Einen Wunstorfer Stadtwald? Gibt es so etwas? Wenn man sich diese Frage stellt, kämen mehrere Waldstücke als Antwort in Betracht. Das Hohe Holz bei Alten’s Ruh, der Anfang des Haster Walds, vielleicht sogar das Barnewäldchen. Ganz frisch wächst auch der neue Schulwald von IGS und Otto-Hahn-Schule neben dem Hallenbad. Doch wenn ein Waldstück diese Bezeichnung am ehesten verdient hätte, dann eine Ansammlung von Bäumen mitten im Zentrum – und zwar im westlichen Teil des Bürgerparks.
Dass ein Stück des Parks eigentlich ein Wald ist, am Auedamm mittlerweile ein waschechtes Biotop entstanden ist, wusste bis vor kurzem nicht einmal die Stadtverwaltung. Es fiel erst auf, als im Rahmen des Bebauungsplans für das Projekt Mühlenaue die zuständige Waldbehörde gemeinsam mit Sachverständigen des Forstamtes den westlichen Park genauer unter die Lupe nahm – und ihn als Wald nach dem niedersächsischen Waldgesetz einstufte. Denn ob etwas nur Park, bloße Baumansammlung oder eben schon ein Wald ist, ist im Gesetz genau geregelt. Es gilt die folgende rechtliche Definition, erklärt Stadtsprecher Alexander Stockum:
Wald ist jede mit Waldbäumen bestockte Grundfläche, die aufgrund ihrer Größe und Baumdichte einen Naturhaushalt mit eigenem Binnenklima aufweist.
§ 2 Abs. 3 S. 1 NWaldLG
In der Tat ist die hintere Ecke des Bürgerparks vor der Mühlenaue derart „bewaldet“, dass sich hier ein zusammenhängender neuer Bereich, ein kleines Ökosystem, entwickelt hat. Innerhalb des Bürgerparks ist somit nun auch ein Wald enthalten.
Dass ein Teil des Bürgerparks nun amtlich ein Wald ist, beziehungsweise sich im Bürgerpark auch ein Waldstück befindet, führt nebenbei zu kuriosen Situationen. Denn alles, was sich hinter dem Weg an der Naturbühne befindet, ist Wald – inklusive der Naturbühne. Wer auf der Naturbühne steht, steht im Wald, wer sich davor auf dem Weg befindet, „nur“ im Park. In Waldgebieten gelten aber viel strengere Vorschriften als auf einem reinen Parkgelände. In einem Teil des Bürgerparks bleibt offenes Feuer daher erlaubt, im anderen Teil darf zwischen dem 1. März und dem 31. Oktober nun nicht einmal mehr eine Zigarette angesteckt werden. Ein auf der Naturbühne rauchender Interpret ist ab sofort ein Fall fürs Ordnungsamt. Das Publikum am Fuße der Bühne darf weiterrauchen.
Ohnehin rückte der Bürgerpark durch das Bauprojekt Mühlenaue wieder stärker in den Fokus. „Mein Freund der Baum ist tot, er fiel im frühen Morgenrot“, besang „Alexandra“ das Baumsterben zugunsten seelenloser Betonbauten in einem Chanson von 1968. Seelenlosigkeit kann man der Mühlenaue nun nicht gerade vorwerfen, das Projekt entstand überhaupt erst wegen des Charakters des alten Mühlengebäudes, doch als vor Baubeginn des Mühlenanbaus 20 hohe Bäume gefällt wurden, darunter drei mächtige 100-jährige Buchen, war für viele klar, dass sich große Bauprojekte wieder einmal alles erlauben können. Das Klischee vom rücksichtslosen Investor, der für seine Ziele die Natur abholzt, machte die Runde. Es entstand dadurch sogar der Eindruck, als wäre ein Teil des Bürgerparks dauerhaft zerstört worden.
Dabei ist eigentlich das Gegenteil der Fall. Denn sobald ein Wald erst einmal vorhanden ist, ist er besonders schützens- und erhaltenswert. Das stellte die Entwicklung des Grundstückes für das Bauprojekt vor ganz neue Herausforderungen: Denn statt nur die Verkehrssicherungspflichten bezüglich der Parkbäume beachten zu müssen, war nun Waldrecht anzuwenden – mit entsprechend aufwändigeren Planungen.
