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Viongelände: Große Pläne und einige Herausforderungen für ein neues Wohnquartier

10.03.2022 • Achim Süß • Aufrufe: 2344

Die Industriebrache Vion-Gelände könnte bald ganz anders aussehen – und vielen Menschen neuen Wohnraum bieten. Einige Fragen sind zuvor jedoch noch zu klären, etwa beim Lärmschutzkonzept.

10.03.2022
Achim Süß
Aufrufe: 2344
Entwurf einer möglichen Umsetzung für das Viongelände | Bild: Stadt Wunstorf/Octagon Architekturkollektiv mit Station C23, Leipzig

Wunstorf (as). Erleichterung in Rat und Verwaltung: Für eine der größten Brachen der Stadt rückt eine Lösung näher – das frühere Firmengelände von Vion und Langnese-Iglo am Luther Weg hat erneut den Eigentümer gewechselt. Der neue Investor bereitet die ersehnte Umwandlung in ein Wohnquartier vor. Knackpunkt ist und bleibt der Lärmschutz für die Fläche direkt an der Bahnlinie. Der siegreiche Entwurf eines Wettbewerbs aus 2017 sieht eine 16 Meter hohe Lärmschutzanlage als Teil einer großen Grünfläche vor.

„Das ist der springende Punkt“, sagt Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD). Ohne massiven Schallschutz sei kein Wohnbau möglich. Darüber seien sich alle Parteien völlig einig. Auch der neue Investor kenne die Verhältnisse vor Ort ebenso genau wie die diversen Festlegungen der Stadt für die Nutzung. Bis Mitte Mai werde die Bauverwaltung mit den Experten des vor kurzem gegründeten Unternehmens Neue Mitte Wunstorf GmbH mit Sitz in Düsseldorf die Projektdetails erarbeiten. Ziel sei ein städtebaulicher Vertrag zwischen Stadt und Investor.

Die sechs Fußballfelder große Fläche zwischen Blumenauer Straße, Luther Weg und der Bahnstrecke nach Bremen gehört zu einem wesentlichen Teil der lokalen Industriegeschichte: Feinfrost, Iglo, Langnese, Ranchmaster und Vion stehen für eine mehr als 100-jährige Phase der Lebensmittelproduktion. Generationen von Wunstorfern haben dort gearbeitet oder gejobbt, die Produkte sind von dort ins Land geschickt worden, Zulieferer und Handwerker haben vom Standort profitiert. Nicht immer verlief die Produktion reibungslos. Anlieger beschwerten sich am Luther Weg über nächtlichen Lärm, und das Werk wurde hinter einer meterhohen Lärmschutzwand versteckt. Nicht allen reichte das: An der Hannoverschen Straße stellte auch schon mal gern ein aufgebrachter Nachbar seinen bayrischen SUV quer auf die Fahrbahn, um den nachtaktiven Kühltransportern den Weg zu versperren.

Die Stadt hat sich das Vorkaufsrecht für das Gelände gesichert. Sollten die inzwischen begonnenen Gespräche mit dem neuen Erwerber nicht mit dem Entwicklungsziel der Stadt in Einklang zu bringen sein, könnte diese Option Wirklichkeit werden. Zur Zeit herrscht Zuversicht im Rathaus, dass das Projekt gelingt und die Industriebrache endlich beseitigt wird. Der Bürgermeister hebt im Gespräch mit der Auepost hervor, an den aktuellen Planungen seien auch ein Lärmschutzgutachter und das Leipziger Architektenteam Octagon beteiligt, das den städtebaulichen Wettbewerb zur Gestaltung des Geländes 2017 gewonnen hat.

Guter Eindruck

Piellusch berichtet, Björn-Michael Hiss, Gründer und Geschäftsführer von Neue Mitte Wunstorf, habe im Rathaus und im Verwaltungsausschuss am Montag einen „guten Eindruck hinterlassen“, allerdings beim Thema Schallschutz abweichende Vorstellungen geäußert. „Art und Höhe“ des geforderten Walls und der Mauer stehen zur Diskussion, und Piellusch sieht „Modifikationspotenzial“: Es sei denkbar, dass ein niedrigeres Bauwerk mit abweichender Gestaltung den gleichen Schutz biete wie das geforderte, oder sogar besseren. In jedem Fall sei dieser Teil des Vorhabens essenziell: „Ohne Lärmschutz keine Wohnhäuser.“

Vion ist ein internationaler Hersteller von Nahrungsmitteln mit Produktionsstandorten in Deutschland und den Niederlanden. Insgesamt ist Vion in 16 Ländern weltweit vertreten. Vion produziert frisches Schweine- und Rinderfleisch sowie damit zusammenhängende Produkte. In Wunstorf geht 2014 die Geschichte der Herstellung von Tiefkühlkost am Luther Weg mit der Schließung des Vion-Werks zu Ende. Der Konzern verkauft Gelände und Werk mit Inventar an die Firma Progressu aus Emsbüren. Die gehört zur niederländischen Unternehmerfamilie van Zutphen und ist darauf spezialisiert, „Lebensmittelmaschinen ein zweites Leben“ zu geben. Auf seiner Internetseite erklärt Progressu, innerhalb von sechs Monaten seien Maschinen und Inventar komplett weltweit weiterverkauft worden. Eine „wahre Meisterleistung“, so ist zu lesen, sei der Wiederaufbau des Kühlhauses samt Technik auf den Philippinen. Progressu nimmt auch für sich in Anspruch, den städtebaulichen Wettbewerb für das Gelände auf den Weg gebracht zu haben.

