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Don Quijote in Steinhude: Ortsrat will nicht gegen Windmühlenflügel anrennen

12.10.2023 • Achim Süß • Aufrufe: 1426

Etwas ist in Schieflage geraten zwischen Wunstorf und Steinhude: Sprecher aller politischen Lager haben am Dienstag im Ortsrat scharfe Kritik an der Stadtpolitik geübt. Im Visier: der Haushaltsentwurf für 2024 und die Parkplätze im Steinhuder Ortskern und im Stadtzentrum. „Wir wollen nicht für den Papierkorb arbeiten“, sagt Ortsbürgermeisterin Christiane Schweer. Und auch nicht „gegen Windmühlenflügel“.

12.10.2023
Achim Süß
Aufrufe: 1426
Rotes oder grünes Licht für Steinhuder Projekte? Die Steinhuder sehen sich von Wunstorf ausgebremst (Symbolbild) | Foto: Daniel Schneider

Steinhude (as). Die Koalition in der Opposition ist zerbrochen. Trotzdem sitzen die drei SPD-Vertreter und Sarah Sheikh-Rezai von den Grünen weiterhin nebeneinander im Ortsrat. Nah beieinander sind sie offensichtlich auch, wenn es um ihren Einfluss in der städtischen Kommunalpolitik geht. Den schätzen sie gegenwärtig als gering bis fehlend ein und finden sich dabei an der Seite von CDU und Freien Wählern.

Für den Papierkorb arbeiten

Schon in der Sitzung Ende August war Unmut laut geworden. Mehrere Redner kritisierten, dass Beschlüsse des Ortsrats nicht ausgeführt und beschlossene Projekte nicht umgesetzt würden. Mahnte die Ortsbürgermeisterin die Erledigung mit Blick auf die Stadtverwaltung damals nur energisch an, machte sie diesmal ihrem Ärger deutlich Luft. Schweer – im Rat der Stadt als Vorsitzende der CDU-Fraktion immerhin eine der zentralen Figuren der politischen Szenerie – fasste die negativen Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit während der Diskussion über Parkregelungen und „Brötchentaste“ und erneut beim Tagesordnungspunkt Etatentwurf 2024 in zwei Sätzen zusammen: Der Ortsrat müsse seine Ziele definieren, ein gemeinsames Konzept suchen und entschlossen vertreten. Augenblicklich kämpfe er wie gegen Windmühlenflügel und arbeite wie für den Papierkorb.

Zurzeit seien zentrale Steinhuder Anliegen wie die Verlängerung der Höchstparkdauer von einer auf zwei Stunden und die Regelung für kostenloses Parken – mit der „Brötchentaste“ möchte der Ortsrat 30 Minuten erlauben und nicht nur 15 – im Rat nicht durchsetzbar, bemängelte Schweer. „Gegenwind von allen Seiten“ hat auch SPD-Ratsherr Wilhelm Bredthauer ausgemacht. Es sei „hochgradig spannend“ gewesen, wie sich eine große Mehrheit im Rat gegen diese Wünsche formiert habe.

Krisentreffen zur Parkplatz- und Toilettenfrage

Schweers Vorschlag, nun ein Treffen des gesamten Ortsrats mit den Fraktionsvorsitzenden aus dem Stadtrat, den Fraktionssprechern aus dem Bauausschuss und der Stadtverwaltung zu organisieren, wurde einstimmig angenommen.

Ortsbürgermeisterin Christiane Schweer (CDU) verschafft sich am Bruchdamm einen persönlichen Blick über die Parkplatzlage (Archiv) | Foto: Daniel Schneider

Weitgehend einig sind sich CDU, SPD und die beiden Vertreterinnen von Grünen und Freien Wählern auch in ihrem Urteil über den von Bürgermeister Piellusch (SPD) eingebrachten Haushaltsplanentwurf für das kommende Jahr. Bredthauer beklagte die „vergleichsweise geringen Investitionen“ für den Ort. Die Erweiterung der Grundschule sei positiv, aber sonst finde sich nichts. Die Arbeiten an der Mole seien auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben („Bei richtigem Sturm ist die weg!“), und offenbar auch neue Sanitäranlagen. Das Steinhuder Meer sei längst „die größte Naturtoilette des Landes“, schimpfte er. Bredthauer wörtlich: „Und das soll ein Tourismusort sein?“ Ein Blick auf die anderen Gemeinden rund ums Meer zeige, was möglich sei.

„die größte Naturtoilette des Landes“

Wilhelm Bredthauer (SPD)

In dieselbe Kerbe hieb Marc Beutler von der CDU. „Ohne Erklärung“ sei die Sanierung der Badeinsel aus dem Zahlenwerk verschwunden, die Toilettenanlage gestrichen. Walter Sternberg (SPD) vermisste die Etatansätze für ein Tourismus-Konzept und auch die Begründung dafür. Sheikh-Rezai (Grüne) kritisierte, dass selbst kleinste Vorhaben aus den Ortsteilen gestrichen worden seien. Mit den Worten „Wunstorf besteht nicht nur aus Wunstorf!“ forderte sie einen Verteilungsschlüssel, der es Ortsräten erlaube, selbst in einem gewissen Rahmen Projekte auf den Weg zu bringen.

