Auch das trubeligste Wirtschaftswochenende ist irgendwann vorbei: Am Sonntagabend, wenn nach zwei aufregenden Tagen der Tag zu Ende geht, geht auch das „WuWiWo“ zu Ende, um erst nach einem Jahr an derselben Stelle wiederaufzuerstehen.
Monatelange Arbeit und Organisation steckt in diesen zwei Tagen, damit zur Eröffnung alles funktioniert, wie es funktionieren soll. Eng getaktet ziehen die Aussteller in die Halle und auf das Freigelände ein, bauen ihre Stände auf und achten auf die Details, um sich den Besuchern im besten Licht zu präsentieren.
Doch nach dem zweiten Tag kommt das abrupte Ende – das in diesem Jahr noch viel abrupter ausfallen muss als gewöhnlich. Der Grund ist, dass am Folgetag schon alles komplett wieder abgebaut sein musste, der Festplatz wieder frei zu sein hatte. Denn das städtische Wunstorfer Schützenfest will den angestammten Schützenplatz bereits für erste Vorbereitungen in Beschlag nehmen.
Aber auch ohne solche Verschärfungen wird es gegen 18 Uhr an Wirtschaftswochenendesonntagen hektisch. Schon wenn es gegen Abend zugeht, ist trotz eines anstrengenden, sieben Stunden dauernden Messetages eine gewisse Unruhe zu verspüren: Der Abbau kündigt sich an.
Kaum haben die letzten Give-away-Jäger ihre Runde beendet, kaum ist das letzte Probeabo ausgehändigt und die letzte Visitenkarte ausgetauscht, wird das geschäftige Treiben noch einmal zwei Gänge hochgeschaltet. Roll-ups werden runtergerollt, Auslagen eingesammelt, Aufbautische abgebaut und Glücksräder bis Popcornmaschinen demontiert.
Schon nach zwanzig Minuten wirkt es in der großen Messezelthalle, als hätte jemand auf einen riesigen Rückgängig-machen-Knopf gedrückt. Die größeren und kleineren Stände werden Stück für Stück kleiner und verschwinden schon teilweise komplett. Der Hallenboden wird wieder sichtbar und die abgebauten Zwischenwände geben den Blick frei auf die Weite des Geländes. Aus dem engen Geflecht von Kabinen und Abteilungen, von Gängen und Nischen, wird schrittweise wieder eine leere Halle.
An der Zeltdecke sammeln sich die verlorenen Heliumluftballons, die ihren Besitzern entwischt sind. Nur an einem Kaminofenstand hat man sich auf den letzten Messemetern einen der entfleuchten Ballons eines Nachbarstandes zurückgeangelt und ihn kurzerhand ans eigene Angebot geknotet. Der Rest der bunten Lufthüllen schwebt unter dem Zeltdach und lässt ihre Halteschnüre wie Lametta von der Decke hängen. Die nun nicht mehr benötigten Elektrokabel hängen wie Kletterseile von den Hallendachstreben.
Die Fahrzeuge verlassen nun ebenfalls nach und nach das Gelände. Nicht nur die Fahrzeuge der Aussteller, die randvoll gepackt werden mit den Ausstellungsdingen und Standmaterialien. Auch die zuvor ausgestellten Fahrzeuge, von Autohäusern und Fahrzeugausrüstern, werden nun wieder vom Schützenplatz zurückgeholt. Das geschieht in Handarbeit: Jedes Fahrzeug wird einzeln wieder ausgeparkt, die Open-Air-Autoschauen lösen sich auf wie auf einem Supermarktparkplatz nach Feierabend.
Im Cateringbereich werden die Stühle gestapelt und die Kuchenkrümel aufgefegt. Kistenweise tragen die Aussteller ihre Ausstellung aus dem Zelt, das nun bereits fast gespenstisch ruhig wirkt. Der Kontrast zum lauten Handel und Wandel noch nur wenige Momente zuvor erscheint surreal. Die Schritte poltern laut auf dem nachgiebigen Boden, doch ein Echo will sich in der Zeltstruktur nicht recht ergeben. Die Sinne werden getäuscht. Das Messezelt, bereits riesig aussehend, wirkt damit akustisch sogar noch weitläufiger, als es in Wirklichkeit ist.
Am Softeisstand holt sich noch jemand schnell eine ganze Serie von Eisbechern, bevor auch hier die Geräte abgebaut werden. Pommes und Bratwurst halten noch einen Moment länger durch.
Justus Trebeljahr ist an diesem Sonntagabend der letzte Autohändler, der den Abtransport seiner Fahrzeuge überwacht – die Mitarbeiter haben schon alle Wagen bis auf einen fortgesteuert – nun folgt auch noch der Kastenwagen, der noch wie vergessen auf dem schon leeren Außengeländebereich wartete.
Die großen Trucks und Einsatzfahrzeuge sind zu diesem Zeitpunkt bereits verschwunden, traditionell verabschieden sich die Fahrer beim Verlassen des Geländes mit einem Sondersignal. Die Presslufthörner des Johanniter-LKWs, des DLRG-Mobils oder des Technischen-Hilfswerk-Trucks dröhnen zur zeremoniellen Verabschiedung kurz über den Platz.
Etwas über eine Stunde nach Abbaubeginn gleicht die Halle bereits einem völlig aufgegebenen Ort. Als hätten Bewohner in aller Eile eine Infrastruktur aufgegeben. Ein bisschen wirkt es so, als wäre ein Flughafenwartebereich geschlossen worden: Sitzecken und Stellwände stehen vereinzelt noch, sie werden erst am nächsten Tag von ihren Ausstellern endgültig abgeholt werden. Doch das meiste andere ist zu diesem Zeitpunkt bereits verschwunden und in Kofferräumen und Anhängern verstaut.
Die Abendstimmung legt sich über den Platz, die Sonne sinkt schnell tiefer. Das WuWiWo verabschiedet sich für ein weiteres Jahr.
Die Messe nach der Messe
Echt crass, sehr eindrucksvoll und schön geschrieben. Vielen Dank!