Lärmschutz ist buchstäblich eine hohe Hürde

„Die Aufgabe des Standortes war ein herber Schlag für Wunstorf“, schreibt Pielluschs Vorgänger Rolf-Axel Eberhardt im Vorwort einer Dokumentation zum städtebaulichen Wettbewerb 2017. Das Areal stelle einen „bedeutenden Baustein der Wunstorfer Stadtentwicklung dar“ und könne einen „wichtigen Beitrag zur Innenentwicklung leisten“.

Derzeit noch eine Industrieruine: Die Hochstraße führt direkt am Gelände vorbei | Foto: Daniel Schneider

Das Gelände mag ein Filetstück sein, vorerst bedeuten die Immissionen jedoch eine hohe Hürde. Schienen und Straßen erzeugen so viel Lärm, dass ein massives Bauwerk erforderlich sein wird, um nachts einen Geräuschpegel von weniger als 60 dB(A) zu gewährleisten. So schlagen die siegreichen Leipziger Entwurfsverfasser aus dem Wettbewerb ein „16 Meter hohes Lärmhindernis“ vor.

„Ohne Lärmschutz keine Wohnhäuser“

Bürgermeister Carsten Piellusch

Die Stadt wünscht sich ein Wohnquartier hoher städtebaulicher Qualität. Unterschiedliche Wohnformen für Familien, Singles und Senioren sollen ein generationsübergreifendes, lebendiges Wohnquartier schaffen – mit mindestens 200 Wohneinheiten: Reihen-, Ketten- und Doppelhäuser sowie Geschosswohnungsbau im südlichen Teil. Auch Sozialwohnungen sollen entstehen. Das sogenannte Freiraumkonzept soll „robust“ sein und „zur Identitätsbildung des neuen Quartiers“ beitragen.

Idee: Öffentlicher Park als Herzstück

Für die Wettbewerbssieger vom Büro Octagon ist ein öffentlicher Park im Süden des Areals „das Herzstück des neuen Wohnquartiers“. Ihre Idee: Der Park erstreckt sich zwischen Bahntrasse und Geschosswohnungsbauten, modelliert das Gelände und integriert mit seinem Höhenverlauf den Lärmschutz. Die Leipziger und ihre Partner bringen keinen simplen Wall mit Lärmschutzwand darauf ins Gespräch. Ihr Entwurf sieht auf der Südseite zu Bahnlinie und Bundesstraße quasi ein Bollwerk gegen den Lärm vor: einen 12 Meter hohen Wall, der sich zu den Häusern sanft abflacht und in einer parkähnlichen Anlage ausläuft. Auf der Deichkrone ist eine vier Meter hohe Wand geplant, so dass die Geräusche von Zügen und Autos von einem 16 Meter hohen Konstrukt abgehalten würden. Viel Grün von Bäumen, Büschen und Bepflanzung soll einen anderen Eindruck bewirken als an anderen derartigen Gebilden. Ein Teil der Anlage könnte, so die Planer, an der Innenseite als Kletterwand gestaltet werden.

16-Meter-Bollwerk (links) gegen den Lärm: So soll die „neue Mitte“ von Wunstorf vor den Emissionen von Bahn und Autos geschützt werden | Bildquelle: Octagon Architekturkollektiv mit Station C23, Leipzig

Diese attraktiven Ideen waren unter anderen ausschlaggebend für den Sieg des Entwurfs. Was davon den Weg in die Wirklichkeit findet, bleibt abzuwarten. Politik und Verwaltung wollen am Konzept aus Leipzig festhalten, aber Ideen und Entwurf stammen aus einer Zeit, als die Baupreise noch nicht explodierten. Die Stadt hat ihre Erfahrungen mit der Lücke, die zwischen attraktiven Plänen und späterer Umsetzung klaffen kann. Ein Beispiel: der Komplex an der sogenannten Sölter-Kreuzung mitten in Wunstorf.

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Kommentare


  • Bernd-Michael Rosenbusch sagt:

    Alles gut und schön, dass endlich der Schandfleck mit den vermülltem Gelände verschwindet. aber was wir in Wunstorf wirklich brauchen, sind bezahlbare wohnungen für jeden und keine Luxusimoibilien mit abenteuerlichen Mieten.

  • Gilbert sagt:

    Da muß ich B-M R. ausnahmsweise zustimmen. Und: 16 Meter !!! Das ist wie aus einem SiFi-Film …

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