Wunstorf (ds). Aufregerthemen gibt es in Wunstorf gerade einige: Die Nordumgehung, die Abwassertransporte über die Schiene zum alten Bergwerk Sigmundshall, die Zukunft des Steinhuder Meers oder die geplante ICE-Trasse möglicherweise durch Kolenfeld. Auch wenn die Kandidaten in Richtung Landtag blicken – themensicher waren sie allesamt auch in den kommunalpolitischen Bereichen. Kein Zweifel kam auf, dass Wiebke Osigus (SPD), Sebastian Lechner (CDU) und Jelger Tosch (FDP) wissen, wo in Wunstorf der Schuh drückt. Einen „Heimvorteil“ als Stadtratsmitglied konnte Anne Dalig, die für die verhinderte Grünen-Kandidatin Sandra Häntsch-Marx am Podium teilgenommen hatte, nicht ausspielen.
Das Wahlforum von Auepost und Forum Stadtkirche fand am vergangenen Donnerstagabend statt – dem Tag, als der Strom- und Gaspreisdeckel angekündigt und die Gasumlage vom Tisch genommen wurde. Entsprechend war Energie auch das erste Thema des Abends. An der Dringlichkeit bestand kein Zweifel. Osigus bestätigte die greifbare Zukunftsangst der Menschen jeden Alters im Wahlkreis. Lechner berichtete von einem konkreten Besuch im Haustürwahlkampf bei der Rentnerin, die mit 850 Euro Rente auskommen müsse und statt 120 Euro nun 350 Euro Energiekosten habe. Von Firmenbetreibern habe er „Wenn das so bleibt, mache ich meinen Laden zu“ gehört – bei einer erwarteten Steigerung von 5.000 auf 75.000 Euro im Monat.
Beim Thema K+S und den Bahntransporten, die „in Dauerschleife durch die Stadt quietschen“ (Ens), gingen die Einschätzungen auseinander. Einigkeit herrschte, dass man im Falle der Güterzüge nach Sigmundshall nicht viele Möglichkeiten der Einflussnahme habe – der Betrieb dort sei eben erlaubt und die Verantwortung liege bei der Wirtschaft. Doch während Dalig, die als Anwohnerin an der Strecke von der Lärmbelastung sogar selbst direkt betroffen ist, berichtete, dass man mit K+S gut reden könne, vertrat Lechner die gegenteilige Ansicht: „Man kann noch an der ein oder anderen Stelle nacharbeiten, wenn es um das Thema ‚ernst nehmen‘ geht“, sagte Lechner in Richtung des Konzerns.
Ähnlich beim Thema Nahverkehr: „Regiobus-Schulverkehr funktioniert nicht. Transdev/S-Bahn funktioniert auch nicht“, fasste es Lechner zusammen. Man könne aber nur den Finger in die Wunde legen, zuständig sei die Region.
Den Themenkomplex Nordumgehung begann Carsten Ens mit einer provokativen Frage: „Ist das ein Plan aus der Mottenkiste?“ Das wurde unisono verneint. Das Projekt sei richtig und würde zu einer Entlastung für Wunstorf führen, waren sich Tosch, Osigus und Lechner sicher. Auch Sandra Häntsch-Marx würde nicht in den Landtag geschickt, um die Nordumgehung noch zu verhindern, meinte Dalig, der „Drops sei gelutscht“, auch wenn man dagegen sei – jedenfalls befände sich die Nordumgehung an der falschen Stelle.
Für einen kurzen Moment wirkte es, als würde der in der Region aufgekommene Vorschlag, eine S-Bahn-Strecke zum Steinhuder Meer in Betrieb zu nehmen, den Konsens bei SPD und CDU finden. Damit es in der Zukunft ein Steinhuder Meer aber überhaupt noch gibt, dazu ist insbesondere die Landespolitik gefordert. Man könne den Schlamm aus dem Flachsee aber auch nicht einfach in den alten Kalischacht kippen, erfuhren die Zuhörer. Langfristige Lösungen sind gefragt. Als Osigus den Entschließungsantrag zum Steinhuder Meer als gemeinsames Projekt pries, reagierte Lechner angesäuert – den habe man zwar gemeinsam beschlossen, aber er stamme aus seiner Feder.
Doch am kontroversesten wurden die Landesthemen behandelt, ganz vorne dabei: die Unterrichtssituation an den Schulen. Mit Osigus und Lechner standen zwei kinderreiche Landtagsabgeordnete auf dem Podium – Moderator Ens setzte genau dort an und fragte direkt: „Ärgert es Sie persönlich, dass es hakt?“ Vor allem Lechner schien das zu bejahen, als er dem SPD-geführten Kultusministerium Versäumnisse vorhielt.
„10 Jahre SPD-Kultusminister – und wir haben die schlechteste Unterrichtsverordnung seit 20 Jahren“, bekam Osigus von Lechner aufs Brot geschmiert. Lechner klang plötzlich eher nach Oppositionsführer statt nach Angehörigem der großen Koalition. Die Schuld für die schleppende Einstellungspraxis bei Seiteneinsteigern in den Lehrerberuf lastete er ganz der SPD an. Osigus kam stellenweise aus dem Augenrollen nicht mehr heraus.
„Das Oberstufengebäude am Hölty sieht immer noch so aus wie vor 40 Jahren“, sagte Dalig, die Schulen seien kaputtgespart worden, die Qualität leide, die Lehrer seien frustriert. Osigus richtete den Blick in die Zukunft – und sieht in der besseren Bezahlung von Lehrkräften eine Möglichkeit der Verbesserung der Unterrichtsversorgung. Osigus führte das gebührenfreie Studium und die Kitabeitragsfreiheit als Erfolge an und erinnerte an den Finanzminister, der das Geld für mehr Lehrerstellen bereitstellen müsse.
