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Mit der Hilfspolizei in die Barne: Erster 135-Meter-Schwertransport erreicht Wunstorf

01.10.2024 • Daniel Schneider • Aufrufe: 8661

Alles in allem 160 Tonnen und rund 135 Meter Gesamtlänge: In der Nacht auf den 1. Oktober 2024 schoben sich vier Schwertransporter mit Betonträgerelementen von der A2 bis zum Wunstorfer Barneviertel – mitten über die Felder.

01.10.2024
Daniel Schneider
Aufrufe: 8661
Der Schwertransportkonvoi erreicht die Wunstorfer Kernstadt

Insgesamt 160 Tonnen sind in der Nacht auf dem Weg nach Wunstorf, verteilt auf 4 Schwertransporter, die in Kolonne fahren. Die schweren Maschinen ziehen riesige Betondachträger durch die Dunkelheit, jeder Träger wiegt allein 40 Tonnen und ist genau 33,3 Meter lang. Bauteile von insgesamt rund 135 Meter Länge sind damit aneinandergereiht auf den Straßen unterwegs. Es sind sogenannte Spannbetonbinder, die zum Bau der Dachkonstruktion der neuen Sport- und Veranstaltungshalle im Barneschulzentrum gedacht sind.

Wie kommen derart massive und sperrige Betonträger überhaupt bis zum Zielort? Aus Richtung Düendorf erschwert eine Bahnbrücke hinter einer Kurve den Weg, und aus Richtung Innenstadt ginge es nur über den Barneplatz – der jedoch derzeit wegen Tiefbauarbeiten ebenfalls nicht befahrbar ist. Und die Umleitungsstrecke eignet sich denkbar schlecht für auch nur einen Schwertransporter, geschweige denn mehrere. Für Hunderte Autos entlang der Strecke durch die Wohngebiete müssten zuvor temporäre Parkverbote ausgesprochen werden – falls man überhaupt um die engen Kurven im dichtbebauten Bereich käme. Nur zwei Wege bleiben übrig: Über die Felder aus Richtung Kolenfeld oder direkt am Hallenbad vorbei.

„Wir kommen um jede Kurve“

Benjamin Jäger, Begleitfahrer

Es ist kaum zu glauben, dass man mit einer solchen Last dort entlangfahren könnte. Ähnlich sperrige Transporte wurden vor zwei Jahren in Wunstorf im Schritttempo auf Bahnschienen angeliefert. Doch Benjamin Jäger winkt ab. „Klar kommen wir da um die Kurven“, sagt der Begleitfahrzeugfahrer, der in der Mitte des Konvois direkt hinter einem der aufgeladenen Betonschwergewichte fährt. Die Transportfahrer würden auch engste Radien beherrschen.

Die Hallenbadroute wäre aus Fahrersicht sogar die bevorzugte Strecke gewesen, doch die Stadtverwaltung hat nur eine Route weiter entfernt genehmigt. Direkt durchs Neubaugebiet wollte man den Schwertransport in der Nacht nicht fahren lassen.

Auf der A2 und durch die Wunstorfer Felder

Deshalb ergibt sich zwischen Mittellandkanal und der Kernstadt am späten Abend ein ungewohnter Anblick: Die Schwertransportkolonne fährt mitten durch die Felder auf den Wirtschaftswegen und schließlich an Sportplätzen und Vereinsheimen vorbei zum Schulzentrum. Kurz vor Mitternacht ist man da. Der abendliche Regen macht eine kurze Pause, als die Fahrzeuge ihr Ziel erreichen. Zuvor war der Konvoi über die A2 gekommen, an der Anschlussstelle Kolenfeld abgefahren und dann über die Landstraße bis zum „Hanisch-Kreisel“ gesteuert. Dort ging es dann scharf links in den Wirtschaftsweg gegenüber des Südseespielplatzes, durch die Felder bis hin zur Barne. Um auf den Wirtschaftswegen fahren zu können, wurde das Gewicht der Transporte gleichmäßig auf sämtliche Räder verteilt.

Dolle Ladung: Ein über 30 Meter langes und 40 Tonnen schweres Spannbetonbauteil auf dem Weg zur Barnestraße
Benjamin Jäger steuert ein Begleitfahrzeug und gibt den Schwertransportfahrern über Funk Unterstützung
Diverse Begleitfahrzeuge sind mit den Schwertransportern unterwegs

Eskortiert werden die Schwertransporter von mehreren Begleitfahrzeugen. Einige gehören direkt zum Schwerlasttransportunternehmen, andere zählen zur Hilfspolizei. Probleme unterwegs auf der Strecke habe es nicht gegeben, der schwierigste Teil sei tatsächlich der letzte Abschnitt über die Wirtschaftswege gewesen, berichtet Jäger. Der Untergrund und die geringe Breite der Wege machten das Ende der Fahrt anspruchsvoll. Zentimeterweise schieben sich die Fahrzeuge vorsichtig vorwärts. Ein in einen Graben gerutschter Schwertransporter – darauf kann man gerne verzichten.

Die Hilfspolizei im Einsatz

Die schwierigen letzten Meter der Strecke bestätigt auch Volker Friedel. Der Hilfspolizist ist der Schwertransportkolonne vorausgefahren und sichert nun die Straße am Ende des Wirtschaftsweges am Barnesportzentrum ab, bevor er schließlich sein Fahrzeug auf Höhe der Bushaltestellen quer auf die Barnestraße stellt. Blaulicht hat er nicht an seinem weißen Spezialfahrzeug, sondern gelbes Blinklicht wie alle anderen Teilnehmer der Kolonne. Doch auf den Seiten des Fahrzeuges ist eine blaue Banderole wie bei einem Streifenwagen angebracht, auf dem „Hilfspolizei“ steht. Auch hinter der Windschutzscheibe leuchtet es blau: Eine durchlaufende Leuchtschrift zeigt ebenfalls „Hilfspolizei“ an.