„Wunstorf besteht nicht nur aus Wunstorf!“

Sarah Sheikh-Rezai (Grüne)

Sven Dahlke (SPD) wandte sich gegen neue Kredite im vorgesehenen Umfang. Die Pro-Kopf-Verschuldung steige exponentiell, der Etatentwurf müsse auf den Prüfstand. Das forderte auch sein Fraktionskollege Bredthauer: Die Schulden verachtfachten sich in nur fünf Jahren, wenn es bei den Vorschlägen bleibe. Kerstin Obladen (Freie Wähler) verlangte, auf die Investitionen ins Hallenbad so lange zu verzichten, bis sich die finanzielle Lage entspannt habe.

Verhaltene Rückendeckung für die Stadt kam von Ortsbürgermeisterin Schweer: Es sei nicht richtig, „dass sich gar nichts getan hat“. Außerdem seien viele Ausgaben die Folge von Verpflichtungen. Im Übrigen müsse „auch alles bezahlt und bearbeitet werden können“.

von Achim Süß
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Kommentare


  • Joachim Begerow sagt:

    Auch wenn die parteiübergreifende Kritik der Steinhuder Ortsratsmitglieder in der Sache weitgehend berechtigt sein mag (hierzu maße ich mir als in Luthe wohnender Bürger kein Urteil an), so möchte ich doch der Polemik des früheren Ortsbürgermeisters („Und das soll ein Tourismusort sein?“) ganz entschieden entgegentreten: Allein die Neugestaltung der Uferkante an den Strandterrassen erwies sich in den letzten Monaten als ein wahrer Magnet. Selbst „unter der Woche“ konnte man(n)/frau dort nur mit Mühe ein Plätzchen ergattern, um die häufig spektakulären Sonnenuntergänge zu bewundern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den gastronomischen Betrieben dort (ebenso wie auf dem „Ratskellergrundstück“) konnten den Besucheransturm kaum bewältigen. Dies alles bekommt man natürlich als Steinhuder nicht von daheim aus mit.
    Ich finde deshalb, dass Steinhude in den letzten Jahren sehr stark an touristischer Qualität gewonnen hat und dies zwar keineswegs nur, aber durchaus auch dank des städtischen Engagements!

  • Stefan sagt:

    Dass nichts für Steinhude getan wurde oder wird, ist so natürlich nicht richtig. Neben der Grundschule (wieder so ein Millionengrab) fallen mir da diverse Straßensanierungen, Kurpark, Strandterrassen, Sturmhafen, aktuell zwei große Baugebiete (Im Kellerbusch und Vor dem Meere) und noch eine Reihe weiterer kostspielige, aber sinnvolle aktuelle und kürzliche Maßnshmen ein. Richtig ist vermutlich eher, dass keine Ortsteil so viel Geld erhält, wie Steinhude. Selbst die Ortschaft Wunstorf mit ihren zentralen Einrichtungen für uns alle sieht dagegen arm aus.

    Das reine Geld ist jedoch in meinem Augen gar nicht das Problem. Ein jeder möge sich bitte fragen, wer entscheidet in dieser Stadt eigentlich? Die Ortsräte? Der Stadtrat? Auf dem Papier ja, aber in Wirklichkeit? Seit Jahren treffen die Politiker in ihren Räten Entscheidungen, die die Verwaltung nicht umsetzt. Ob nun eine Brötchentaste in Steinhude, die auch der Kernstadt gut tun würde, die aus der Verwaltung jedoch abgelehnt wird oder auch ein Kreisel am Kanal vor Kolenfeld, den wir alle wohl nie erleben werden und wo nun als angebliches Provisorium eine Ampel für einen sechsstelligen Betrag errichtet wurde.

    Manches kann die Verwaltung sicher nicht leisten mangels Personal oder Qualifikation. Bei vielen kleinen und manchen großen Punkten muss man sich aber doch die Frage stellen, warum setzt die Verwaltung Beschlüsse nicht um, gegen die sie ist, die die Politik aber trotzdem beschlossen hat? Und ich stelle mir die Frage, wie lange lässt die Politik sich dies noch gefallen?

    Schon vor einigen Monaten hat es genau zu diesem Punkt öffentlich geknallt und dem Bürgermeister wurden die Leviten gelesen. Hat sich seither etwas verändert?

  • Schorsch sagt:

    Zunächst einmal mein ausdrückliches Lob an Sie,Herr Süß, für die ausführliche, alle Seiten berücksichtigende Wiedergabe der Ortsratssitzung. Bei Ihrem früheren Arbeitgeber ist das eher nicht mehr die Regel. Stefan hat zurecht die Kernfrage gestellt: Wer entscheidet eigentlich in dieser Stadt? Und wenn einem Ortsrat nicht einmal zugestanden wird, über eine Brötchentaste zu entscheiden, ist dieser defacto obsolet. Mir drängt sich zunehmend der Eindruck auf, daß der Erfolg der Verkehrswende aus Sicht der Verwaltung von der Steinhuder Brötchentaste abhängig zu sein scheint. Oder welche Gründe stehen ansonsten hinter dieser Rigorosität?

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