekämen, könnte es klappen. Es sei letztlich jedoch schwer zu prognostizieren, was der Bürger wirklich annehme. Daher ist ein 4-wöchiges Experiment geplant. Verschiedene Shuttleformen sollen dann erprobt werden, während die Straßen um die Badeinsel für das Parken gesperrt werden.

Ob Wunstorfer Fußgängerzone und Stadtkern heute ähnlich gebaut würden wie in den 80er Jahren, fragen wir interessehalber. Jedenfalls würde es länger dauern, entgegnet Wollny. Heute dauere Bauen viel länger und sei komplizierter. Das Umweltrecht habe in den 70er Jahren noch in eine dünne Mappe gepasst. „Wenn man heute ein Stück Bundesstraße bauen will, sind 10 bis 15 Jahre das Minimum.“ Auch wenn er nicht alles gut findet, was vor Jahrzehnten gebaut wurde, er verurteilt es nicht. Eine rückwirkende Beurteilung wäre immer schwierig. Generell habe man vor allem in den Nachkriegsjahren öfter „das große Brecheisen“ angesetzt, sagt Wollny. Projekte, die im Zeitgeist wie eine gute Lösung wirkten, könnten später viel Schaden anrichten. Bei „großen Würfen“ rät er immer zur Vorsicht.

Manchmal sei es besser, wenn man vielen Gehör verschaffe, sagt Wollny, obwohl er sich selbst manchmal wünscht, dass es schneller geht. Dass eine Käferart ein ganzes Projekt gekippt hat, hat er auch schon erlebt. Lange Bauzeiten sind auch der Grund, warum er seine allererste Arbeitsstelle aufgab und weiter in den Süden ging. Für das Wirtschaftsministerium in Schleswig-Holstein plante er direkt nach dem Examen ein Teilstück der Ostseeautobahn A 20, die Westumfahrung von Hamburg. Den Streckenabschnitt Richtung Stade gibt es heute immer noch nicht. „Alles ist besser als Autobahn“, lacht er. „Ich wollte nicht irgendwann in meinen Memoiren stehen haben, dass ich nur ein Stück Straße gebaut habe.“

Eine Schule stehe nach zweieinhalb Jahren, man könne sie anfassen. Das seien Zeiträume, die greifbar sind. Nach seiner Lieblingsstelle in Wunstorf befragt, nennt er den Jahnplatz. Dort habe er mit seinen Sohn viel tolle Zeit beim Fußballspiel verbracht. Der frei zugängliche Platz in der Stadt sei etwas Besonderes. Der Ironie dessen, dass er womöglich bald selbst zu dessen Abriss beitragen muss, wenn entsprechende Bebauungspläne Wirklichkeit werden, ist er sich bewusst. Es sei aber auch kein richtiger Sportplatz, sondern nur eine Grünfläche, daher kann er die Interessen verstehen, ihn einer Bebauung zuzuführen. Mindestens ein weinendes Auge wäre für ihn dennoch dabei. Das Dilemma bleibt: Einerseits wird in Wunstorf nach mehr bezahlbarem Wohnraum gerufen, andererseits ist vor allem das Bauen günstigen Wohnraums unheimlich schwierig – und Bäume und Flächen wollen eigentlich auch alle behalten. Auch diesen Spagat in den kommenden Jahren zu meistern, gehört nun zu seinen Aufgaben.

zuerst erschienen in Auepost-Magazin Nr. 13, 11/2020

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Kommentare


  • Marc H. sagt:

    Wenn ich diese Überschrift schon wieder lese,…
    Sinn kann man nicht machen – im Deutschen kann etwas nur einen Sinn haben oder einen Sinn ergeben – aber nichts und niemand kann „Sinn machen“ oder machen, dass etwas einen Sinn hat oder einen Sinn ergibt.

    • Dieter sagt:

      Jau, politische Sprüche für die Paxe (85%+?) in unserem Land.

      Wenn ich mich nicht irre, ist diese plumpe Redewendung von Gas-Gerd zuerst auf den Markt geworfen worden. Alle haben Beifall geklatscht, unfassbar.

  • Birgit sagt:

    In sich strittig und im wechselhaften Kontext stehend, ist die Aussage zu der sich wechselnden Mobilität, hier Radverkehr und der Akzeptanz des sich ebenso steigenden Verkehrs hinsichtlich fehlender Parkplätze ebenso wie der fehlende soziale Wohnungsbau, der sich – doch hoffentlich – nicht dort abspielen soll, wo Bäume und viel Grün eine Verschönerung der Umwelt und Verbesserung des Klimas darstellen, denn

    1. die Parkplätze vor den Grossmärkten sind ebenso vollgestopft mit Parkwütigen, ohne dass das Fahrrad beim Transport eine nennenswerte Rolle spielt, so dass

    2. die meisten Radfahrer eigentlich nur die sogenannten Freizeitradler sind und keiner seine Karosse stehen lässt wenn er Wege zu erledigen hat, und überdies sieht man an Wochenenden endlos lange Schlangen, sich durch den Wasserort quälend, ohne Radl,

    3. man die vielfach abgerissenen Häuser, wo nun unbezahlbare Betonklötze entstanden sind, auch hätte stehen lassen können für günstige kleine oder mittelgroße Sozialwohnungen, denn

    4. alle Bäume und schönes Grün müsste für Mehrfamiienblöcke nicht weichen und

    5. alter Hausbestand hätte das Ortsbild belassen und nicht fremdverwirkt.

    Im Übrigen kann man sich sehr gut vorstellen, dass beim Lesen der Zeilen mancher denkt, aha, imm Neubaugebiet würde ich auch gerne wohnen, naja (leider können das viele nicht).

    Nur so am Rande.

    Aber natürlich, ein Bauherr darf mit seinem Gebäude alles machen, was er will.

    Wir leben ja in einem „freien“ Land.

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