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„Das Unnormale ist, dass alles normal ist“: Naturerlebnisbad Luthe trotzt dem allgemeinen Schwimmbädertrend

27.04.2025 • Daniel Schneider • 6 Min.Kommentare: 2

Keine Freibadsaisoneröffnung in Luthe ohne den traditionellen Sprung des Ortsbürgermeisters. Dass das überhaupt möglich ist, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine von den Luthern selbst geschaffene Erfolgsgeschichte. Nur eine dunkle Wolke zieht am Horizont auf.

27.04.2025
Daniel Schneider
6 Min.
Ortsbürgermeister Rolf Hoch wagt den ersten Sprung im Jahr – DLRG-Rettungsschwimmerin Dagmar Behm hält für alle Fälle Rettungsringe bereit | Fotos: Deppe/Dombrowski/Schneider

Es gibt einige Konstanten im beschaulichen Luthe: Das Schützenfest und der Luther Leistungsmarsch sind etwa feste Termine im Jahreskalender. Und die Freibaderöffnung. Wenn zum Frühjahr die Schwimmbadsaison mit einem großen Auftakt begonnen wird, dann gleicht das Freibadgelände einer eindrucksvollen Ortsversammlung.

Das hat seinen Grund. Das Naturerlebnisbad Luthe ist nicht irgendein Freibad, sondern gilt als eines der schönsten Bäder in ganz Deutschland – und wird dabei nicht von einem Unternehmen, sondern genossenschaftlich betrieben. Unglaublich viel ehrenamtliche Mitarbeit steckt in der Unterhaltung und im Betrieb der Anlage. Es ist bis heute eine beeindruckende Erfolgsgeschichte, die die Luther hier einst begonnen haben.

Denn eigentlich sollte es das Freibad schon längst nicht mehr geben. Wäre alles so weitergegangen wie vorgesehen, dann gäbe es jetzt weder ein Naturerlebnis- noch sonst irgendein Bad in Luthe. Es ist eine Mischung aus historischen Gründen und bürgerschaftlichem Gemeinsinn, die dafür gesorgt hat, dass Luthe bis heute ein eigenes Schwimmbad besitzt.

Dass Badespaß in Luthe weiterhin möglich ist, dafür haben die Einwohner selbst gesorgt

Dass es gelingen würde, war ursprünglich keinesfalls sicher. Als absehbar wurde, dass Wunstorf 1974 zu einer größeren Stadt wachsen würde, setzte damals ein ungeahnter Schwimmbad-Bauboom in den größeren der noch selbständigen Ortschaften ein. Zum gerade erst entstandenen Hallenbad in der Kernstadt Wunstorf sollte damit gleich eine ganze Reihe von Freibädern hinzukommen: Bokeloh baute ein Schwimmbad, Luthe baute ein Schwimmbad, und auch in Steinhude wurde ein Freibadbau in die Wege geleitet.

Ortsbürgermeister Rolf Hoch (SPD) bereitet sich vor auf den Eröffnungssprung

In Hinblick auf die neu entstehende Stadt war das ökonomischer Wahnsinn: In Wunstorf als neue Mittelstadt wären damit dann ganze 5 Schwimmbäder nebeneinander in Betrieb gewesen. Denn auch in der Kernstadt Wunstorf gab es noch das Freibad. Die Finanzierung in Steinhude scheiterte allerdings, in Luthe und Bokeloh gelang jedoch der Coup: Die Orte bauten sich erfolgreich Freibäder.

Weitere Mutige

Die neue Stadt Wunstorf beherbergte damit nicht nur eine Badeinsel im Steinhuder Meer, sondern hatte auf einmal auch 4 verschiedene Badeanstalten im Angebot. Dass das nicht zukunftssicher war, konnte man schon damals ahnen. Dem Überangebot fiel 2013 dann auch das alte Wunstorfer Freibad zum Opfer. Doch schon zuvor sollte es eigentlich dem Freibad Luthe an den Kragen gehen: Es war wie alle Schwimmbäder defizitär, hatte anders als das Bokeloher Bad jedoch nicht den Vorteil, Abwärme aus Sigmundshall zur Temperierung des Badewassers nutzen zu können, sondern wurde mit Öl beheizt.