Insbesondere zu einem Waldstück müssen Gebäude einen bestimmten Abstand einhalten, im Idealfall sogar mindestens 100 Meter. Damit soll der Wald geschützt werden, etwa vor Feuer, aber auch die Bebauung, wenn z. B. bei Sturm Äste abbrechen oder Bäume entwurzelt werden. Dies ist allerdings eine sogenannte Soll-Bestimmung, was bedeutet, dass der Abstand anzustreben ist, er aber auch unterschritten werden darf. Dies ist nun auch bei der „Mühlenaue“ geschehen: Um nicht unmittelbar an den Wald heranbauen zu müssen, wurde ein 15 Meter breiter Streifen als Waldsaum ausgewiesen. Da zur Gefahrenabwehr aber mindestens 30 Meter Abstand zur Bebauung eingehalten werden sollten, wurde zusätzlich eine Höhenstaffelung am Waldrand umgesetzt.
Zum Erreichen dieser Abstände wurden daher Bäume im Bürgerpark gefällt: Die großen Bäume wurden entfernt, anschließend wurden – außerhalb des 15-Meter-Saumes – neue Hölzer gepflanzt, die weniger hochwachsend sind. Auf diese Weise soll ein Stufeneffekt bei den Baumhöhen erreicht werden, so dass von den Bäumen keine größere Gefahr für die Bewohner in der Mühlenaue ausgeht. Damit hat man einen Kompromiss gefunden, mit dem die Ausdehnung des Waldes innerhalb des Bürgerparks größtenteils erhalten bleiben konnte.
Gefällte Bäume werden also durch neue, kleinere ersetzt. Die Setzlinge kamen im vergangenen Jahr in den Boden, aber es gab noch weitere Ausgleichsmaßnahmen. Da man einigen sehr hoch brütenden Vogelarten nun quasi den Platz für ihre Nester genommen hat, wurden alternativ Nistkästen an den übrigen hohen Bäumen im Waldbereich angebracht.
Außerdem pflanzte der Investor zusätzlich neue Bäume in einer Ausdehnung von etwa 1.200 Quadratmetern. Allerdings nicht im Bürgerpark, und noch nicht einmal in Wunstorf. Stattdessen wurde eine Fläche in Brelingen aufgeforstet, in der Wedemark, wo der Stammsitz des Mühlenaue-Projektentwicklers liegt. Unüblich ist das nicht, Ausgleichsmaßnahmen werden oft landkreisweit durchgeführt, nicht unbedingt an Ort und Stelle in der Gemeinde, in der zuvor tatsächlich Bäume weggefallen sind. Meist halten große Unternehmen zu diesem Zweck erworbene zusammenhängende Flächen bereits vor. Auch der Mühlenaue-Projektherr verfügt im Norden der Region zu diesem Zweck über Flächen vor der eigenen Haustür. Im Ergebnis stehen nun die mit Wunstorf zusammenhängenden Ausgleichsbäume in der Wedemark.
Das Umfeld der Parkanlage hat sich im Laufe seiner Geschichte stark gewandelt, und auch der Bürgerpark selbst hat viele Metamorphosen durchlebt. Die größte davon war sicherlich die Zuschüttung der Mühlenaue in den 1970er Jahren. Doch der Bürgerpark als solcher wurde nie angetastet, die Stadtoberen setzten sich immer dafür ein, der Altstadt ihren grünen Flecken zu erhalten. Nach seiner Blütezeit zu Anfang des letzten Jahrhunderts lag der Bürgerpark jedoch lange im Dornröschenschlaf, er war über Jahrzehnte praktisch sich selbst überlassen. Es wird gemunkelt, dass man ihm nicht zu viel Aufmerksamkeit zukommen lassen wollte, um die Fußgängerzone nicht zu schwächen. Aber seit einigen Jahren wird versucht, an die alten ruhmreichen Zeiten anzuknüpfen, als der Park für Wunstorf grüne Oase und Treffpunkt in einem war.
Auf dem Weg zur allseits beliebten Begegnungsstätte kämpft der Bürgerpark jedoch noch mit einigen Hürden. Hundekot ist ein stetiges Problem, und aus Kreisen der Stadtschule beschwert man sich immer wieder über die Vermüllung im Bereich des Auedamms. In den Augen vieler ist der Bürgerpark noch immer die betagte, unattraktive Grünanlage, die eben da ist, aber nicht weiter stört. Dabei entwickelte sich der Park gerade in den letzten Jahren rasant weiter. Vor allem seit 2015 sind wieder deutliche Veränderungen zu sehen, nachdem zuvor jahrzehntelang nichts Neues entstanden war. Das Anlegen des Barfußpfades 1997 durch das Engagement des Kneipp-Vereins hatte bis dahin die letzte größere Veränderung im Bürgerpark markiert.
