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Einheizen für die Feuerwehr: in 15 Minuten bei Dunkelheit durchs Feuer

06.02.2022 • Daniel Schneider • Aufrufe: 1332

„Brennender LKW auf dem Schulhof“: Was wie eine Schlagzeile aus der Sensationspresse klingt, fand zum Ende der Woche in Wunstorf als Fortbildung für die Feuerwehr statt. Doch es wurde nicht die Bekämpfung eines Fahrzeugbrandes geübt. Der LKW selbst enthielt eine komplette Gebäudebrandsimulation für Atemschutzgeräteträger.

06.02.2022
Daniel Schneider
Aufrufe: 1332
Wärmegewöhnung
„Brennender“ LKW auf dem Schulhof | Foto: Daniel Schneider

Wunstorf (ds). Die Leitstelle in Hannover war informiert, dass es im Wunstorfer Barne-Schulzentrum zu „Rauchentwicklung“ kommen würde. Auch für den Fall, dass Anwohner Gasgeruch wahrgenommen und den Notruf gewählt hätten. Denn was wie ein Katastrophenszenario klingt, war auch eines, allerdings ein simuliertes: Das Gas, mit dem die Flammen erzeugt wurden, kam aus großen Gasflaschen und entfachte ein kontrolliertes Feuer innerhalb eines Spezial-LKW-Anhängers.

Die Wunstorfer Stadtfeuerwehr trainierte am Freitagabend und Samstag auf dem Schulhof zwischen Albert-Schweitzer- und Otto-Hahn-Schule in Form einer sogenannten Wärmegewöhnung: Dazu durchliefen ausgebildete Atemschutzgeräteträger einen Korridor samt nachgebildetem Treppenhaus, der den Aufenthalt in einem brennenden Gebäude mit starker Rauchentwicklung simulierte – samt Gefahr der explosionsartigen Durchzündung von Rauchgasen, einem sogenannten Flashover, bei der infolge zunehmender Hitze eine Feuerwalze in diesem Fall schlagartig an der „Zimmerdecke“ entlangschießt.

Wärmegewöhnung
Flammen schießen über die Köpfe der Teilnehmer hinweg | Foto: Daniel Schneider

Das A und O ist in solchen Fällen nicht das Löschen von Flammen, sondern zunächst das Herabkühlen des Rauchs – entsprechend gingen die Teilnehmer mit einem Hohlstrahlrohr zum Löschangriff vor, mit dem ein breiter Wassernebel erzeugt werden kann. Der Begriff „Wärmegewöhnung“ wirkt dabei eher verharmlosend: Zwischen 300 und 400 Grad heiß sind die Flammen im Inneren.

Mobile Übungsanlage

Solche Übungsumgebungen gibt es stationär in großen Feuerwehrzentren – aber auch in Form dieser mobilen Anlage, so dass die Feuerwehrleute vor Ort den Umgang mit Feuer in Räumen lebensnah üben können. Die Absolvierung der Übung gilt auch als Leistungsnachweis, der regelmäßig erbracht werden muss.

Wärmegewöhnung
Auf dem Weg zum Einstieg | Foto: Daniel Schneider

Je zwei Feuerwehrleute gehen gemeinsam mit einem Ausbilder „ins Feuer“, während der Bediener im Leitstand des Aufliegers verschiedene Szenarien und die Flammen an verschiedenen Stellen im Truck „ausbrechen“ lassen kann. Neben der Konfrontation mit der Hitze von echten Flammen in einer engen Umgebung kommt es bei der Wärmegewöhnung ebenso auf die Orientierung an: Hindernisse versperren den Weg, Wände verdecken potentielle Gefahren – und wer den Kontakt zu seinem Kameraden verliert, verliert auch schnell die Orientierung. Teamarbeit ist beim Löschangriff selbstverständlich, wie überall sonst auch in der Feuerwehr.

Rund 45 aktive Atemschutzgeräteträger gibt es allein in der Kernstadt, 200 in der gesamten Stadtfeuerwehr. Atemschutzgeräteträger haben innerhalb der Feuerwehrausbildung einen Zusatzlehrgang absolviert und müssen ihre Fähigkeiten und Kenntnisse regelmäßig auffrischen.

Über die Luke auf dem Dach des LKW-Anhängers erfolgt der Einstieg samt mitgeführtem Wasserschlauch, dann geht es eine Treppe hinab, an deren Ende bereits die ersten Flammen emporschlagen können. Danach haben sich die Feuerwehrleute durch einen Parcours zu orientieren, der verschiedene Räume simuliert. Die Ausbilder, ebenfalls Angehörige der Wunstorfer Feuerwehr, tragen auch Atemschutz und gehen mit in den LKW. Zusätzlich haben sie eine hitzeabweisende Haube angelegt, da sie mehrmals nacheinander die Kameraden begleiten und die Wärmebelastung andernfalls zu groß würde. Die Feuerwehrleute werden somit während der gesamten Übung im Blick behalten und können mit den Beobachtungen der Ausbilder ihr Vorgehen im Anschluss besser analysieren.