Dalig kritisierte die Unterrichtsrealität mit den Tablets: Die seien irgendwann angekommen, aber dann hätten die IT-Kräfte gefehlt – ebenso wie die Infrastruktur, vor allem ausreichendes WLAN. Da helfe auch kein Tablet, wenn man es in der Schule nur einschalten, aber nicht damit arbeiten könne. Lechner ergänzte, dass man auch ein Datenschutzrecht brauche, das bei der Nutzung von iPads im Unterricht nicht behindere. Tosch bemängelt Defizite bei der Digitalisierung: „Unterricht mit dem Overheadprojektor ist definitiv nicht digital.“ Aber Digitales allein reiche nicht: „Man kann manchmal das Gefühl entwickeln, Herr Tonne möchte den Kindern Tablets geben, damit sie nicht merken, dass gar keine Lehrer im Raum sind“, stellte er die Wichtigkeit der Lehrenden über jede technische Ausstattung.
Unter den Zuschauern des Podiums waren auch viele Schüler der IGS Wunstorf – der Politik-Leistungskurs des 12. Jahrgangs hatte sich mit Schulleiterin Elke Helma Rothämel eingefunden, um das Wahlforum zu verfolgen. Schülerin Anna Bertl richtete für den Kurs selbst einige Fragen an die Politiker – unter anderem, wie man zur Absenkung des aktiven Wahlrechts auf 16 Jahre stehe. Osigus, Dalig und Tosch plädierten mit einem klaren Ja dafür, während Lechner ein klares Nein formulierte. Eine Steilvorlage für Dalig, die Lechner prompt dafür anging. Lechner schien für einen kurzen Moment in die Defensive zu geraten, verteidigte dann aber seinen Standpunkt. Der wurde dann von Tosch direkt wieder einkassiert, der es für falsch hielt, das Gewähren eines Grundrechts an eine Strafmündigkeit zu knüpfen.
Die Diskussion schien trotz der Themenfülle unglaublich schnell vorbei – das lag daran, dass die Landtagskandidaten und die grüne Mitdiskutantin in Höchstform waren. Carsten Ens sorgte mit seiner zugewandt-spitzfindigen Moderation für das nötige Tempo und die richtigen Stichwörter.
Sebastian Lechner gab sich an diesem Abend angriffslustig, Wiebke Osigus schoss ebenso den ein oder anderen Pfeil in Richtung des Koalitionspartners. Jelger Tosch überraschte mit umwelt- und sozialpolitischen Ideen und Anne Dalig geriet kurz „zwischen die Fronten“. Was bleibt als Fun Fact? SPD-Kandidatinnen nehmen das versehentliche Einsortieren bei der FDP mit Humor, auch Koalitionäre aus derselben Stadt bilden keine Fahrgemeinschaften, um zum Wahlforum zu kommen, und CDU-Kandidaten trinken nachmittags schwarzen Tee – und morgens grünen.
An diesem Sonntag, den 9. Oktober, wird ein neuer Landtag gewählt. 14 Parteien wollen ins niedersächsische Parlament (SPD, CDU, Grüne, FDP, AfD, Die Linke, Freie Wähler, Die Partei, Piratenpartei, Tierschutzpartei, Humanisten Niedersachsen, Die Basis, Partei für Gesundheitsforschung, Volt). Für den Wahlkreis Neustadt/Wunstorf treten 7 Direktkandidaten an: Wiebke Osigus (SPD), Sebastian Lechner (CDU), Sandra Häntsch-Marx (Grüne), Jelger Tosch (FDP), Rocco Kever (AfD), Ralf Wetzen (Linke) und Birgit Nowack (Die Basis).
Die Trasse ist noch da ( zum Teil ) führte aber damals mitten durch die Stadt — Marktkirche – Nordstraße – Sölter Kreuzung – Kleinbahnhof – Klein-Heidorner Straße – Mitten durch Klein Heidorn – dann durchs Feld – oberhalb von Gro0enheidorn zum Steinhuder Bahnhof- —- Diese eigentliche Trasse ist nicht mehr nutzbar ,wäre aber sehr schön und gemütlich. Heute müsste die Trasse Kaliwerkes Sigmundshall bis Bokeloh genutzt werden und dann nach Steinhude neugebaut werden
„Das Land in guten Händen“, „#weiterspringen“ etc.
Was haben wir gelacht!
Zitat Auepost vom 21.09.2022: „Am 29. September wollen wir mit den Landtags-Direktkandidaten unseres Wahlkreises in der Stadtkirche diskutieren.“ Es fehlten 3 Direktkandidaten! Aus dem Text geht nicht hervor weshalb! Oder lädt das Forum nur die gewünschten und genehmen Kandidaten ein?
Es sind immer genügend — Kandigaten — da , die bei solchen Diskussionsrunden einspringen können und mit den erschienenen Bürgern anstehende Probleme zu diskutieren.
Aber ein einspringen ist nicht erwünscht , man könnte ja etwas sagen , was der Kandidat anders formuliert hätte
Was die Bahnverbindung nach Steinhude angeht, hat die Politik bekanntlich komplett versagt. Es gab diese Strecke ja früher mal – dann wurde sie weitestgehend abgerissen und vor ein paar Jahren wurde dann eine Wiederbelebung unmöglich gemacht, indem man den Bahnhof in Steinhude abgerissen hat, um ein paar gut betuchten Leuten ein schmuckes Eigenheim in bester Lage zu ermöglichen. Und jetzt soll mit Steuergeldern jede Menge Land gekauft/enteignet und versiegelt werden, um eine ganz neue Trasse durch die Natur zu bauen?