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Dauerhaft Straßenfest in Luthe? Wie die „Parklets“ in Wunstorf funktionieren

04.03.2025 • Daniel Schneider • 6 Min.Kommentare: 8

Mini-Treffpunkt, ungewohnte Sitzgelegenheit im Grünen und Fahrradreparatur-Station sollen sie sein – dort, wo sonst einfach nur Autos auf der Straße parken. Ein „Parklet“ steht seit einigen Monaten auch im Wunstorfer Ortsteil Luthe, als eines von zweien in der Stadt. Die Meinungen darüber prallten bei der Einweihung noch schärfer aufeinander als in der Kernstadt. Während sich die einen über gelebte Utopie und praktisches Angebot freuen, schimpfen die anderen über unbestellte Verkehrswende – und vergreifen sich dabei auch im Ton. Über ein Straßenverkehrsmöbel in Luthe.

04.03.2025
Daniel Schneider
6 Min.
Mehr Grün und Sitzfläche direkt auf der Straße: Einweihung des Parklets in Luthe | Foto: Daniel Schneider

Der Frühling steht vor der Tür, die Fahrräder werden wieder aus Kellern und Garagen geholt und fit gemacht für die Freizeitgestaltung – wenn man nicht sowieso zu den Alltagsradlern gehört und auch im Winter mit dem Rad unterwegs ist. In Wunstorf können Radfahrer dabei seit einiger Zeit neue Radinfrastruktur in Möbelform nutzen.

Denn seit nun bald einem Jahr stehen zwei Parklets im Wunstorfer Stadtgebiet: In Luthe und in der Kernstadt waren die Rastplätze für Fahrradfahrer entstanden. Sie sind ganz aus Holz gebaut, nehmen den Raum von einem bis zwei Autoparkplätzen ein und bieten stattdessen Sitzgelegenheiten neben integrierten Pflanzkästen sowie eine Luftpumpe und eine SB-Fahrradreparaturstation für die Allgemeinheit. Für Fahrräder gibt es zwei integrierte Ständer, an der Reparaturstation lässt sich ein Fahrrad zudem aufständern, um auch an den Rädern werkeln zu können.

Weitere Parklets sind in Wunstorf nicht geplant, hieß es von der Stadtverwaltung – dass es innerhalb kurzer Zeit in Frühjahr 2024 gleich zwei Exemplare gab, war sogar eine Besonderheit. Nur weil sich der Ortsrat Luthe und der Wunstorfer Bauverein unabhängig voneinander stark dafür eingesetzt hatten, ein Parklet zu bekommen, wurde das Kontingent für die Stadt verdoppelt. Finanziert werden die Bauten von der Region Hannover – im Rahmen der Verkehrswendepläne. Ein gutes Dutzend gibt es inzwischen auf Regionsgebiet – das in Luthe in der „Kleinen Heide“ aufgestellte war zum Beispiel Parklet Nr. 11.

Ihr Vorhandensein hat sich inzwischen herumgesprochen, genutzt werden beide Parklets rege – allerdings nicht immer ganz im Sinne der Erfinderinnen.

Geschütztes Design

Die in Stadt und Region aufgestellten Parklets kommen sozusagen aus der Nachbarschaft: Die ursprüngliche Idee, aus ungenutzten Paletten neue urbane Stadtmöbel zu kreieren, ist schon älter, Parklets sind international zu finden. Aber die hiesigen Parklets sind extra angefertigt und professionell gebaut. Dahinter stecken die Produktdesignerinnen von „Wert der Dinge“, bei der die Parklets nicht nur geplant, sondern auch selbst geschreinert werden.

Hat auch das Parklet in Luthe entwickelt und gebaut: Jessica Grömminger bei der Einweihung in Wunstorf | Foto: Daniel Schneider

Jessica Grömminger vom hannoverschen Designstudio hat im Gespräch mit der Auepost weitere Fakten zu den Parklets und ihrem Entstehungshintergrund parat: Überregional ist man mit den Parklets nicht am Markt – es würde nicht viel Sinn ergeben, weil dies nicht nachhaltig sei. Schließlich gebe es ja auch woanders Schreiner.

Aber in der Region Hannover steht damit nur eine Art von Parklet – denn das konkrete Design der Stadtmöbel ist geschützt und darf nicht einfach von anderen kopiert werden. In den Parklets stecke monatelange Entwicklungs- und Designarbeit, erzählt Grömminger, die nicht nur gelernte Produktdesignerin, sondern ebenfalls Schreinerin ist. Die gebauten Konstruktionen gibt es in verschiedenen Ausführungen – inklusive Fahrradservice-Equipment, aber auch einfach als bloße Sitzgelegenheiten. Für Wunstorf wurde jeweils eine Ausführung auch für Fahrräder gewählt.