Sogar der Bundespräsident war zurückhaltend

Eine einmalige Rettungsaktion begann: Die Luther unternahmen alles, um ihr Freibad trotzdem zu erhalten, und krempelten es einmal von unten nach oben. Eine Genossenschaft wurde gegründet, Fördergelder gesammelt – und mit der Idee, das normale Freibad in ein Naturbad umzuwandeln, war die Lösung gefunden. Es passte in die Zeit, bot einen Mehrwert und ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem übrigen Bäderangebot – und war finanziell förderwürdig. Zudem senkte es die Betriebskosten. Bezuschusst wird der Badebetrieb nach wie vor von der Stadt, das Gelände ist verpachtet – aber das Ehrenamt in Luthe und die Genossenschaft mit stetigem Einsatz für das Bad sind die Grundpfeiler für die Erfolgsstory. Ohne den festen Willen der Luther zu ihrem Freibad wäre das nicht möglich gewesen.

Hut gehört dazu: Reinhard Gräpel

Als die frisch entstandene Genossenschaft mit dem gerade eröffneten Naturerlebnisbad 2006 sogleich von „Land der Ideen“ als besonderer Ort gewürdigt wurde, war sogar der Schirmherr, der damalige Bundespräsident Horst Köhler, nicht sicher, wie ein solches Projekt nach 10 Jahren aussehen könnte. Zu diesem Jubiläum hätten die Luther ihn nämlich schon damals gerne persönlich eingeladen, erzählte etwa Reinhard Gräpel, der Vorsitzende der Genossenschaft. Inzwischen sind es fast 20 Jahre, die das Naturerlebnisbad Luthe in Eigenregie bestreitet.

Auch deshalb gleicht die alljährliche Saisoneröffnung im Naturerlebnisbad nicht nur einem Event, bei dem fast zeremoniell der Badebetrieb immer wieder neu freigegeben wird – die Luther feiern sich mit verdientem Stolz beim Badesaisonauftakt auch jedes Mal selbst.

In Luthe läuft’s

Das wird umso deutlicher, wenn zum Vergleich die Situation in anderen Städten und Schwimmbädern in den Blick genommen wird: Fast überall haben die Bäder Schwierigkeiten, an Personal zu kommen, in diversen Bädern kam und kommt es zu Einschränkungen bei Badezeiten oder Angebot – oder die Kosten etwa bei gasbeheizten Anlagen explodierten. In Luthe dagegen läuft’s.

Dagmar Behm auf der Naturerlebnisbadbrücke

Das vergangene Jahr, 2024, habe zu den besten 6 oder 7 Jahren der Genossenschaft gehört, berichtet Reinhard Gräpel und wundert sich dabei selbst etwas: „Das Unnormale ist, dass alles normal ist“, sagt er über die Situation im Freibad. Einschränkungen gab es nicht – trotzdem gerieten etwa die Schwimmkurse an die Kapazitätsgrenzen. Zwischenfälle mit Besuchern wie in größeren Städten kennt man ohnehin nicht.

Dabei ist jede Saison finanziell gesehen erneut wieder eine unsichere Sache – letztlich ist man als Freibad stark vom Wetter abhängig. Kälte und Regen führen naturgemäß zu Besucherrückgang. So machte auch im letzten Jahr den Luthern das regnerische Wetter etwas Sorgen. Gräpel, den die Auepost einmal den „Schwimmbaddirektor“ nannte, lobt das Engagement der Ehrenamtlichen, insbesondere auch der DLRG. Die ist ebenfalls nicht wegzudenken, aus ihren Reihen kommen beispielsweise auch die Badeaufsichten.

Treffpunkt Naturerlebnisbad. Kuchenbuffet und Salatbar direkt am Beckenrand.
Auch das gehört zur Eröffnungstradition: Ein Schluck Freibadwasser vor dem ersten Baden

Zu den Eröffnungstagen immer herausstechend und ganz in Weiß unterwegs: Dagmar Behm. Die DLRG-Rettungsschwimmerin kann viele Geschichten aus dem Bad erzählen. Sie ist fast von Anfang im Naturerlebnisbad dabei, seit 18 Jahren übernimmt sie die Badeaufsicht in Luthe – und ist damit auch eines der Gesichter des Naturerlebnisbades geworden. Zum „Anbaden“ kommt ihr dabei ebenfalls eine besondere Rolle zu – sie sorgt für die Sicherheit des Ortsbürgermeisters beim ersten Wassersprung des Jahres.