Der Park lebt als Veranstaltungsort wieder auf. Als Startschuss in neuerer Zeit, Aktivität zurück in den Bürgerpark zu bringen, darf die Initiative zweier Wunstorfer Unternehmer gelten, die vor knapp 10 Jahren begannen, Festivitäten im Bürgerpark auszurichten. Manfred Henze und Klaus-Peter Netz gründeten den Verein „Kultur im Bürgerpark“ und machten den gesamten Bürgerpark zur Veranstaltungsbühne. Sie vereinten Künstler unterschiedlichster Richtungen an einem Wochenende zu einer großen Freilichtschau und brachten professionelle und Hobbykünstler auf einer Art kulturellem Mitmach-Bürgerfest zusammen.
Viele wussten gar nicht, dass da ein Park ist
Manfred Henze
Erstmals seit fast 70 Jahren kam damit wieder richtig viel Leben in den Park, so viele Wunstorfer hatte der Bürgerpark zuletzt Mitte des letzten Jahrhunderts gesehen, als er z. B. noch von Schützen- und Sportvereinen als Betätigungsfläche genutzt wurde. Das war gerade zu Anfang nicht einfach, denn zu diesem Zeitpunkt war der Bürgerpark noch sehr verwildert. Die Motivation für Henze, ein Kulturfestival zu initiieren, entstand direkt aus dieser Verwahrlosung heraus. Der Park sollte nicht verkümmern, er sollte nach Vorstellung Henzes genutzt werden. In Netz fand er einen Mitstreiter, der die richtigen Kontakte zur Kunstszene hatte. Von weither, aber auch aus der Nähe kamen danach die Kulturschaffenden nach Wunstorf – und stellten an einem Wochenende im Bürgerpark aus. Konzerte, Marionettentheater, Schattenspieler, Graffiti- und Schmiedekunst, Töpfern und Tonbrennen – die Künstler zeigten nicht nur eigenes Können und ihre eigenen Werke, sondern arbeiteten auch live mit Kindern und Jugendlichen. Auch ein Gottesdienst, Yoga und Zumba fanden in diesem Rahmen statt. Das THW illuminierte den Park.
Es sollte ein Markt für Kunst und Kultur werden, aber kein Kunsthandwerkermarkt, und auch eine Kommerzialisierung war nicht angestrebt. „Die richtige Atmosphäre entsteht nur, wenn der Konsum nicht im Vordergrund steht“, sagt Netz. Und so zog der Verein jedes Jahr wieder los und versuchte, Sponsoren aufzutreiben. 15.000 Euro waren nötig für ein Wochenende, knapp ein Drittel brachten die Vereinsmitglieder selbst auf. Die Kunst wurde dabei nicht immer von allen verstanden bzw. als solche erkannt. Auf einer der ersten Veranstaltungen hatte Henze auf der hintersten Wiese die Installation „Picknick im Park“ geschaffen – viele leere Tischdecken im klassischen Karomuster nebeneinander angeordnet. Am nächsten Tag, zur Eröffnung, hatte sie jemand komplett weggeräumt. „Ich hatte Angst, dass die Decken nass werden“, bekam Henze zu hören.
Wenn wir nicht damit angefangen hätten, würde der Bürgerpark heute nicht so aussehen
Manfred Henze
Viermal fand das Fest jährlich statt, 2013 zum letzten Mal. Die Ausrichtung stellte sich letztlich als zu aufwändig heraus, die Finanzierung als schlecht berechenbar. Es sei eine schöne Zeit gewesen, sagen Netz und Henze, doch bevor man Einbußen beim Niveau in Kauf nahm, habe man lieber aufgehört. Auch wenn seitdem keine Pagoden und Bühnen mehr im Park gestanden haben, sind die beiden doch ein wenig stolz darauf, dass ihr Engagement mit zum heutigen Erscheinungsbild des Bürgerparks beigetragen hat. Denn es legte die Keimzelle für die folgende Entwicklung.
