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Piellusch will Stolpersteine auf den Weg bringen

29.01.2023 • Achim Süß • Aufrufe: 1102

„Stolpersteine“ sind nicht unumstritten. In der Kernstadt sollen in diesem Jahr, spätestens 2024, zunächst bis zu zehn davon zum Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus platziert werden: Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD) macht sich in einer Beschlussvorlage für die städtischen Gremien Anliegen und Position des Arbeitskreises Erinnerungskultur zu eigen.

29.01.2023
Achim Süß
Aufrufe: 1102
Bei der jährlichen Kranzniederlegung im Dezember zur Erinnerung an die getöteten Wunstorfer Juden | Foto: Daniel Schneider

Wunstorf (as). In Wunstorf sind bisher keine Stolpersteine verlegt worden, obwohl es mehrere Vorstöße und Debatten gegeben hat. Die Steine an sich sind seit langem umstritten: Befürworter halten die von dem Künstler Günter Demnig entworfenen Metalltafeln für ein angemessenes Instrument der Erinnerung und Mahnung. Kritiker werfen Demnig vor, „Millionen zu scheffeln“ und wenden sich dagegen, das Gedenken an Opfer buchstäblich in den Straßenstaub zu zerren und mit Füßen treten zu lassen.

Piellusch weist in der differenzierten Drucksache darauf hin, dass seit 30 Jahren in Deutschland und anderen europäischen Ländern knapp 100.000 Stolpersteine platziert worden sind und an Opfer des NS-Regimes erinnern: „Juden, Sinti und Roma, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Deserteure und Menschen anderer Opferkategorien“.

Nach langer Zurückhaltung nun einstimmig

Die Wunstorfer Grünen haben im April 2022 das Thema kommunalpolitisch aufgegriffen und einen Antrag eingebracht, die Erinnerung wach zu halten. Der Vorstoß schaffte es trotz wiederholter Nachfragen der grünen Ratsfraktion erst Ende Juni auf die Tagesordnung einer Sitzung des Ortsrates Wunstorf. Der intensiven Diskussion folgte ein einmütiger Beschluss: Der Arbeitskreis Erinnerungskultur unter Leitung des ehemaligen Baudezernenten Andreas Varnholt soll Vorschläge erarbeiten, wie der Opfer gedacht werden sollte.

Ein Stolperstein ist ein etwa 10 mal 10 mal 10 Zentimeter großer Beton-Pflasterstein, den eine Messingplatte abdeckt. Darauf sind Angaben zu der Person eingraviert, an die erinnert werden soll, in der Regel Name, Geburts- und Todesjahr, Verfolgungsgrund, Ort der Ermordung. Der Initiator begreift nicht nur den einzelnen Stolperstein, sondern auch die Gesamtheit der verlegten Steine als Kunstwerk, als „soziale Skulptur“. Die Stolpersteine gelten inzwischen als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Finanziert werden Stolpersteine aus Spenden und von Paten. Ein Stein kostet derzeit 120 Euro. Nach der Verlegung gehen die Stolpersteine in das Eigentum des Grundstückeigentümers über. In der Regel ist das die Kommune, da die Stolpersteine zumeist auf öffentlichen Bürgersteigen verlegt werden.

Über Stolpersteine und das Mahnmal an der Abtei hinaus sollen Zeichen gesetzt werden, hieß es im Ortsrat. Auf Vorschlag von Ortsbürgermeister Thomas Silbermann (SPD) war der Grünen-Antrag mit einer Initiative von CDU und FDP zusammengeführt worden. In der Sitzung hatten sie ein Papier präsentiert mit dem Vorschlag, auch Schulen und Schüler an der Erinnerungsarbeit zu beteiligen. Die SPD hatte ein Gesamtkonzept favorisiert, bei dem die Beteiligung von Schulen im Mittelpunkt stehe. Stolpersteine allein, so Kirsten Riedel im Ortsrat, seien nicht angemessen.

Bürgermeister Piellusch geht in seiner aktuellen Vorlage vorsichtig, aber deutlich auf die Zurückhaltung politischer Instanzen ein: „Bisherige Initiativen aus der Stadtgesellschaft wurden bislang mit Verweis auf die Kosten und auf die bereits bestehenden Gedenkorte (Mahnmal an der Abtei, Erinnerungstafeln, Straßennamen) zurückgewiesen.“ Er erwähnt „neue Impulse“ und erläutert: „Aus dem Arbeitskreis ‚75 Jahre Befreiung der Konzentrationslager‘, der im Januar 2020 eine Gedenk- und Veranstaltungswoche organisiert hatte, war anschließend der Arbeitskreis Erinnerungskultur hervorgegangen … Beteiligt sind Kirchen, Schulen, das Forum Stadtkirche, die Stadt, der Ortsrat Wunstorf, die Grünen, das Klinikum und diverse Einzelpersonen.“

Ausgelöschte Familien: Die Namen der Deportierten am Wunstorfer Mahnmal (Archiv) | Foto: Daniel Schneider

Insgesamt 50 Stolpersteine

Für die zunächst acht bis zehn Stolpersteine in der Kernstadt liegen bereits Informationen über die Opfer sowie Zustimmungen und Zusagen von Grundstückseigentümern vor. Langfristig könne von einer Gesamtanzahl von 50 Stolpersteinen ausgegangen werden, so Piellusch, die in Einzelfällen auch in Steinhude und anderen Ortschaften Wunstorfs nach und nach verlegt werden könnten. Einzelpersonen und Institutionen hätten bereits ihre Bereitschaft zur Finanzierung signalisiert.

Der Ortsrat Wunstorf berät darüber am Mittwoch, den 1. Februar. Nach dem Ortsrat beraten unter anderem noch Verwaltungsausschuss und Rat im März über die Drucksache. Auch das Jugendparlament soll beteiligt werden, hatte der Ortsrat angeregt.

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Kommentare


  • Birgit Mares sagt:

    Auch der Sozialausschuss berät am 01.03.23 über die Vorlage

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