Wunstorf (ms/as). Überall im Land stoppen Investoren Bauvorhaben oder legen Projekte auf Eis. Es ist von schwerer Krise die Rede, und der Ruf nach staatlicher Hilfe ist unüberhörbar. Der Bauverein mit seinem jungen Team um die Vorstände Kathrin Tietz und Jost Kemmerich setzt den eingeschlagenen Weg aber konsequent fort. Vom 2022 unerwartet gestorbenen Geschäftsführer Michael Nahrstedt auf den Weg gebracht, ist die Verlagerung der Zentrale von der Langen an die Neustädter Straße abgeschlossen.
Dort wurde neben dem neuen Verwaltungssitz auch ein kleines Wohnquartier errichtet, wo an der Ecke zur Sudermannstraße Reihenhäuser aus der Nachkriegszeit standen. Die Gebäude hätten für sehr viel Geld saniert werden müssen, um auf zeitgemäßen Standard gebracht zu werden. Die frühere Bauverein-Führung hat – nicht ohne Kritik aus der Nachbarschaft und von Fachleuten – auf Abriss und Neubau gesetzt. Moderne Büroräume für das Bauverein-Team waren ein Ziel, die intensivere Nutzung des Grundstücks ein anderes.
Neue Kapitel sind auch mit der Änderung der Satzung, der Umbenennung in Wunstorfer Bauverein eG, dem Eintritt des aus Neustadt stammenden Architekten Jost Kemmerich in die Geschäftsleitung und dem Wechsel im Vorsitz des Aufsichtsrats von Frank Wiebking zu Thomas Schlichting eröffnet worden. Aktueller Schwerpunkt ist das Projekt Lange Straße.
Das alte Verwaltungsgebäude aus den 70er Jahren ist zum großen Teil entkernt worden. Aus Büroräumen werden Wohnungen – nach aktuellen Standards, aber bezahlbar. Auf etwa 1.000 Quadratmetern Fläche entstehen in fünf Etagen Ein-, Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen, die alle Anforderungen für energieorientierte Bauen erfüllen. Dazu gehören auch neue Fenster im gesamten Gebäude. Die Größe der Einheiten reicht von 30 Quadratmetern bis zu 90. An der Rückseite bieten Loggien Platz zum Verweilen an der frischen Luft. Ganz oben sollen Penthouse-ähnliche Räume geschaffen werden – zu den Mietkonditionen der übrigen Wohnungen.
Neue Raumnutzung bedeutet auch neue Wände und neue Leitungen. Jost Kemmerich zeigt beim Rundgang ein Beispiel dafür, „warum Bauen so teuer ist“: Auch in Klein-Wohnungen seien Unterverteilungen für die Stromversorgung vorgeschrieben, die der Laie eher in Kraftwerken vermuten würde. Trotz erhöhter Vorgaben und steigender Preise: Kemmerich betont, dass er mit seiner Kollegin Kathrin Tietz den Standort des Gebäudes in der Randzone der Innenstadt stets im Blick habe. Der Bauverein dürfe an dieser Stelle keinen „Leerstand produzieren“. Das werde auch nicht geschehen, denn wegen der Nähe zum Zentrum und der Ausstattungsqualität sei das Interesse an dem Objekt sehr groß.
Die Entscheidung für die Verlegung der Zentrale und den Umbau des Gebäudes an der Langen Straße, mit der es sich sein Vorgänger nicht leicht gemacht habe, sei richtig gewesen, sagt Kemmerich – auch wenn die Baukosten zwischen den Projekten Neustädter und Lange Straße um etwa 25 Prozent gestiegen seien. Die Finanzierung des Umbaus für voraussichtlich 3,5 Millionen Euro sei ein Kraftakt für die eingetragene Genossenschaft. Aber: Im Neubau seien die Wege kürzer, die Abläufe effektiver. Und 15 neue Wohnungen im Zentrum seien das richtige Signal. Kemmerich deutet an, dass er sich für Wunstorf mehr genossenschaftlichen Wohnbau wünscht.
Zum Energiekonzept für das Gebäude gehören nicht nur Photovoltaikanlagen auf dem Dach und Wärmepumpen, sondern auch einheitliche Balkonkraftwerke. Für etwa 1.000 Euro pro Stück werden sie fertig montiert und den Mietern zur Nutzung angeboten. Die Investitionskosten trägt der Bauverein. Auf die Miete habe das Angebot keine Auswirkung, verspricht der Geschäftsführer.
Mieterstrom aus Photovoltaikanlagen ist für den Bauverein ein wichtiger Teil dezentraler Stromerzeugung: Der Strom wird vor Ort erzeugt und verbraucht. Eine Pflicht, den Strom vom eigenen Dach abzunehmen, bestünde aber nicht, der Stromanbieter könnte weiterhin frei gewählt werden, beschreibt Kemmerich das Konzept.
Der Wunstorfer Bauverein ist 76 Jahre alt: Gegründet am 14. November 1947 in Zeiten der gravierenden Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg, zogen bereits knapp zwei Jahre später die ersten Familien in ein neuerrichtetes Mehrparteienwohnhaus im Ohlendorfweg ein - das Objekt existiert bis heute. Weitere vier Jahre später war bereits die 100. Wohnung gebaut. Seit dieser Zeit baut und verwaltet der Bauverein auch für Dritte. Heute ist die Genossenschaft mit 1.500 Wohnungen der größte Mietwohnungsanbieter in Wunstorf - rund 25 Prozent aller Mieter in Wunstorf wohnen beim Bauverein.
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