Steinhude/Luthe (red). Angelvereine setzen sich aktiv für den Aalschutz ein. In Niedersachsen ist das Engagement nun auf einem Rekordniveau angekommen: Rund 4 Millionen Aale werden bis Juni durch Anglerinnen und Angler niedersachsenweit in rund 250 Flüsse und Bäche gebracht.
Am gestrigen Mittwoch startete die diesjährige Besatzkampagne mit dem Besatz von 2,5 Millionen Mini-Aalen, den sogenannten Glasaalen. Das Ziel des Programms, welches vom Anglerverband Niedersachsen (AVN) koordiniert wird: Der seit vielen Jahren festzustellende Rückgang der Aalpopulation in Niedersachsen soll gestoppt und umgekehrt werden.
Auch im Steinhuder Meer und der Leine wurden die bedrohten Fische durch den Fischereiverein Steinhude und örtliche Angelvereine wie den ASV Steinhude, ASV Luthe, ASV Neustadt am Rübenberge und ASV Luttmersen ausgebracht. Eine Vielzahl von Faktoren wie Stauwehre, Gewässerausbau oder illegaler Aalschmuggel nach Asien haben den schlangenförmigen Wanderfisch auf die Rote Liste gefährdeter Arten gebracht. Auch deshalb wurde der Aal zum Fisch des Jahres 2025 gekürt.
Um dafür zu sorgen, dass in Norddeutschlands Gewässern trotzdem noch Aale vorkommen, koordiniert der Anglerverband Niedersachsen ein besonderes Programm: Glasaale werden in Frankreich von zertifizierten Fischereibetrieben mit streng regulierten Quoten gefangen und dann per Lastwagen an allen Hindernissen vorbei bis nach Niedersachsen gefahren.
Dort werden sie von Angelvereinen wieder in die Freiheit entlassen. Die Kosten übernehmen zu 60 % die EU und das Land Niedersachsen. Den Rest stemmen die Anglerinnen und Angler aus ihren Vereinskassen. Die gesamte Aktion läuft im Rahmen des niedersächsischen Aalförderungsprogramms seit fast 15 Jahren. In diesem Jahr kommt noch eine großzügige Spende des Vereins Aalinitiative e. V. dazu.
AVN-Biologe Ralf Gerken sagt dazu: „Im Jahr 2025 haben wir ein Rekordhoch an Aalbestellungen unserer Angelvereine für den Arterhalt. Angler sind somit wichtige Stützen für den bedrohten Fisch und bringen weit mehr Tiere aus, als sie für den Eigenbedarf entnehmen.“ Diese Aussage wird auch durch den aktuellen Umsetzungsbericht zum nationalen Aalbewirtschaftungsplan unterstützt: Dieser scheint – auch dank der Besatzmaßnahmen der Angelvereine – nun ein Ende des Abwärtstrends vom Aalbestand festzustellen. Trotzdem sei die Maßnahme nur eine Krücke und der Aalbestand alles andere als rosig: „Dauerhaft müssten Gewässer wieder durchgängig werden und illegaler Aalschmuggel unterbunden werden“, so Gerken.
Glasaale wandern Flüsse und Bäche herauf, wo sie zu stattlichen Gelbaalen heranwachsen. Auf ihrer langen Reise nutzen die Tiere erstaunliche Fähigkeiten: Aale können so gut riechen, dass sie einen Tropfen Parfüm in der dreifachen Menge Wasser des Bodensees ausfindig machen könnten. Und wenn sich ihnen ein Hindernis in den Weg stellt, können sie kleine Strecken sogar schlängelnd über Land zurücklegen und dabei Luftsauerstoff über ihre Haut atmen. Doch seit einiger Zeit nimmt die Reise der Glasaale an Europas Küsten ein jähes Ende.
Von den vor 40 Jahren in vielen Flüssen zu beobachtenden riesigen Schwärmen von Abermillionen Glasaalen ist heute fast nichts mehr geblieben. Seit den 1980er Jahren ist das Glasaal-Aufkommen an den europäischen Küsten um mehr als 95 % zurückgegangen. Wasserkraftwerke und Wehre versperren wandernden Aalen ihren Weg flussaufwärts.
Auch Blankaale, die den Rückweg antreten wollen, werden davon nicht verschont. Einmal in eine Turbine geraten, helfen den Tieren auch ihre bereits beschriebenen Fähigkeiten nicht weiter. Quetschungen, Stauchungen, Wirbelbrüche, Verstümmelungen und Tod sind die Folgen. Aktuell werden in deutschen Flüssen nach moderaten Schätzungen jährlich rund 270 Tonnen abwandernde Blankaale durch Wasserkraftanlagen und Kühlwasserentnahmen getötet. Das entspricht einer Zahl von rund einer halben Million getöteter Tiere. Fischtreppen und andere Wanderhilfen erfüllen häufig nicht ihren Zweck, weil sie von den Tieren beispielsweise nicht gefunden werden. Glasaale werden auch für den illegalen Export nach Asien gefangen. Dort gelten die Tiere als Delikatesse. Das Geschäft ist lukrativ, die Strukturen mafiös: Der Schwarzmarktpreis für ein Kilogramm Aale liegt teils über dem von Elfenbein oder Kokain.
Hoffentlich haben die kleinen Tiere ein friedvolles gutes Leben mit ausreichend Sauerstoff, ohne Fangnetze und die traurige Aussicht, auf einem Brötchen zu enden.