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Kunst am Abteihügel: Zwischen Herren-Hund und Löwenzahn

05.07.2023 • Achim Süß • Aufrufe: 1195

Kultur in geballter Form: Kunstverein und Forum Stadtkirche präsentieren zeitgleich und in direkter Nachbarschaft zwei Ausstellungen der besonderen Art. Der Bordenauer Künstlerin Ingrid Pawlowski gilt eine Hommage in der Abtei, das Forum stellt Arbeiten von drei Bielefelder Künstlern vor und geht in der Vernissage neue Wege.

05.07.2023
Achim Süß
Aufrufe: 1195
„Herren-Hunde“ vor der Abtei: Ingolf Heinemann (rechts) und Matthias Kostrzewa von der Altrewa-Stifung legen letzte Hand an

Wunstorf (as). Ein Wochenende voller Veranstaltungen liegt hinter Wunstorf. Die Kunstszene der Stadt konnte am Sonntag zwischen zwei Terminen wählen. Die größere Resonanz verzeichnete der Kunstverein mit seinem kulturellen Brückenschlag zwischen Neustadt und Wunstorf, einem Novum. Dem Forum Stadtkirche ist es gelungen, knapp 40 Besucher mit einer Ausstellungseröffnung zu fesseln, die neben erklärender Präsentation auch Improvisation und Experiment zu bieten hatte.

Handlungsreisend in Sachen Kultur

Beide Vereine arbeiten im neuen Kulturnetzwerk mit, das die Vielfalt der Wunstorfer Szene publik machen und die Abstimmung von Veranstaltungen verbessern soll. Für die Termine am Sonntag ist das allerdings nicht gelungen. Das Netzwerk steckt noch in den Anfängen, kann aber auf die Unterstützung der Stadt zählen. Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD) nannte die Initiative in seinem Grußwort während der Vernissage zur Pawlowski-Hommage eine „sehr, sehr gute Sache“. Die „Nacht der Kultur“, die das Netzwerk für den 8. September plant, treffe genau seine Intentionen, die Innenstadt zu einem „Kultur-Raum“ zu entwickeln, „die Kultur ins Zentrum zu rücken“.

Wie Piellusch würdigte der Neustädter Bürgermeister Dominic Herbst (Die Grünen) bei seinem erstem Auftreten in Wunstorf den Brückenschlag zwischen den Nachbarstädten. In einer launigen Rede bezeichnete er die Ausstellung als ein Signal dafür, die gemeinsame Kultur-Landschaft zu präsentieren. Den Geschäftsführer des Kunstvereins, den Bordenauer Foto-Künstler Ingolf Heinemann, verglich er mit einem Handlungsreisenden in Sachen Kultur, der immer dort sei, wo er gebraucht werde. Zu den Gästen zählten auch Bordenaus Ortsbürgermeisterin Andrea Czernitzki (SPD) und Herbsts Vorgänger Uwe Sternbeck, die mit anderen Aktiven aus dem Kulturnetzwerk Neustadt in die Abtei gekommen waren.

Keine Konkurrenz zwischen Neustadt und Wunstorf

Überwältigt von den Kunstwerken und der Resonanz auf die Vernissage war nach eigenen Worten Karin Ellert. Die Vorsitzende des Kunstvereins ging in einer sehr persönlich angelegten Begrüßung auf die Vorgeschichte der Hommage ein und auf die „besondere Sache“ mit der Nachbarschaft. Auf dem Sektor Kultur sieht sie allerdings kein Konkurrenzdenken zwischen Wunstorf und Neustadt. Auf die Terminüberschneidung mit der Vernissage in der benachbarten Stadtkirche ging Ellert nicht ein.

Schlugen musikalisch eine Brücke zwischen Wunstorf und Neustadt: die beiden Musikschullehrer Hans Wendt (rechts) und Thorsten Doll

Alle Redner würdigten das Zusammenwirken der Neustädter Pawlowski-Stiftung und der Altrewa-Bürgerstiftung mit dem Kunstverein Wunstorf als außergewöhnliches Ereignis. Dem Lebenswerk der Malerin, Grafikerin und Plastikerin widmet sich Tanja Soroka am Sonntag, den 16. Juli, von 16 Uhr an in der Abtei. Über ihre Worte während der Vernissage hinaus schildert die promovierte Kunsthistorikerin Leben, Arbeit und Werk Pawlowskis in einem Vortrag. Die beschriebenen Stücke werden in einer Projektion vorgestellt. Der Kunstverein lädt alle Interessierten ein und bereitet Kaffee und Kuchen vor.

