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Kirche im Wandel: Corvinus feilt weiter an neuen Konzepten

21.02.2025 • Achim Süß • 5 Min.Kommentare: 0

Kirchengemeinden allüberall gehen neue Wege. Weil sich Vorgaben ändern und Bedingungen. Vor allem auch, weil die Zahl der aktiven Gläubigen sinkt. Corvinus, die evangelische Gemeinde in der Oststadt, verzichtet nun auf klassische Gottesdienste zu festen Zeiten. Kirchenvorstand und Pastorin setzen damit konsequent ihre Reformbemühungen fort.

21.02.2025
Achim Süß
5 Min.
Die Corvinus-Kirche in der Wunstorfer Oststadt (Archiv)

Wunstorf (as). Kirche verändert sich. Kenner sagen: ständig. Hier und jetzt in Wunstorf ist „Kirche” stark in Bewegung: Gemeinden und Kooperationen stehen zur Debatte, ebenso Gebäude – selbst über der Stadtkirche schweben Fragezeichen: Bleibt das 800 Jahre alte Gotteshaus eine Kirche mit Kulturprogramm, wird es umgewidmet und der Diakonie überlassen? Auch von einer Nutzung als Hotel ist die Rede.

Mittendrin in Diskussionen und Veränderungen ist – wie eh und je – die Corvinus-Gemeinde. Pastorin Franziska Oberheide, innovativ und stets um Leben in der Gemeinde bemüht, und der kreative Kirchenvorstand gehe neue Wege: „Nachdem wir im vergangenen Jahr viele gute Erfahrungen damit gemacht haben, Veranstaltungen unter bestimmte Titel zu stellen, hat der Kirchenvorstand beschlossen, dieses Konzept noch weiter auszufeilen”, berichtet Oberheide. Ab März stehe die Gemeindearbeit unter dem Obertitel „Gemeinsam Sein“. Alle Veranstaltungen ordnen sich dann einer von vier Kategorien zu:

Musik genießen

„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder”: Hinter dieser Kategorie verbergen sich einerseits Konzerte, aber andererseits auch ein neues Format: ‚Musik und Segen’. Einmal monatlich feiert die Gemeinde gemeinsam Musik und Segen: freitags oder sonnabends von 18 Uhr an laden eine Gruppe oder ein Musiker ein, gemeinsam zu singen oder Musik zu hören.

Kleine Text-Impulse orientieren sich an den Liedern, und das Ganze endet mit einem Segen. Die erste Veranstaltung dieser Art ist für Freitag, den 28. Februar, 18 Uhr geplant. Mit dabei ist der Chor Auftakt Luthe. Der Chor hat Lieder ausgesucht, die sich um das Thema ‚Bilder von Gott‘ drehen. Oberheide: „Wir gehen der Frage nach, wie das zusammen passt: Dass in der Bibel davon gesprochen wird, dass wir uns kein Bild machen sollen – und gleichzeitig alles Reden von Gott doch in Bildern passiert.”

Auf neuen Wegen: Corvinus-Pastorin Franziska Oberheide | Foto: Malte Süß

Gemeinschaft feiern

„Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“: Hinter dieser Kategorie stecken Veranstaltungen und Gottesdienste, in denen die Gemeinde Abendmahl feiert und Feste im Kirchenjahr erlebt. Am Sonntag, den 9. März, ab 10 Uhr wird gefeiert und gleichzeitig eine ehrenamtliche Mitarbeiterin aus ihrer Tätigkeit im Besuchsdienst verabschiedet.

Kirche erleben

„Ich, der Herr, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst!”: Kinder-, Jugend- und Familiengottesdienste würden im besonderen Maße dazu einladen, den Glauben gemeinsam zu erfahren und Gottes Geist spürbar werden zu lassen, sagt die Pastorin: „Das tun wir in Veranstaltungen, die sich hinter dieser Kategorie befinden.” Am Sonntag, den 16. März, um 11 Uhr heißt es „Kirche Kunterbunt – mit Basteln, thematischen Impulsen und einem gemeinsamen Mittagessen.”

Zeit teilen

„Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet”: Gemeinsam mit anderen Menschen zu teilen, was uns und andere bewegt. Das sei christlicher Auftrag, erinnert Oberheide: „Das tun wir bei unseren Kneipenkirchenabenden, aber auch in unserem Format ‚Auf einen Kaffee‘, etwa einmal monatlich sonntags um 10 Uhr.” Dann sei Zeit, um zusammen zu singen, zu klönen und sich über einen Bibeltext auszutauschen. Dazu gibt es Kaffee, Tee und auch etwas zu knabbern. Die nächste Gelegenheit gibt es am Sonntag, den 23. März, ab 10 Uhr.

Was sich wie ein Veranstaltungsprogramm liest, ist der gezielte Versuch der Corvinus-Verantwortlichen, die Seelsorgerin davor zu bewahren, ihre Predigt vor einem Dutzend Gläubigen im Kirchenraum zu halten. Das ist vorgekommen und hat nun Konsequenzen: Mit den positiven Erfahrungen der „Kneipenkirche” vom vergangenen Jahr im Rücken, geht die Gemeinde nun ein paar Schritte weiter.