Im Akkord durchs Feuer

Bei realen Bränden entstehen noch viel höhere Temperaturen und es verbrennt meist auch viel Kunststoff, so dass dichter, schwarzer Rauch entsteht, erklärt Marvin Nowak von der Wunstorfer Feuerwehr. Diese Einsatzsituation wird durch die Dunkelheit im Anhänger simuliert. Der Qualm bei den Übungen bleibt hingegen weiß – es ist letztlich nur der Wasserdampf, der beim Löschen der Gasflammen entsteht. Auch wenn die Bedingungen nicht völlig einem echten Einsatz entsprechen, ist die körperliche Belastung nicht weniger anstregend. Ein Feuerwehrmann, der nach 15 Minuten gerade den engen LKW-Anhänger verlässt, hält inne, stützt sich auf den Knien ab und versucht erst einmal wieder zu Atem zu kommen. Denn auch die Einsatzzeit entspricht realen Bedingungen: Nach der Absolvierung der Übung sind rund drei Viertel der mitgeführten Atemluft verbraucht – ein Wechsel stünde bevor. Je anstrengender die Arbeit am Feuer, desto mehr Luft wird auch verbraucht. Währenddessen zieht der Qualm aus dem Anhänger ab, und das verbrauchte Löschwasser strömt weiter auf den Boden. Im Hintergrund wartet schon das nächste Zweierteam darauf, in den LKW einzusteigen.

Wärmegewöhnung
Bereit für den Einsatz | Foto: Daniel Schneider
Wärmegewöhnung
Qualm dringt während einer Absolvierung aus dem geschlossenen Anhänger | Foto: Daniel Schneider
Wärmegewöhnung
Leitersteigen ist Teil der Aufgabe | Foto: Daniel Schneider

Der Werkraum der Haupt- und Realschule wurde kurzerhand zum Materiallager der Feuerwehr zweckentfremdet: Ausrüstung und Pressluftflaschen warten auf ihren Einsatz. An Tischen im Schulkorridor finden die Nachbesprechungen statt.

Angst herrscht normalerweise keine – die Feuerwehrleute wissen, dass es eine kontrollierte, überwachte Umgebung ist, die mit einem echten Brandherd nicht vergleichbar ist. Die Sicherheit ist auch der Grund, weshalb nicht einfach bei normalen Übungen einmal ein reales Feuer z. B. in Abrissgebäuden, die bisweilen als Übungsobjekt dienen, entzündet wird: Dort wäre die Ausbreitung der Flammen und das Verhalten der Materialien nicht auf dieselbe Weise beherrschbar wie in der Übungsumgebung. Und die sicheren Fluchtwege würden fehlen: Denn trotz aller Vorbereitung und Ausbildung kann es einmal zu einer Paniksituation kommen. „Panikreaktionen sind das Schlimmste, was passieren kann“, sagt Jens Adamskie, Leiter der Atemschutzarbeitsgruppe bei der Wunstorfer Feuerwehr. Auch damit solche Reaktionen nicht im echten Einsatz geschehen, wird vorher unter kontrollierten Bedingungen wie diesen geübt. Für den Fall, dass Feuerwehrleute während der Übung an Grenzen stoßen sollten, gibt es Notausgänge an den Seiten des Lastwagens.

Wärmegewöhnung
Der Schulhof wird zum Übungsgelände | Foto: Daniel Schneider

Am Ende der beiden Tage haben 60 Teilnehmer von 9 Wunstorfer Feuerwehren den Flammenparcours durchlaufen. Für die Wunstorfer Wehren war es eine Premiere – ein solcher Truck stand zum ersten Mal in Wunstorf. In Zukunft sei eine Wiederholung denkbar, sagte Nowak, die Feuerwehr würde es sich wünschen. Bis dahin muss wieder herkömmlich geübt werden – bisweilen mit Kunstnebel in alten, leerstehenden Gebäuden, aber ohne die Konfrontation mit den Sinneseindrücken durch echte Flammen.

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Kommentare


  • Grit D. sagt:

    Zum Einen meinen höchsten Respekt den Feuerwehrfrauen und -männern, die sich diesen herauafordernden Aufgaben immer wieder aufs Neue stellen.

    Zum Anderen meinen Dank für diesen Artikel:
    für mich als diesem Bereich gänzlich „Frau von und zu Ahnungslos“ ausgesprochen informativ.

    Sämtliche Einzelheiten des Berichts werde ich mir- so lehren mich meine Vorerfahrungen- leider nicht merken können-
    gelobt sei einmal mehr die Möglichkeit des Speicherns…
    *grins verschmitzt*

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