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Debatte mit Bürgerinitiativen: Grund für ICE-Trassenneubau soll hinterfragt werden

22.01.2025 • Redaktion • 3 Min.Kommentare: 6

Kann man die geplante ICE-Trasse zwischen Kolenfeld und Barsinghausen weniger einschneidend bauen, wenn vom starren Ziel der 31 Minuten Fahrtzeitverbesserung im Fernverkehr abgerückt wird? Und wird die Zuverlässigkeit im Nahverkehr vergessen? Darüber wurde am Donnerstag mit der Politik diskutiert.

22.01.2025
Redaktion
3 Min.
Das Podium mit Stephan Christ, Matthias Miersch, Tilman Kuban, und Joris Stietenroth (v. l.) | Foto: privat

Barsinghausen (red). Zum Thema des Neubaus einer ICE-Hochgeschwindigkeitstrasse Hannover–Bielefeld fand am 16. Januar in Barsinghausen eine Podiumsdiskussion in der Waschkaue statt. Die Debatte hatte Gerald Schroth, Vorsitzender der Bürgerinitiative Groß Munzel, organisiert und dazu Kandidaten der Bundestagswahl eingeladen. Vertreten waren Dr. Matthias Miersch (SPD), Tilman Kuban (CDU), Stephan Christ (Grüne) und Joris Stietenroth (FDP).

Ungefähr 130 Menschen kamen zusammen, darunter waren auch Vertreter vieler Bürgerinitiativen, Naturschutz- und Landwirtschaftsverbände und die Bürgermeister einiger Anrainergemeinden.

In ihren Eingangsstatements bemängelten sowohl Kuban als auch Miersch die fehlende Transparenz des Projektes seitens der Bahn, und beide betonten auch, dass aus ihrer Sicht die Vorgabe der Fahrzeitverkürzung auf 31 Minuten in Frage gestellt werden muss. Gerade diese starre Vorgabe habe keine ergebnisoffene Diskussion und echte Bürgerbeteiligung zugelassen.

31 Minuten

Miersch führte aus, dass bei den aktuellen Problemen der Bahn für ihn die Verhältnismäßigkeit eines solchen Großprojektes nicht gegeben sei. Für Kuban war wichtig, dass der angestrebte Deutschlandtakt auch ohne die Fahrzeitverkürzung funktioniere und die Kapazitäten entsprechend erhöht werden könnten. Dazu gehöre auch, dass der Ausbau der Bestandsstrecke in die Prüfung des Trassenverlaufs einbezogen werden muss.

Die Vertreter von FDP und Grünen äußerten sich allgemeiner. Christ erwähnte die in 2024 gestiegenen Haushaltsansätze für die Bahn, Stietenroth die Notwendigkeit der Abstimmung der Fernverkehre im Deutschlandtakt.

Gleich zu Beginn der zweistündigen Diskussion fragte Peter Krippner von der BI „Wir für Kolenfeld“ in Richtung FDP und Grüne, ob sie sich – wie die CDU und SPD – für eine ggf. etwas längere Fahrzeit mit dem Ziel erhöhter Flexibilität bei der Trassenplanung einsetzen würden. Aus den Antworten wurde allerdings nicht deutlich, ob das der Fall sein wird.

Viele Teilnehmende hinterfragten, ob es angesichts eines von Verspätungen und Störungen geprägten Alltagsbetriebs der Bahn wirklich angemessen sei, milliardenschwere Neubauprojekte zu forcieren, statt die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des bestehenden Schienennetzes zu sichern und zu verbessern. Es bestand breiter Konsens, dass die Bahn zunächst verlässliche, bezahlbare und pünktliche Verbindungen sicherstellen muss. Neubauprojekte wie die ICE-Trasse seien jedoch schwer zu rechtfertigen, solange der Alltag auf den Bestandsstrecken weiterhin von gravierenden Mängeln geprägt sei, betonte Miersch. Eine Modernisierung des Schienennetzes sei der Schlüssel, um eine Verkehrswende erfolgreich umzusetzen und den Güter- sowie Personenverkehr verstärkt auf die Schiene zu verlagern.

Nohl erinnert an die Zeiträume

Jörg Nohl, Vorsitzender der BI „Wir für Kolenfeld“ stellte klar, dass bei einer neuen Hochgeschwindigkeitstrasse der Nah-, Regional- und Güterverkehr von der Kapazitätserhöhung erst in einem Vierteljahrhundert profitiere. Er regte an, dass die Politiker darauf hinwirken, dass eine dringend notwendige Kapazitätserhöhung durch den Einsatz einer umfassenden Digitalisierung bereits während der zeitnah geplanten Generalsanierung der Bestandsstrecke umgesetzt wird.

Jörg Nohl (Mi.) | Foto: Daniel Schneider/Archiv

Kuban unterstützte diese Forderung und verwies auf eine klügere Prioritätensetzung, die stärker auf den Erhalt und die Verbesserung des bestehenden Schienennetzes abzielt. Kritisiert wurde auch die Konzentration von Geld und Personal bei der Bahn auf den Fernverkehr. Angesichts des ungleichen Verhältnisses der Fahrgäste im Nah- und Regionalverkehr (95 %) im Vergleich zum Fernverkehr (5 %) müsste auch bei einer Kapazitätserhöhung das Augenmerk stärker auf der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit als auf der Verkürzung der Fahrzeit liegen.