Zu neuen Ufern

Der Kirchenraum ist längst umgestaltet – nach den Erfahrungen aus 2024. Die traditionellen Bänke sind auf den linken Bereich des Kirchenschiffs konzentriert. Der Bereich rechts wird bestimmt von Trennwänden, kleinen Tischen – und einem Tresen mit der dazu gehörigen Ausstattung. Diese Möblierung gab es für die Kneipen-Termine schon, für die Übertragungen von Fußballspielen, für Konzerte. Kritik ist nicht ausgeblieben, und manche Frage hatten die Initiatoren zu beantworten.

Das Kirchenschiff als Erlebnisraum: 2024 gibt es eine Kneipenkirche mit Fußballübertragung | Foto: Achim Süß

Aus ihrer Sicht spricht das Ergebnis für sich: 100 Menschen und mehr sind 2024 zu jeder der neuen „Veranstaltungen” gekommen – es war Leben im Kirchenraum. Auch wenn der Ausschank von Alkohol Raunen und Murren ausgelöst hat, scheint die Resonanz dem Kirchenvorstand Recht zu geben, dass Veränderungen nötig sind, wenn die Kirche im Dorf bleiben soll.

Wer den regelmäßigen Gottesdienst am Sonntagmorgen vermisst, sollte sich auf den Weg zu den Kirchen in Luthe oder in der Kernstadt machen. So lautet die Antwort von Oberheide und ihren Mitstreitern im Vorstand von Corvinus. Der Hinweis zeigt: Corvinus feilt an neuen Konzepten und macht sich auf zu neuen Ufern.

Die Corvinus-Gemeinde trägt den Namen des lutherischen Theologen Antonius Corvinus (1501 bis 1553), eines Reformators, der als Landessuperintendent im Fürstentum Calenberg-Göttingen und als Pastor in der hannoverschen Aegidienkirche wirkte. Corvinus war von Beginn an in Wunstorf die etwas andere Gemeinde: Gegründet ohne Kirche und in den ersten Jahrzehnten geführt von einem unkonventionellen Pastor. Dieser erste Seelsorger ist Albrecht Walsemann, der 1961 in Schulräumen in der Oststadt mit der Gemeindearbeit beginnt. Walsemann bleibt fast 34 Jahre in der Gemeinde. Er hat sie geprägt wie kein anderer. Walsemann ist ein kritischer Geist, ein streitbarer Kirchenmann. 1927 in Wietze geboren, schließt er seine Schulausbildung nicht ab, sondern wird Soldat. Nach der Kriegsgefangenschaft macht er in einem Sonderlehrgang sein Abitur und studiert Theologie. Kaum Pastor in Corvinus, wird er Vorsitzender des Kirchenvorstands der Stifts-Gemeinde, zu der Corvinus damals gehört. Sofort beginnt er mit der Umstrukturierung und fängt an, ein Gemeindezentrum zu planen. Dabei beweist er Weitsicht und großes Durchsetzungsvermögen. Und: Er scheut sich nicht, seine Meinung laut und unmissverständlich zu sagen. Dass er damit mehr als einmal aneckt, stört ihn nicht. Er streitet sich mit Bürgern, Politikern und Vorgesetzten, selbst mit dem Landesbischof. Schon 1963 wird Corvinus selbstständige Gemeinde. Die Gottesdienste werden in der nahen Berufsschule ausgerichtet: 80 bis 100 Gläubige kommen regelmäßig in die „Puddingschule”, wie die Wunstorfer das Gebäude an der Marienburger Straße nennen. 1963 ist auch das Jahr des ersten Eklats: Walsemann weigert sich, Soldaten in Uniform zu trauen. Der ehemalige Frontsoldat nennt die Uniform ein „Kleid des Todes”. Er bringt die Soldaten des Fliegerhorstes gegen sich auf und viele andere in der Stadt ebenso. Konsequent bleibt er bei seiner Einstellung, trotz Kritik, Ablehnung und Widerstand. Konsequent oder stur? Walsemann setzt seine Bemühungen um eine Kirche mit Pfarrhaus und Turm fort. Ein Jahr später wird seinem Wunsch entsprochen und das Projekt beschlossen. Eklat Nummer zwei folgt 1966: Walsemann lehnt es ab, einen Soldaten mit militärischen Ehren beisetzen zu lassen. „Bild” berichtet, und es ist von Uniformkrieg die Rede. Er übersteht auch diesmal die Empörung und geht 1985 in den Ruhestand. Walsemann sei seiner Zeit weit voraus gewesen und habe tiefe Spuren hinterlassen, sagt Heiner Wittrock. Der Kolenfelder ist mit etlichen Veröffentlichungen zur Stadtgeschichte hervorgetreten und hat den Seelsorger in einem Vortrag zum 50-jährigen Bestehen der Gemeinde ausführlich gewürdigt.
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