Die Hilfspolizei gibt es nur in Niedersachsen: Seit 2017 darf sie anstelle der regulären Polizeibeamten Schwertransporte begleiten. Sie wurde damals geschaffen, um die Polizei von solchen Begleittätigkeiten zu entlasten. Denn ab einer gewissen Größe von Schwertransporten ist Polizeibegleitung gesetzlich vorgeschrieben. Als die Schwertransporte immer zahlreicher wurden und die sonstige Polizeiarbeit stark beeinträchtigen, kam die Idee zur Hilfspolizei auf. Niedersachsen verfolgte damit ein Pilotprojekt und führte es danach weiter. Die anderen Bundesländern folgten dem Beispiel aber nicht, sondern setzen – nach einer Gesetzesanpassung – zur Entlastung ihrer Landespolizisten für Schwertransporte nun oft Verwaltungsmitarbeiter ein.

Die Hilfspolizei sichert den Transport ab

Hilfspolizisten sind nicht verbeamtet und haben besondere Hoheitsrechte nur im Bereich des Straßenverkehrs. Sie dürfen Straßen absichern und den Verkehrsteilnehmern Anweisungen geben. Während sich die Transportmitarbeiter untereinander über Funk verständigen, wie der Transport genau zu fahren hat, schützt die Hilfspolizei den Transport gegenüber anderen Fahrzeugen – und umgekehrt. „Hier kann ich niemanden mehr durchlassen“ sagt Volker Friedel etwa, als trotz der herannahenden Transporte noch ein Autofahrer Anstalten macht, in Richtung der Tennis- und Schießplätze zu steuern. Doch das Fahrzeug schwenkt schließlich doch noch um in Richtung Hallenbad.

„Hier kann ich niemanden mehr durchlassen“

Volker Friedel

Hilfspolizisten haben die Befähigung zum Steuern von BF3-Begleitfahrzeugen und einen Lehrgang an einer Polizeiakademie absolviert. Auch Friedel, ehemals Taxiunternehmer, ist auf diesem Wege in den Beruf gekommen und fährt nun schon seit 7 Jahren täglich durch ganz Niedersachsen, um Schwertransporte zu begleiten.

Die Route des Schwertransportes in Wunstorf | Illustration: Auepost; Kartenmaterial © OpenStreetMap-Mitwirkende unter ODbL-1.0-Lizenz

Wofür die Betonträger in Wunstorf gedacht sind, das wissen unterdessen nicht einmal alle Beteiligten selbst. „Wofür sind die eigentlich?“, fragt Benjamin Jäger zwischendurch, als er der Auepost von der bisherigen Reise berichtet. Für die Männer ist es ein Routinetransport, im Grunde nichts Ungewöhnliches. Was für die Anwohner, die bereits vereinzelt an den Fenstern stehen und sogar zum Beobachten des Transports vor die Haustür kommen, spektakulär wirkt, ist im Schwertransportgewerbe nichts Aufsehenerregendes. Der aktuelle nächtliche Transport nach Wunstorf zähle sogar zu den kleineren Transporten, berichtet Friedel. Im Vergleich zum Beispiel mit Windradflügeln, die man ebenfalls auf diese Weise transportiere, sei das gar nichts.

Im Rückwärtsgang auf die Baustelle

Auch am Wendekreisel an der Otto-Hahn-Schule haben die Schwertransportfahrer keine Probleme, obwohl dort nicht einmal abgesperrt wurde – PKWs parken immer noch im Kreisel. Mühelos nimmt der erste der Transporte die Kurve direkt zur Baustelle – und das sogar im Rückwärtsgang. Mit dem Heck zuerst steuert das Gefährt mit Überlänge in die Baustelleneinfahrt. Für die übrigen drei Zugmaschinen ist jedoch an diesem Abend Schluss: Die Fahrzeuge samt Ladung sollen erst am nächsten Morgen auf die Baustelle fahren. Dort wartet bereits ein Spezialkran, der zwölf Stunden zuvor angekommen war. Dieser wird die Betonträger abladen und schließlich an die endgültigen Positionen bringen.

Vorerst am Ziel: Drei der vier Schwertransporter parken über Nacht in der Nähe des Schotterparkplatzes am Ende der Barnestraße

Gegen 1 Uhr, es ist nun der 1. Oktober, besprechen die Fahrer die letzten Details und schließen ihre Schwertransporter ab. „Hoffentlich klaut die niemand über Nacht“, merkt ein Anwohner lachend an. Die Hilfspolizei wird aus dem Einsatz entlassen. Mit dieser ersten Fahrt ist der Transport jedoch noch nicht beendet, das Schauspiel wird sich 24 Stunden später noch einmal wiederholen – dann kommt ein weiterer Schwertransport auf demselben Wege in die Stadt. Denn insgesamt acht der 33,3 Meter langen Spannbetonbinder werden zum Bau der Halle benötigt. Das bedeutet: Noch einmal vier Schwertransporter als nächtlicher Konvoi in den Wunstorfer Feldern.

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Kommentare


  • Nanouk sagt:

    Ok gut, ging doch

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