Bis zum 23. Juli ist die Pawlowski-Ausstellung in der Abtei dienstags, mittwochs, donnerstags und sonnabends zwischen 15 und 18 Uhr geöffnet, sonntags von 11 bis 18 Uhr. Das Forum Stadtkirche zeigt „Kunst im Turm“ und in der Kirche bis einschließlich 23. Juli zu diesen Zeiten: Sonntag 11 bis 18 Uhr, Dienstag bis Donnerstag sowie Sonnabend 15 bis 18 Uhr – oder einfach dann, wenn die Tür der Stadtkirche offen steht.

Erstmals nutzte ein Aussteller auch den idyllischen Abtei-Hügel für eine Kunstaktion. „Herren-Hunde“, ein Ensemble durchsichtiger Kunststoffplastiken, zog die Aufmerksamkeit der Besucher und vieler Passanten auf sich. Der Entwurf stammt von Ingrid Pawlowski (1940–2010), die die Windhund-Figuren für eine Veranstaltung in den Herrenhäuser Gärten erdacht hat.

Pawlowski-Kenner unter sich: Matthias Kostrzewa und Ingolf Heinemann (rechts).

Verwirklicht hat sie ihr Ehemann Jacek (1933–2018), ein renommierter Industrie-Designer und Unternehmer. Die zeitlich begrenzte Installation vor der Abtei geht auf eine Idee von Heinemann zurück. Der Geschäftsführer – Bordenauer wie die Pawlowskis und über viele Jahre dort als Galerist in der Kulturszene des Ortes aktiv – würdigte Werk und Rolle der Künstlerin und ihres Mannes in einer detaillierten Schilderung seiner Bekanntschaft und vieler gemeinsamer Aktionen.

17-mal Kunst im Turm

Eine Ausstellungseröffnung abseits gewohnter Pfade hat das Forum vorbereitet: Zum 17. Mal ist die Stadtkirche für „Kunst im Turm“ geöffnet. Diesmal weniger für den Turm als für das Kirchenschiff haben die Kuratoren Hans Hanebuth und Anja Emmanouilidis sehr unterschiedliche Werke der Bielefelder Künstlerinnen Xenia Gorzny und Marie-Pascale Gräbener sowie großformatige, farbintensive Arbeiten des aus Peru stammenden Bardi Tarqui Polosi ausgewählt. Motto: „Von Menschen und anderen Geschöpfen“.

Katja Ippisch (links) interviewt Marie-Pascale Gräbener.

Da sitzen bei Gorzny Affen einsam und trübsinnig zwischen Flatterband, hat sich ein überdimensionaler Löwenzahn bis zur Zimmerdecke gequält. Die Stoffskulptur steht im Eingangsbereich und soll ein Sinnbild für den Lebenswillen der „omnipräsenten Pionierpflanze“ sein. Polosi konzentriert sich auf zwischenmenschliche Beziehungen.

Besucher leicht verdutzt

Waren Alexander Voigts Begrüßung und die Musik von Manfred Flate noch eher konventionell, wagte das Forum danach Improvisatorisches. Neu war zunächst die Art der intensiven Information über die Künstler und ihre Motive: Betreut von Katja Ippisch, der Leiterin der Fachgruppe Kunst am Hölty-Gymnasium, haben Schülerinnen und Schüler Fragen an die drei entworfen und gestellt. Die Kunsterzieherin trug sie in der Vernissage vor. Gräbener und Polisi standen vor dem Publikum Rede und Antwort, der Peruaner mit der Hilfe eines Dolmetschers. Gorzny war erkrankt und ließ ihre Stellungnahme vorlesen.

Marie-Pascal Gräbener bittet zum Gesang

Die leicht verdutzten Besucher wurden später von der Bielefelderin in den Altarraum gebeten – zum gemeinsamen Gesang. Auch der Ablauf der nächsten Minuten schien unter der Regie von Gräbener zu stehen, Ko-Kuratorin Emmanouilidis nannte es einen „experimentellen Ablauf“. Die Vernissage endete mit starkem Applaus.

Fotos: Achim Süß

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