Steinhude (as). Er kommt und füllt den Raum – mit einer unerwarteten Ausstrahlung: Peter Altmaier, gewichtiger Minister im vierten Kabinett Merkel, enger Weggefährte und Allzweckwaffe der Kanzlerin, Jurist, Saarländer, Genussmensch und Frohnatur, kommt nach Steinhude zu den Parteifreunden von der Wunstorfer CDU. Wirtschaftspolitik in Zeiten von Corona lautet das Thema. 45 Zuhörer sitzen auf der Schirmterrasse, plaudern, genießen die Fischspezialitäten und lauschen den Reden. Ganz am Rand unter den Schwarzen zwei Rote, Thomas Silbermann und Patrick Pierau, und ein Blau-Gelber, wie es früher hieß: Daniel Farnung von der FDP. Alle eingeladen von Martin Pavel, der seine Kontakte über Parteigrenzen hinweg pflegt.
Pavel, Parteichef, Ratsherr und Kandidat für das Amt des Bürgermeisters, erweist sich an diesem Abend als talentierter Moderator, als munterer Plauderer. Quasi zum Aufwärmen leitet er eine Gesprächsrunde mit Bürgermeister Rolf-Axel Eberhardt und Christiane Schweer, der Fraktionschefin im Rat der Stadt. Die drei sitzen an einem zum Tisch umgebauten Boot und reichen sich das Mikrofon weiter, als täten sie nichts anderes: Das Frage-und-Antwort-Spiel wird ins Internet übertragen, so wie auch der Rest der Veranstaltung.
Schweer will nach den Kommunalwahlen am 12. September Ortsbürgermeisterin in Steinhude werden und deutet an, dass sie sich übergangen gefühlt hat bei den Verhandlungen 2016. Sie habe mit Abstand die meisten persönlichen Stimmen bekommen – und das strebe sie jetzt wieder an. Ihr wichtigstes Thema neben dem Tourismus: der Verkehr. Die Steuerung der Besucherströme müsse vor dem Ortsschild beginnen. Dafür werde sie weiter energisch eintreten.
Eberhardt – seine Amtszeit als Bürgermeister geht nach 22 Jahren bald zu Ende – beendet seine Karriere nicht: In der Regionsversammlung will er sich dafür einsetzen, dass die Interessen der Kommunen stärker beachtet werden. Die Region müsse als Dienstleister für die Städte und Gemeinden wirken, und er wäre gern ein Sprachrohr der Kommunen. Diese Rolle hat er im Kreis der Verwaltungschefs seit Jahren inne, und er übt sie auf eine Art und Weise aus, die Hendrik Hoppenstedt wenig später in seiner kurzen Rede als „sympathische Penetranz“ bezeichnet. Der Bundestagsabgeordnete aus Burgwedel, Parteichef in der Region und Staatsminister bei der Bundeskanzlerin, hat den Besuch von Altmaier in Steinhude vermittelt.
„Etwas bedröppelt“ stehe er da, sagt Hoppenstedt: Berlin schicke den Wahlkämpfern zur Zeit nicht gerade Rückenwind. Trotzdem gebe es keinen Grund, „traurig auf den Boden zu schauen“. Die Wahlergebnisse seien immer knapp gewesen. Hoppenstedt kritisiert den Umgang mit Armin Laschet, dem Kanzlerkandidaten der CDU. Der erlebe zur Zeit gerade das, was auch Angela Merkel durchgemacht habe und vor ihr Helmut Kohl: Das „Mädchen“ sei die Kanzlerin genannt, Kohl als „Birne“ verspottet worden. Hoppenstedts Prognose: „Das wird schon.“
Dann Altmaier: Aufgeräumt lässt er sich im Durchgang zur Terrasse von den Schweers über Familiengeschichte und Fischfang berichten. Das Publikum ist sofort auf seiner Seite. Sehr gern sei er nach Steinhude gekommen – um Erinnerungen aufzufrischen. Als junger Mann habe er mit seinem Vater eine Rundreise durch Deutschland gemacht, und am Ufer dieses „wunderschönen Sees“ habe er sich damals gefragt, wie tief der wohl sei. Seit seinem Besuch in Steinhude sei seine Karriere steil nach oben gegangen, und vielleicht sei das jetzt noch einmal so. Nach den Nettigkeiten der Ernst: Die Wahl am 26. September sei die schwierigste seit 27 Jahren.
Unter Schweers Zeltdach erlebt die Runde einen anderen Altmaier: Bei Fernsehauftritten meist eher zögerlich, bedächtig, scheinbar nach den richtigen Worten suchend, tritt hier ein leidenschaftlicher Wahlkämpfer auf. Er breitet die Arme zur Begrüßung aus und möchte „erstmal ein Bier“. 80 „Auftritte“ absolviert er im Wahlkampf, hier ist es ein Heimspiel. Er spricht schnell, lebendig, mischt ernste Postulate mit süffisanten Bemerkungen, spart nicht mit Selbstironie. Altmaier kokettiert mit seiner Leibesfülle und proklamiert sie zum Erkennungszeichen – wie seinen Schlips, magentafarben. Pavel baut ihm Brücken, die Altmaier gar nicht braucht: „Ich mag Sie“, sagt der Bürgermeisterkandidat und Organisator, „und das hier wird nix Schlimmes. Sie waren doch schon bei Illner und Lanz.“ Altmaier lacht und greift zum Glas.
Über Corona soll er sprechen, und das tut er auch. Detailliert ruft er das Instrumentarium der Regierung in Erinnerung, schildert die diversen Hilfen für die Wirtschaft. Er begründet die astronomischen Summen und die Motive für die Förderung. Fragen kommen nicht. Nur Martin Pavel spricht einen weiteren Lockdown an. „Für Geimpfte und Genesene definitiv nicht“, ist Altmaier sicher.
Fast unvermittelt ist die Übertragung zu Ende. Die meisten Zuhörerinnen und Zuhörer gehen. „Kann man hier noch was bestellen?“, fragt der Berliner Gast und fordert „den Hendrik“ auf, sich doch einen Stuhl zu nehmen. Ein paar Gäste nutzen das zur direkten Ansprache. Autogrammwünsche erfüllt der Minister der Reihe nach und ohne Zögern. Mit Dagmar von Hörsten aus Blumenau tauscht er sich über Landwirtschaft aus, erzählt von seiner Kindheit und der Zeit bei den Großeltern. Altmaier fühlt sich wohl, ganz offensichtlich ist er in seinem Element. „Ich bleibe noch. Wir sind unter Freunden.“
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