Fast zur selben Zeit bildete sich auch der Arbeitskreis Bürgerpark, bestehend aus Lokalpolitikern, Parkfreunden und Anwohnern, der sich die Attraktivitätssteigerung und Erhaltung des Bürgerparks auf die Fahnen geschrieben hat. Wie in seinen Anfangstagen wird der Bürgerpark seitdem wieder mit neuen Elementen versehen. In den vergangenen Jahren wurde einiges auf die Beine gestellt, und der Ortsrat gab Mittel frei, um in den Park investieren zu können. Zunächst wurden an der Böschung zur Westaue das dichte Unterholz und Gestrüpp entfernt, so dass der zugewachsene Eindruck verschwand. Es wurden „Sichtachsen“ geschlagen, um das Gelände wieder stärker Richtung Aue zu öffnen – das bedeutete auch das Fällen einiger Bäume. Eine bessere Einsehbarkeit vom Auedamm war das Ziel, und man sollte sich auf den Wegen im Bürgerpark wieder wohlfühlen. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Grünanlage für Spaziergänger am Auedamm praktisch „vor lauter Bäumen“ nicht wahrnehmbar, erinnern sich auch Netz und Henze. Eine grüne Hölle sei das gewesen.
Dort, wo bislang ein Trampelpfad gewesen war, wurde eine Treppe zur Aue gebaut und damit ein weiterer Zugang zum Bürgerpark geschaffen. Am Fuße der Treppe entstand für einige tausend Euro ein Trimm-dich-Bereich mit Turngeräten für Jung und Alt. Auf der gegenüberliegenden Seite wurde ein Rondell asphaltiert, um Sitzbänke im Kreis aufzustellen – ein Angebot, sich im Park zu begegnen. Zuvor hatten Bänke nur vereinzelt und isoliert im Park gestanden, eine Sitzgruppe gab es nicht. Eine weitere Bank soll demnächst noch an der Naturbühne aufgestellt werden.
Unter den treibenden Kräften bei der Reaktivierung des Parks war hier Ortsbürgermeister Thomas Silbermann, der auch Mitglied im Arbeitskreis ist. Er war es auch, der den Impuls gab, den Bürgerpark dauerhaft als Ort für die bildende Kunst zu öffnen. Künstler, Hölty-Gymnasium, Klinikum und Kunstschule wurden ins Boot geholt – und die „Skulpturenmeile“ entstand im Jahr 2017, die seitdem einen Teil des Hauptweges flankiert.
Zuletzt kamen zwei neue Skulpturen des verstorbenen Wunstorfer Bildhauers Ostap Rebmann hinzu. Im September 2019 wurden sie aufgestellt, sie ergänzen jedoch nicht die bekannte Skulpturenmeile, sondern wurden etwas weiter südlich auf die Wiese gesetzt. Daniel Rebmann, der Sohn des Künstlers, war bei der Einweihung im Bürgerpark dabei, als Thomas Silbermann und der damalige Gartenbauamtsdirektor Pietzsch die neuen Skulpturen der Öffentlichkeit vorstellten. Rebmann wies auf die Details des von ihm gestifteten „Waldgeistes“ hin und berichtete, dass es sich bei dem Werk um eine typische Arbeit seines Vaters handele: Die grob behauene, aber dabei doch kleinteilige Ausgestaltung ist augenscheinlich. So ist etwa eine kleine Spinne auf dem Waldgeist zu entdecken.
Aber auch das zweite Werk ist ein typischer Rebmann: ein janusartiger Kopf mit zwei Gesichtern. Auf der einen Seite ein Frauengesicht, auf der anderen ein Männergesicht. Es soll die Gegensätzlichkeit der Geschlechter symbolisieren. Und es verbirgt ein Geheimnis: die Skulptur lässt sich bewegen. Die Kopfskulptur befand sich lange Zeit in Privatbesitz und wurde der Stadt nun für den Bürgerpark geschenkt. Die Werke sind damit erstmals für die Allgemeinheit zugänglich.
Der Verein „Kultur im Bürgerpark“ sorgt weiterhin für Veranstaltungen im Park, auch wenn die ursprüngliche jährliche Großveranstaltung nicht gehalten werden konnte. Um den aufglimmenden kulturellen Funken nicht verlöschen zu lassen, wurde die Idee 2016 in kleinerem Rahmen mit modifiziertem Konzept wieder aufgegriffen. Unter der Regie von Heike Leitner kam „Kultur im Bürgerpark“ erneut in Fahrt, so dass der Park seitdem fast ganzjährig für kulturelle Veranstaltungen genutzt wird. Der Verein lädt seitdem einzelne Künstler an verschiedenen Tagen im Jahr in den Park für z. B. Open-Air-Konzerte ein oder veranstaltet selbst Aktionen wie die Blausternchennacht. Man leiste dabei vor allem die Koordination, erzählt Leitner, und wolle zum aktiven Selbst-Mitmachen animieren. Dem Verein gelingt es vor allem mit den Konzerten, ein großes Publikum in den Park zu ziehen. Statt eine Pavillonlandschaft im Park zu errichten, wird nun aber die kleine „Naturbühne“ genutzt, die aus den Steinen des ehemaligen Scharnhorst-Denkmals errichtet wurde.
