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Vor 100 Jahren: Viele Wunstorfer müssen wegen Rathaus-Erstürmung ins Gefängnis

28.02.2024 • Aufrufe: 1481

Vor 100 Jahren endet ein Mammutprozess, bei dem viele Wunstorfer für ihre Beteiligung an Unruhen Haftstrafen erhalten. Alle bekommen eine milde Strafe – aber das kann damals bedeuten: Ein Jahr Gefängnis.

Pressespiegel 100 Jahre

Im Januar 1924 standen zahlreiche Wunstorfer Bürger vor Gericht, die sich ein knappes Jahr zuvor an der Erstürmung des Rathauses beteiligt hatten. 75 Wunstorferinnen und Wunstorfer landeten damit in einem Massenprozess. Die Angeklagten hatten Glück: Die Richter ließen Milde walten. Doch das bedeutete vor 100 Jahren nicht etwa Bewährung oder Geldstrafe: Ein gutes Viertel der vor Gericht Gestellten musste ins Gefängnis – nur meist nicht ganz so lange wie befürchtet.

Der Prozess war die große Nachricht im Lokalteil der Wunstorfer Zeitungen. Am 22. Januar 1924 berichtete etwa die Leine-Zeitung:

Gestern morgen wurde in dem Prozess wegen der Wunstorfer Unruhen, dessen Verhandlungen fünf Tage der vergangenen Woche in Anspruch genommen hatten, endlich das Urteil verkündet. (…) Das Gericht erkannte an, dass in der Bevölkerung wegen der hohen Preise und des beim Viehgeschäft häufig vorgekommenen Kettenhandels berechtigte Unruhen entstanden waren und billigte deshalb allgemein mildernde Umstände zu. In fast allen Fällen ist das Gericht über die gesetzlich zulässige Mindeststrafe nicht hinausgegangen. (…) Das Gericht betonte weiter, dass die Hauptschuldigen nicht auf der Anklagebank säßen, die bei dem Krawall vor und im Rathause draußen als auswärtige sogenannte Drahtzieher gehetzt hatten.

Es gab 20 Gefängnisstrafen, im Bereich von mindestens einem Monat bis zu einem Jahr. 55 Angeklagte wurden freigesprochen. Es traf ganz verschiedene Leute: Schrankenwärter, Schlosser, Zimmermänner, Maurer, Hausfrauen, Schuhmacher oder Eisenbahnmitarbeiter waren unter den Verurteilten.

Wir schreiben das Jahr 1924. Wunstorf ist eine kleine Ortschaft in der Provinz Hannover im Freistaat Preußen des Deutschen Reiches. Die „Goldenen Zwanziger“ der Weimarer Republik beginnen. Die alten Mark-Banknoten werden zum letzten Mal gedruckt, die Reichsmark wird eingeführt. In Hannover steht der Serienmörder Fritz Haarmann vor Gericht. Die Deutsche Reichsbahn wird gegründet. Die weltweit erste Luftseilbahn wird gebaut. In Berlin fährt die S-Bahn nun elektrisch. In Italien entsteht die erste Autostraße der Welt. Die späteren US-Präsidenten George Bush senior und Jimmy Carter werden geboren. Schrifsteller Franz Kafka stirbt.


veröffentlicht am: 28.02.2024 • Aufrufe: 1481
Redaktion
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Kommentare


  • Erwin P. sagt:

    Das kann heute ja zum Glück nicht mehr passieren, da die Lämmer für ihre eigenen Metzger demonstrieren.

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