Widersprüche

Barsinghausens Bürgermeister Henning Schünhof (SPD) schilderte sehr plastisch, dass Zugverspätungen und -ausfällen bei Arbeitspendlern eine viel höhere Bedeutung zukomme als ein schnellerer Fernverkehr. Dies war auch einer der großen Widersprüche, den die Bürgerinitiativen bei der Demonstration in Groß Munzel vor einem dreiviertel Jahr formuliert hatten.

Dies sah am Ende der Debatte auch Stietenroth so: Als Fahrgast im Fernverkehr seien ihm die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zur Wahrnehmung von Terminen auch wichtiger als die Verkürzung von Fahrzeiten. Er hob ebenfalls hervor, dass eine ausgewogene Kosten-Nutzen-Abwägung insbesondere in Zeiten knapper öffentlicher Kassen unerlässlich sei.

Gerald Schroth freute sich über die angeregte und konstruktive Diskussion, dankte allen Anwesenden für ihre Teilnahme und schloss mit der Anmerkung: Die Veranstaltung in Barsinghausen verdeutlichte, dass die Planungen für die ICE-Trasse ein Sinnbild für eine Verkehrspolitik sind, die vielerorts grundlegende Fragen zu Kosten, Nutzen und gesellschaftlicher Akzeptanz offenlässt.

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Kommentare


  • Kolenfelder sagt:

    Es gibt spürbare Unterschiede im Engagement der Bürgermeister, die die Interessen ihrer Bürger vertreten sollen.
    Warum glänzt der Bürgermeister von Wunstorf in solchen wichtigen Diskussionen durch Abwesenheit?

    Bei der ICE-Trassenplanung wäre seine klare Positionierung zugunsten der Bürger essenziell gewesen.
    Während andere Akteure Transparenz einfordern und alternative Lösungen für Nahverkehr und Naturschutz diskutieren, bleibt unklar, wie Wunstorfs Bürger ihre Anliegen wirksam vertreten sehen können.

    Wäre hier nicht eine stärkere Unterstützung und Präsenz erforderlich gewesen?

  • HP48-UPN Freund sagt:

    Aktuell benötigt der ICE von Hannover Hbf nach Bielefeld Hbf 55min.
    Die derzeitige Streckenlänge beträgt 109,5km
    Es wird dabei mit einer Durschnittsgeschwindigkeit von 119,4km/h gefahren.

    Zukünftig soll die Fahrtzeit auf 31min, sprich um 24min reduziert werden. Die optimistischste Streckenlänge wäre zukünftig 96,4 km.
    Die neue Durchschnittsgeschwindigkeit müsste dann beachtlich 186,6km/h sein.
    Die sehr gut ausgebaute ICE Verbindung Hannover-München erreicht eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 km/h.
    Sind 186,6km/h dann realistisch?

    Das Ganze soll geplante 8,4 Milliarden Euro kosten.

    Im Vergleich: Stuttgart-21 wurde mit 2,5 Milliarden geplant und hat schlussendlich 9,15 Milliarden gekostet.
    Man darf demzufolge davon ausgehen, dass die Sache später nicht 8,4 Milliarden kostet, sondern gern auch mal 31 Milliarden kosten kann.

    Pro Minute Fahrzeitverkürzung wären das 1,3 Millarden Euro.

    Sind doch Peanuts!

    • Wunni sagt:

      Der Vergleich mit der Strecke Hannover-München ist hier allerdings maximal irreführend. Erstens befinden sich auf dieser Strecke etliche Zwischenstopps, die die Durchnittsgeschwindigkeit deutlich verringern und zweitens ist nur der erste Abschnitt Hannover-Göttingen zur Schnellfahrstrecke ausgebaut.
      Nimmt man diesen Abschnitt zum Vergleich mit der geplanten Strecke Hannover-Bielefeld (also kein Zwischenhalt, voller Ausbau zur Schnellfahrstrecke), dann passt das schon mit der Durchschnittsgeschwindigkeit: Die Strecke Hannover-Göttingen ist 94 Kilometer lag und die ICE-Fahrzeit beträgt 33 Minuten (=0,55 Stunden). Daraus ergibt sich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 171km/h.

  • Wunni sagt:

    kl. Korrektur: auf der Strecke Hannover-München ist auch der Abschnitt Göttingen-Würzburg zur Schnellfahrstrecke ausgebaut.

  • HP48-UPN Freund sagt:

    Die geplante Durchschnittsgeschwindigkeit von 186,6 km/h wird laut Wunnis eigener Argumentation bereits auf der Schnellfahrstrecke Hannover–Göttingen nicht erreicht, wo nur 171 km/h im Durchschnitt erzielt werden.
    Diese Diskrepanz zeigt, dass die angestrebte Geschwindigkeit auf der geplanten Trasse kaum realistisch ist, selbst unter optimalen Bedingungen.
    Seine Darstellung widerlegt sich somit selbst und stellt die Sinnhaftigkeit der Fahrzeitverkürzungsziele sowie die damit verbundenen enormen Kosten von 8,4 Milliarden Euro – mit möglichen weiteren Steigerungen – ernsthaft in Frage.

  • Ein Luther sagt:

    Aber den Verkehr etwas weniger dicht zu machen und eine Alternativstrecke zu schaffen, damit nicht jeder kleine Schaden auf der Strecke Hannover-Dortmund, den Bahnverkehr in ganz Norddeutschland zum Anliegen bringt, wäre meines Erachtens nach auch eine gute Idee.

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