Ironie der Geschichte: Alle, die im vergangenen Frühjahr Drei- und Vierlagiges gebunkert haben, können sich jetzt bestätigt fühlen: „Seht ihr: Das Klopapier ist gleich als Erstes vergriffen, sobald die Panik wieder ausbricht!“ Kurz darauf folgten wie immer Mehl und Hefe. Ich weiß jetzt nicht, was mir mehr leidtun soll: Dass der Einzelhandel seine im Frühjahr aus Polen und Tschechien herangekarrten Ersatzklopapiermengen im Sommer noch schnell verramscht hat, weil’s kurz darauf eben auch wieder das gute deutsche Klopapier zu kaufen gab. Oder dass es ihnen nun im Herbst wieder im Lager fehlte, statt es zu Mondpreisen unter die Leute bringen zu können. Wie man’s macht, macht man’s falsch. Auf die Doofheit der Leute kann man sich eben doch verlassen. Nix gelernt damals.
Aber ich habe durchaus Verständnis. Es gibt derzeit so viele Unsicherheiten und komplexe Zusammenhänge. R-Wert? 7-Tage-Indzidenzwert? Infizierte pro 100.000 Einwohner, wenn Wunstorf doch nur 42.000 Köppe hat? Da kann man schon mal mental aussteigen und sich auf Vertrauteres besinnen – wie Klopapier. Das verstehen die Leute.
Auf die Doofheit der Leute kann man sich verlassen
Deshalb schlage ich eine neue Berechnung vor, die den R-Wert und Inzidenzwert in Zukunft ablösen sollten. Da sowieso niemand mehr nachvollziehen kann, welche Vorschrift gerade an welchen Wert gekoppelt ist, schaffen wir einen selbsterklärenden Wert: Den T-Wert. T steht dabei für Toilettenpapier, zeigt den nationalen Infektionsverlauf anhand des beliebten Sanitärartikels und verknüpft ihn auch gleich mit konkreten Handlungsanweisungen. Die Formel dafür ist ganz einfach und korreliert mit den Pandemiephasen:
T = 4: Toilettenpapier in den Geschäften vorhanden. Überschaubares Infektionsgeschehen. Tragen Sie Ihre Alltagsmaske.
T = 3: Toilettenpapier in den Regalen geht zur Neige. Pandemiegeschehen ist „dynamisch“. Waschen Sie Ihre Alltagsmaske mal wieder.
T = 2: Schilder in den Supermarktregalen weisen auf maximal 2 Packungen pro Haushalt hin. Pandemie gerät außer Kontrolle. Gehen Sie öfter an die Kasse, um doch mehr zu bekommen.
T = 1: Nur noch osteuropäisches Toilettenpapier erhältlich. Krankenhäuser sagen planbare Operationen ab. Decken Sie sich trotzdem damit ein, damit die nächste Pandemiephase schneller erreicht wird.
T = 0: Toilettenpapierregal leer. Die Pandemie hat ihren Höchststand erreicht. Versuchen Sie überflüssigen Stuhlgang zu vermeiden. In 14 Tagen wird’s besser.
Mit dem neuen T-Wert behält man nicht nur den Überblick über den Pandemieverlauf, sondern kann sich auch komplizierte Verfahren sparen, um zu ermitteln, welche Schule wann mit welchen Schülern noch Unterricht machen darf. Auch dieses Kriterium wird immer undurchschaubarer und scheint nach der Quersumme gebildet zu werden, die die Fahrkarte der Frau des Rektors geteilt durch 42 in der Buslinie 701 ergibt. Mit dem T-Wert ist es dagegen ganz einfach: Bei T4: Präsenzunterricht. T3: Präsenzunterricht, aber die Schultoiletten werden gesperrt. T2: Wir lüften mal wieder durch. T-Wert gleich 1: Jeder Schüler bringt sein eigenes Klopapier mit, die Toiletten werden wieder aufgesperrt. T null: Ferienbeginn.
Mit inzidenten Grüßen
Horst Koschinsky
Zuerst erschienen in Auepost #14 (12/2020)
Immer wieder erfrischend diese Kommentare. Was den Inzidenzwert betrifft, wird gelogen und beschönigt, was das Zeug hält. Es geht halt auf den langersehnten Urlaub zu, und den zum Teil geistig Beminderbemittelten (dazu gehören auch teilweise die „Hezerischen Medien“) kann man nicht begreiflich machen, dass es noch nicht vorbei ist, auch wenn man bereits voll geimpft ist.
Als weiterhin Vorsicht walten lassen und auch in diesem Jahr am Besten zu Hause bleiben. Auch hier gibt es wunderschöne Stellen, die manch Einer noch nicht entdeckt hat.
Was den Izidenzwert betrifft, kann man den Prozentsatz der Infizierten am besten im Dreisatz berechnen. Dazu braucht man nur die Gesamtzahl der Bevölkerung und verläßlich Zahlen des RKI.
Nur mit den verläßlichen Zahlen ist das so eine Sache, da nicht alle Gesundheitsämter rechtzeitig und konsequent melden.