Im Unterschied zum baugleichen Modell in der Barne, für das zwei Stellplätze des Wunstorfer Bauvereins zweckentfremdet wurden, steht das Luther Parklet tatsächlich im öffentlichen Straßenraum – und belegt dadurch ziemlich exakt den Platz, den ein SUV zum Parken benötigen würde.

Zoff am Parklet

Obwohl die Parkplatzsituation in Luthe nicht ganz so angespannt ist wie in der Barnestraße, gab es auch beim Aufstellen des Parklets in der Kleinen Heide Kritik – teils auch sehr drastische. Aber nicht nur Autofahrer, auch Radfahrer kritisierten das Parklet. Der Ort sei falsch gewählt, es sei keine Stelle, an der man zum Rasten anhalte, hieß es ähnlich wie zuvor in der Barnestraße.

Lokalpolitikerin Daniela Helbsing (SPD), die sich gemeinsam mit Andreas Lange für das Projekt stark gemacht hatte, wurde bereits verbal attackiert, als sie den Schreinerinnen beim Aufbauen über die Schulter sah. Ihr seien die Tränen gekommen angesichts der Heftigkeit der Vorwürfe, erzählte sie der Auepost.

Das aufgebaute Luther Parklet misst in der Breite etwa anderthalb Autolängen | Foto: Daniel Schneider

Die Parklets werden damit zum Punkt, an dem verschiedene gesellschaftliche Vorstellungen ganz real und auch ganz gegensätzlich aufeinandertreffen. Während sich die einen um Parkplatzverlust sorgen, die Sinnhaftigkeit von Fahrrad-Stadtmöbeln bezweifeln, Steuerverschwendung wittern oder sich gleich allgemein eine Umerziehung hin zu einer nicht bestellten Verkehrswende verbitten, versuchen die anderen, Bewusstsein für Verkehrsräume der Zukunft zu schaffen, indem Ausblicke auf neue Aufteilungen und Gestaltungen von Straßenverkehr schon jetzt in die Gegenwart geholt werden.

Utopie am Straßenrand

Dabei sind die Parklets auch als Begegnungspunkt gedacht. Helbsing lässt deshalb Einwände, dass der gewählte Ort für die Aufstellung falsch sei, nicht gelten, und verweist darauf, dass die Konstruktion auch eine soziale Funktion erfüllen soll. Als Treffpunkt nicht nur für den Radverkehr, sondern auch für die Nachbarschaft.

Daniela Helbsing (stehend hinter den Caprisonnen) kann zur Einweihung des Luther Parklets wieder lachen | Foto: Daniel Schneider

Die Parklets sind auch ein Angebot an die Menschen, sich den Straßenraum zurückzuerobern, der sonst vor allem nur noch als Raum für motorisierten Verkehr wahrgenommen wird. Sie erweitern den Fußgängerbereich, dehnen den Gehweg aus und wirken, als hätte jemand dem Fußweg einen zusätzlichen Balkon spendiert.

Dass die Idee nicht alle begeistert, dass ist Daniela Helbsing klar. Sie bricht das verkehrspolitische Experiment auf den Privatbereich herunter, um die Problematik zu verdeutlichen: Es sei sogar innerhalb einer Familie manchmal schwierig, alle zufriedenzustellen – da könne man nicht erwarten, das in einer Stadtgesellschaft zu erreichen. Sprich: hundert Prozent Zustimmung für die Verkehrsutopie sind utopisch. Aber von der Heftigkeit der Unmutsbekundungen ihr gegenüber war Helbsing doch erschüttert. Sie erwarte trotz allem einen respektvollen Umfang – vor allem, weil sie und andere das politische Engagement nur ehrenamtlich ausübten, sagt die Ratsfrau.

Das Parklet erweitert auch den Gehwegbereich | Foto: Daniel Schneider

Zur Einweihung wirkte das Parklet in der Tat, als wäre es der ideale Ausgangspunkt für einen dauerhaften Treffpunkt, Straßenfestatmosphäre machte sich breit. Das lag auch daran, dass nicht nur die unmittelbar Beteiligten gekommen waren, Bürgermeister, Gestalterinnen und Mobilnetzwerk der Region, sondern dass auch der Ortsrat mobilisiert hatte – schließlich war es ein Projekt des Ortsrats Luthe.