Der Sprung

Denn die Eröffnung folgt einem bekannten Muster: Oft sind Politiker und Schirmherren dabei – Ortsbürgermeister Rolf Hoch immer. Hoch, selbst auch einer der Köpfe in der Erfolgsgeschichte der Genossenschaft, hüpft jedes Jahr persönlich im klassischen Outfit vom „Sprungfelsen“ des Bades ins Becken.

Video: Der Ortsbürgermeister mit weiteren Mutigen vom Badeaufsichtsteam beim traditionellen Erstsprung

Erst damit ist die Saison offiziell eröffnet. Damit sich niemand beschwert, der extra wegen des Eröffnungssprunges ins Bad gekommen ist, bringt Hoch die Sache nicht sofort hinter sich, sondern wartet nach den Eröffnungsreden in der Regel noch eine halbe Stunde, bis er sich im rot-weiß geringelten Herrenbadeanzug zeigt.

Nach dem Sprung

Doch nach dem Eröffnungssprung wagen sich nach kurzem Zögern auch bereits die nächsten ersten Schwimmer und Springer des Jahres ins Wasser.

Auch bei 12,5 Grad ins Naturerlebnisbadwasser

Auf die Wassertemperatur wird dabei keine Rücksicht genommen. Nicht immer herrscht schon frühlingshafte Sommerstrandbadatmosphäre im Bad. Manchmal hat das Wasser nach einem gefühlten nochmaligen Wintereinbruch auch keine Chance, sich in den Tagen vor der Eröffnung etwas aufzuheizen. Das muss Hoch – ohne Hochdruckgebiet – dann im wahrsten Sinne des Wortes „ausbaden“.

Sieht gewagt aus – und ist es auch bei Temperaturen knapp über dem einstelligen Bereich

So sprang er 2024 bei genau 12,5 Grad Wassertemperatur ins Becken – dieses Jahr waren es bei deutlich mehr Sonnenschein immerhin knapp 3 Grad mehr.

Rappelvoll wird es regelmäßig jedoch nicht nur wegen Unterhaltungswertes der wagemutigen Springer – das Angebot zur Eröffnung ist breit gefächert. Herzhaftes Salatbuffet, Kuchentheke und Bratwurststand gehören zur Freibaderöffnung ebenfalls dazu. Mit vor Ort zu kaufenden Essensmarken geht man von Stand zu Stand.

Grillen im Naturerlebnisbad

Vor allem das Salatbuffet und Kuchenangebot beeindrucken dabei immer wieder mit ihrer Reichhaltigkeit. Für die Kuchen sorgen die Landfrauen Luthe, für die Salate die Freibadunterstützer.

Eine Sorge gibt es doch

Die Begeisterung im Ort für das Freibad ist ungebrochen, man weiß, was man daran hat. Aber eine Sorge gibt es dennoch im Naturerlebnisbad: Wie das genossenschaftliche Engagement dauerhaft auch für die Zukunft erhalten werden kann.

Denn das Kernteam benötigt Nachrücker. Reinhard Gräpel lässt durchblicken, dass er und Hoch nicht ewig die Fäden im Naturerlebnisbad ziehen können. „Wir brauchen einen Generationswechsel“, unterstreicht der Vorsitzende. Denn auch die gesamte Verwaltung wird ehrenamtlich geleistet, beispielsweise Abrechnungen und Fördermittelvergaben gemanaged. Im kommenden Jahr, 2026, wenn das Naturerlebnisbad 20 Jahre alt wird, wird Gräpel der Genossenschaft ebenfalls bereits 20 Jahre vorgestanden haben.

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Kommentare


  • Badke, Heinz-Dieter sagt:

    Für Familien, insbesondere für Kinder und Jugendliche eine ausgezeichnete Freizeitadresse im näheren heimischen Wohnumfeld. Eine notwendige und wertvolle Einrichtung. Stadtseitige finanzielle Zuschüsse für das Bad bereiten mir daher als Steuerzahler diesbezüglich keine Kopfschmerzen. Auch wenn ich das Freibad kaum nutze (mein Motto: Wasser nur zum Waschen).

  • Birgit sagt:

    Eine gemeinschaftliche Arbeit vieler zeigt dieses lohnende Beispiel. Ein Freizeitbad, eingebettet in schöner Natur und beständig.

    Die Aufrechterhaltung einer Freizeiteinrichtung ohne belastende Schließungen ist beispielhaft, besonders in heutiger Zeit des ständigen Umgestaltungszwanges, der sinnlosen Erneuerungen und des kostenexpansiven Unsinns.

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