Theoretisch kann jeder Veranstaltungen im Bürgerpark ausrichten, wenn sie sich an die Öffentlichkeit richten, sagt Silbermann. Nur Privatfeiern etc. seien nicht möglich. Für die Veranstaltungen wurde extra ein Verteilerkasten installiert – für die Festivals kam er jedoch zu spät, und für die Naturbühne liegt er außer Reichweite. Diese würde konzeptionell eigentlich ins Zentrum des Parks gehören, nicht an den Wegesrand – bei größeren Konzerten finden die Zuhörer oft kaum Platz am Naturbühnenrand.
Eine Historisierung des Parks, die Annäherung an geschichtliche Entwicklungen, wird nicht angestrebt und ist politisch nicht gewollt – so wird etwa das Denkmal nicht in den Park zurückkehren. Auch zu den strengen Abgrenzungen von Wegen und Flächen oder zum Fahrradfahrverbot will niemand zurück. Der Bürgerpark soll ein offenes, modernes Areal sein. Die Vergangenheit wird vielmehr zitiert, etwa durch die Pflanzung eines Blumenteppichs, der den einstigen Verlauf der alten Mühlenaue andeutet.
Doch viele äußern immer wieder den Wunsch, dass irgendwann das Wasser in den Park zurückkehrt – und damit ist nicht die Wasserpumpe zum Füßewaschen am Barfußpfad gemeint. Wenigstens ein Teich, ein Brunnen oder ein Wasserspiel, diese Vorstellung sitzt tief in den Köpfen der Wunstorfer. Vor allem die Älteren erinnern sich zwar nicht mehr an die Brunnenanlagen im noch jungen Bürgerpark, aber durchaus an die alte Mühlenaue und den Blick auf die Westaue. Auch einen Biergarten oder ein Café könnten sich viele im Bürgerpark wieder vorstellen. Doch da würden die Anwohner heute wohl nicht mehr mitmachen, mutmaßt beispielsweise Manfred Henze.
Vor gar nicht allzu langer Zeit durfte nicht einmal die Stadtschule den Park offiziell nutzen – das hat sich erst in neuerer Zeit geändert. Seitdem ist der Bürgerpark für die Grundschule auch Aula-Ersatz – und der Sportunterricht wird gelegentlich in den Bürgerpark verlegt. Doch nicht nur Stadtschüler, Hundebesitzer und Jogger sollen den Park nutzen. Aus sportlicher Sicht ist er noch nicht ausgereizt, obwohl bereits Balancier- und Fitnessgeräte aufgestellt wurden. Noch nicht umgesetzt, aber in Planung ist, die alte Boule-Bahn vom Freibadgelände im Bürgerpark neu zu errichten. Der neueste Clou sind jedoch die Absichten, Discgolf in den Bürgerpark zu holen. Die Trendsportart, die mit Frisbee-Scheiben auf eine Art niedrigen Basketballkorb gespielt wird, könnte sich im Bürgerpark etablieren. Zunächst sollten nur einige der dafür nötigen Metallkörbe und noch keine komplette Anlage im Park aufgestellt werden. Wenn das Sportangebot jedoch Zuspruch findet, könnte der Parcours mit weiteren Körben vervollständigt werden, stellte Thomas Silbermann in Aussicht. Derzeit wird der Plan aber noch diskutiert, denn es gibt versicherungsrechtliche Bedenken. In der zweiten Jahreshälfte will sich der Arbeitskreis noch einmal damit beschäftigen, sagte Silbermann. Ganz vom Tisch ist die Idee noch nicht, es könnte aber sein, dass die Körbe letztlich doch keinen Platz im Bürgerpark finden, sondern an einem anderen Ort aufgestellt werden.