Anders als in der Barne gab es Getränke, Snacks und Süßigkeiten. Nicht nur der Ortsrat tagte damit quasi unter freiem Himmel, auch Neugierige kamen hinzu und nahmen das Parklet in Augenschein. Auch Radfahrer wurden im Vorbeifahren aufmerksam, äußerten sich zustimmend zur Installation und probierten direkt die Luftpumpe aus. Ein Paar auf Rädern hielt an und kommentierte aber auch: „Schildbürgerstreich!“ Einmal selbst zu den künftigen Nutzern zu gehören, das könnten sie sich ganz sicher nicht vorstellen, sagten sie auf Nachfrage der Auepost.

Nachfrage gemischt

Seitdem ist das Parklet aber auch von anderen in diesem Umfang wie am Eröffnungstag nicht mehr genutzt worden. Auch das Schwesterprodukt in der Kernstadt wird eher nicht als Aufenthaltsort begriffen, sondern zieht Radfahrer vor allem wegen der praktischen Luftpumpe an.

Straßenfestatmosphäre | Foto: Daniel Schneider

Zeit, sich weiter an die neuen Stadtmöbel zu gewöhnen, haben die Wunstorfer jedoch durchaus noch: Die Parklets sind zunächst für 2 Jahre aufgestellt, so lange sollen sie mindestens in Luthe und in der Barne stehen. Theoretisch könnten sie jedoch auch zur Dauereinrichtung werden, sie sind für einen jahrelangen Einsatz konzipiert.

Von einem Auto sabotiert

Rund 13.000 Euro kostete ein Parklet-Exemplar laut Melina Bruns vom Mobilnetzwerk Hannover, das die Verkehrswendemaßnahmen der Region Hannover koordiniert und ausrichtet. Damit sind gut 25.000 Euro für Fahrradinfrastruktur-Stadtmöbel in die Stadt geflossen. Der Stadt selbst entstehen keine Kosten, und das Steuergeld bleibt in der Region, bei den beauftragten Designerinnen.

Ironie an der Geschichte: Als das Parklet in Luthe aufgebaut werden sollte, war vergessen worden, den dafür ausgesuchten Bereich rechtzeitig abzusperren. So musste mit dem Aufbau einige Stunden gewartet werden, bis ein dort noch rechtmäßig parkendes Auto am Einweihungstag verschwunden war. Jessica Grömminger arbeitete bis zur letzten Minute daran und geriet buchstäblich ins Schwitzen. Gerade noch rechtzeitig zum Einweihungstermin, später am Nachmittag, wurde das Parklet fertig. Beinahe hätte ein einzelnes geparktes Auto das ganze Verkehrswendeprojekt an diesem Tag gekippt.

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Kommentare


  • Basti g. sagt:

    So ein schwachsinn

  • Brigitte sagt:

    Wird in Luthe nicht genutzt. Das Geld wäre besser in die Sanierung der Radwege investiert worden.

  • Badke, Heinz-Dieter sagt:

    Hat in Luthe seinen Nutzen. Bietet etwas mehr Sicherheit beim Ausparken des Pkw vom Parkstellplatz vor der Sparkasse.

  • Olaf D. sagt:

    Da sitzt NIEMAND! Ich fahre dort mehrfach täglich vorbei. Das man sich dort trifft geschieht nur, weil sich die, die auch auf den Fotos der Einweihung sind (Mitverursacher für das Teil), online verabreden um dort zusammenzukommen.
    Da werden dann Fotos gemacht um es als „neuen, tollen Treffpunkt“ zu verkaufen, der SUPER angenommen wird.
    Ich kenne keinen Luther, der nicht über das Teil schimpft oder sich lustig macht.
    Ansonsten ist das Teil tot und ein Verkehrshindernis. Und das an einer Stelle wo es eh schon problematisch ist.

  • fred sagt:

    Brigitte du hast es erfasst. Macht die Radwege sicherer und breiter, besonders im Innenstadtbereich. Dann kommt die Verkehrwende von alleine.

  • Harald Fischer sagt:

    Klar, wer täglich mehrfach mit dem Auto dort vorbei fährt, muss auf den Autoverkehr achten und bekommt gar nicht mit, was dort passiert. Wer immer nur in den Spiegel schaut und schimpft, kann auch keine anderen Luther kennenlernen.
    Ich bin Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger und finde das Parklet super!

  • Hoffmann H. sagt:

    Wer will denn schon an der Straße sitzen und den vorbei fahrenden Auto’s nach schauen. Und wer kümmert sich denn um diese „Disignbauten“?

  • Tobias S. sagt:

    Solche Ideen brauchen wir für die Mobilitätswende. Es sollte nicht immer alles schlechtgeredet werden.

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