Wunstorf (ds). Wenn Frau Uhde an der Kasse einen viel zu niedrigen Preis nennt, denkt mancher Kunde gerade, sie hätte einen Witz gemacht. Denn viele haben noch gar nicht wahrgenommen, dass die Zoohandlung in der Nordstraße bald schließt. Seit vergangenem Sonntag ist Räumungsverkauf.
Wer vom Nordwall-Parkplatz Richtung Fußgängerzone lief und dazu nicht den Weg Richtung Abtei wählte, der kam auch am Zoogeschäft vorbei. Es ist einer dieser Läden, die selten geworden sind in der heutigen Zeit, die keiner Kette angehören, und in der der Inhaber noch persönlich hinter dem Kassentresen steht. Schmucklos das Gebäude, verblichen die Markenherstellerreklame, doch von der Fassade grüßte nach wie vor der auf einer Stange sitzende Papagei, der auch vom Ladenschild herunterschaute. Links hinter dem Schaufenster abgeteilt der Vogelvolierenbereich, mitten im Laden ein Nagergehege, dessen teils giftgrüner Anstrich auch schon arg abgerieben ist. Man meint, genau sehen zu können, wo Scharen von Kindern ihre künftigen Haustiere zum ersten Mal beschnuppert haben.
Zwei Schilder in Neon-Orange laden nun quasi im wahrsten Sinne des Wortes zu Hamsterkäufen ein, es gibt großzügigen Rabatt – auf alles außer Tiernahrung, denn die ist preisgebunden und wird auf Wunsch aktuell in Großpackungen als Einziges auch noch nachbestellt. In den Volieren warten die letzten Wellensittiche und Zebrafinken auf neue Besitzer. Einige Meerschweinchen sind ebenfalls noch im Laden zuhause. Die Fische jedoch sind bereits „ausgezogen“. Sie, genauer gesagt ihre Aquarien, gaben auch den Ausschlag, weshalb Inhaberin Christel Uhde nun aufhört.
Ein Becken war defekt, der Zahn der Zeit hatte daran genagt. Auch die anderen hätten bald ersetzt werden müssen, die Dichtungen gaben langsam auf. Ein Modul mit übereinanderliegenden Aquarien kostet etwa zweieinhalbtausend Euro, vier davon standen im Zoogeschäft – dazu noch die Installation und ein neuer Wasseranschluss, das rechnete sich nicht mehr. Doch die Fische waren eines der Hauptstandbeine des Ladens. So stehen die alten Aquarien nun seltsam verlassen am Ende des Ladens, der sich ebenfalls immer weiter leert.
Die Traditionszoohandlung gehörte schon lange zu Wunstorf. Uhde übernahm sie im Jahr 2000 und zog aus der Langen Straße um die Ecke in die Nordstraße in einen größeren Laden um. Fast genauso lange hat sie ihren – unverkäuflichen – Hund „Gerry“, der zur Zoohandlung zählte wie Fischfutter, Vogelstreu und Katzenspielzeug.
Tagaus, tagein lag der inzwischen 14-jährige Shetland-Hirtenhund an seinem Lieblingsplatz an der Ladentür, bewachte das Sortiment und begrüßte die Stammkunden. Manchmal streunerte er auch in der Nordstraße herum, einmal schaffte er es bis zum Stadttheater.
Im Laufe der Jahre hat er es zu größerer Popularität gebracht, ist zum heimlichen Star und Markenzeichen des Ladens geworden. Wenn sie mit Gerry unterwegs ist, würde oft nur der Hund namentlich begrüßt, erzählt Uhde schmunzelnd.
Währenddessen klingelt schon das Telefon, Uhde berät einen Zierfischbesitzer, der Probleme mit seinen Schützlingen hat. Die fachkundige Beratung ist genau das, was Zoohandlungen wie diese noch auszeichnet. Denn wer lebende Tiere verkauft, muss auch seine Eignung und sein Fachwissen nachgewiesen haben. Nicht jeder kann einfach eine Zoohandlung eröffnen, das Veterinäramt schaut genau hin, ob jemand die nötigen Kenntnisse besitzt, und nimmt Prüfungen ab.
Diese Voraussetzungen brachte Uhde mit, zum Zoogeschäft kam sie dennoch eher zufällig. Bevor sie Zoohändlerin wurde, ging sie einem typischen Bürojob nach. Aus der Hannoveranerin wurde vor bald 18 Jahren eine Großenheidornerin – und Ladenbesitzerin in Wunstorf. Ein bisschen verwirklichte sich dabei aber auch ein Kindheitstraum: „Endlich einmal alle Tiere besitzen, die man früher nie haben durfte“, lacht sie.
„alle Tiere, die man früher nie haben durfte“
Spätestens Ende des Jahres muss sich Sheltie Gerry nun ein neues Plätzchen suchen – dann ist Schluss und es wird in der Wunstorfer Fußgängerzone keine Wellensittiche oder Meerschweinchen mehr zu kaufen geben. Einen Nachfolger gibt es nicht, und auch Frau Uhde plant nicht, noch einmal an anderer Stelle weiterzumachen – sie geht in den Ruhestand. Die Wunstorfer werden das Zoogeschäft, Frau Uhde, die immer Zeit für einen netten Plausch hatte, und natürlich den vertrauten Anblick von Gerry im Türrahmen sicher vermissen. Eine klassische Zoohandlung gibt es dann nicht mehr in Wunstorf, wer Kleintiere und die entsprechende Beratung sucht, wird sich woanders umsehen müssen.
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