Sollten die Körbe doch kommen, wären sie der vorerst letzte Baustein für einen attraktiven, modernen Park für alle Generationen. Vorstellbar ist aber noch Vieles, vom Freiluftschach über einen großen Kinderspielplatz bis zum Grillplatz. Ob die Idee verfängt und der Bürgerpark wieder die Funktion übernimmt, die die Wunstorfer Parkanlagen bereits vor über hundert Jahren hatten, als sie die Menschen für Sport und Freizeit anzogen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
Dass es noch weitere bislang „unentdeckte Wälder“ in Wunstorf gibt, ist übrigens nicht ausgeschlossen. Schon beim nächsten Bauprojekt könnte es wieder irgendwo neue Überraschungen geben. Eine Umbenennung in Bürgerwaldpark oder Waldbürgerpark ist angesichts des neuentdeckten Waldgebiets im Zentrum Wunstorfs aber nicht geplant – der Bürgerpark bleibt der Bürgerpark. Einen „Bürgerwald“ haben die Wunstorfer trotzdem bekommen. Sie müssen dafür nur ein bisschen weiter wandern. In die Wedemark.
Dieser Artikel war Titelgeschichte in Auepost 06/2020.
Der Bürgerpark hat schon viele Höhen und Tiefen durchlebt. Mehr zu seiner wechselvollen Historie in der Stadtgeschichte: „Aufstieg und Fall des Bürgerparks“
Wie schön, ein „geschichtsträchtiges Areal bekommt die Chance, zu alter Bedeutung zurückzufinden“. Und es gibt mehr Geschichtsträchtiges zu entdecken:
Es ist Montag, und es ist Markttag in dem kleinen Ort. Die Bewohnen, viele Menschen aus den umliegenden Weilern und Flüchtlinge aus anderen Landesteilen sind auf der Straße und auf den Plätzen unterwegs. Es ist Frühling, und es herrscht relative Sorglosigkeit.
Was dann gegen 17:15 Uhr über den Ort hereinbricht, wird für viele zur Hölle. Unterstützt von Heinkel-He-51-Jägern und Messerschmitt Bf 109-Jägern entladen in drei Wellen behelfsmäßig umgebaute Transportflugzeuge vom Typ Junkers Ju 52/3m ihre todbringende Last: 250-Kilogramm-Sprengbomben, 10- bzw. 50-Kilogramm-Splitterbomben und Ein-Kilogramm-Stabbrandbomben. Der Ort brennt an allen Ecken und Enden. Auf Frauen und Männer, Kinder, Jugendliche und Alte, verängstigte Tiere … auf jedes Lebewesen, das versucht, dem Inferno durch Flucht zu entkommen, wird aus der Luft geschossen. Ein Augenzeuge berichtet, wie die Tiefflieger bis auf ca. 30 Metern über den Boden ihre Angriffe fliegen. Bei dieser Höhe erkennt man jedes Detail, man nimmt jeden Menschen, jeder Kreatur als Individuum wahr. Der Pont du Gard in Südfrankreich misst 50 Meter, wie hoch ist die Stadtkirche in Wunstorf? Ein Angriff auf die Zivilbevölkerung Guernicas, heimtückisch und aus niederen Beweggründen. Es ist der 26. April 1937.
Und Tod aus der Luft hat einen Namen: Legion Condor. Die Flugzeugbesatzungen stellte maßgeblich das „Kampfgeschwader 154 Oswald Boelcke“, mit dem Heimatflughafen „Fliegerhorst Wunstorf“.
Täter und Sympathisanten organisieren sich nach dem Krieg im „Traditionsverband Kampfgeschwader Boelcke, Landesgruppe Wunstorf“. Deren Mitgliederliste (Stand 15.08.1971) liest sich in Teilen wie ein „who is who“ der wunstorfer Gesellschaft. 1971 gedenkt meine Heimatstadt seiner Geschichte mit einer 1.100-Jahr-Feier Die Täter und deren Anhänger feiern mit, vermutlich in „Bombenstimmung“.
Auch 84 Jahre nach den Verbrechen von Guernica gibt es kein würdiges, den Ereignissen angemessenes Erinnern in unserer Stadt. Im Gegenteil, die Verehrung um das Kampfgeschwader Boelcke wird kultiviert. Wunstorf fragmentiert seine Geschichte, pickt sich das raus, was ein gefälliges Bild auf die Vergangenheit wirft und blendet Ereignisse aus bzw. schreibt sie um, wenn diese als imageschädigend empfunden werden. Comme misérable!
MarieDurand