Ob der Bürgermeister ein Freund des gemeinen deutschen Brötchens ist, ist nicht bekannt. Frankophil, wie er ausweislich seines sprachlichen Talents und seiner Sympathie für die Partnerstadt Flers und das Freundschaftskomitees ist, könnte er Croissants bevorzugen. Auch ob er gelegentlich die sogenannte Brötchentaste benutzt, um sein Auto eben mal schnell abzustellen, bleibt verborgen im Dunkel der Persönlichkeitsrechte.
Fest steht, dass die „Kurzzeitparktastenregelung“, wie Carsten Piellusch diese Einrichtung in seiner Beschlussvorlage für den Stadtrat nennt, ihn – zum ersten Mal öffentlich wahrnehmbar – in Widerspruch zu seiner SPD-Fraktion bringt.
Wie das? Im Rat geht es um die Vorlage 32.2033/0053-a und die dazugehörige Vorgänger-Drucksache mit derselben Kennzeichnung, aber ohne „a“. Beide Schriftstücke befassen sich mit der „Parkraumbewirtschaftung in Steinhude und Wunstorf; 4. Änderung der Gebührenordnung für das Parken an Parkscheinautomaten in der Stadt Wunstorf (ParkGO)“. Zwölf Seiten liegen jetzt dazu vor, das Thema beschäftigt Rathaus und Kommunalpolitiker seit langem. Eigentlich die ganze Stadt. Die aktuellen Vorlagen stammen vom April 2023 und offenbaren mindestens diese Erkenntnis: Auch anscheinend nebensächliche Sachfragen aus dem kommunalpolitischen Alltag einer Stadt können seitenweise Problemdarstellungen in feinstem Amtsdeutsch – juristisch einwandfrei – hervorbringen.
Die Regelung der Parkzeiten ist bekanntlich so etwas wie ein Dauerbrenner. Und da auch dazu ein weiteres Gutachten aussteht, und die Diskussion darüber Zeit in Anspruch nehmen wird, bleibt das Thema auf der Tagesordnung. Nach intensiver Beratung schien es – jedenfalls was die Formulierung der Gebührenordnung angeht – im Mai vergangenen Jahres für den Rat erstmal abgeschlossen. Verwaltung und Ratsmehrheit waren ihrer Sache sicher, ließen Kritik und Vorwürfe geradezu von sich abprallen. Sogar die Verschärfung des Dissens mit der Werbegemeinschaft wurde in Kauf genommen. Die Brötchentaste spielte dabei eine Nebenrolle.
Es ging um das große Ganze. Wie lange darf an den Straßen in der Nähe der Fußgängerzone geparkt werden? Eine Stunde oder länger? Das stand im Vordergrund. Wenn gemurrt und geschimpft wurde über die Begrenzung auf eine Stunde, war die Reaktion der Stadt abweisend: Nicht nach Gefühl werde entschieden, so der Bürgermeister, sondern nach Faktenlage. Marketing und Pressearbeit müssten verbessert und intensiviert werden, um die Park- und die Gebühren-Regie zu propagieren. So war immer wieder aus dem Rathaus zu hören. Am Konzept sollte nichts geändert werden. Tenor: „Kein Herumdoktern“.
Dann aber, kurz vor Weihnachten, legte der Bürgermeister überraschend allen ein besonderes Geschenk unter den Baum. Piellusch hatte sich mit seinen beiden wichtigsten Partnern im kleinen Kreis auf ein Umschwenken verständigt. SPD-Fraktionschef Martin Ehlerding und sein Pendant Christiane Schweer von der CDU stimmten der Verlängerung der Parkzeit auf zwei Stunden zu. Die Kosten für die neuen Schilder und die Programmierung der Automaten waren kein Thema mehr. Die Dinge nahmen ihren Lauf.
Zwar gab es noch ein paar Abstimmungsprobleme in der SPD wegen der Frage, wer die Neuigkeit der Öffentlichkeit mitteilen müsse oder dürfe. Piellusch wollte es gern, Ehlerding wollte es gern. Es war dann schließlich der Fraktionschef, der die frohe Botschaft im Rat verkündete. Im Antrag des SPD-CDU-Bündnisses dazu findet sich dieser bemerkenswerte Satz: „Dem subjektiven Empfinden der Parkplatznutzerinnen und -nutzer soll auf diese Weise (…) entgegengekommen werden.“
Was oder wer hat diesen Sinneswandel bewirkt? Die anhaltenden Proteste von vielen Seiten mögen ein Auslöser gewesen sein. Aber da gab es im November 2023 auch den raffinierten Vorstoß der Werbegemeinschaft, die sich für eine öffentliche Präsentation des Innenstadtgutachtens mit dem Forum Stadtkirche zusammentat. Diese Untersuchung – vom Zusammenschluss der Geschäftsleute finanziert – bescherte den Wunstorfern jene Öffentlichkeitsarbeit, die sich die Verwaltung zum Thema Parken gewünscht hatte. Aber die Ergebnisse der Kundenbefragung waren nicht gerade eine Bestätigung der offiziellen Linie. Der Wunsch nach der Verlängerung kurzer Parkzeiten war unübersehbar. Fazit: Eine neue Vorlage erreichte den Rat, und es wurde beschlossen, die Parkzeit auf zwei Stunden zu verlängern. Die Regelung soll im Juli oder August in Kraft treten.
Zurück zur Brötchentaste. Kaum im Rat abgehakt, regte sich Widerstand im Steinhuder Ortsrat. 15 Minuten gebührenfreies Parken war allen politischen Lagern nicht genug. Das Gremium vereinbarte einen erneuten Vorstoß, um eine Dreißig-Minuten-Regelung zu erreichen. Christiane Schweer, auch Ortsbürgermeisterin von Steinhude, begründete den Antrag in der jüngsten Ratssitzung. Für die SPD forderte Martin Ehlerding, jetzt „einen Punkt zu setzen“. Seine Fraktion unterstütze die Vorschläge aus Steinhude und schließe sich dem Koalitionspartner CDU an.
Ehlerding offenbarte in seinem kurzen Beitrag, dass die Fraktion kontrovers diskutiert habe und sich nicht einig geworden sei. Die Regelung müsse aufmerksam „beobachtet“ werden, das erwartete Gutachten dazu werde Hinweise geben. Für die Grünen stimmte Fraktionssprecherin Anne Dalig den Änderungen zu: „Ob 15 oder 30 Minuten Parkdauer wirkt sich auf die Gebühren nicht entscheidend aus. Es nimmt aber den Kunden und Kundinnen der Apotheke den Zeitdruck, da sie manchmal eine Beratung benötigen, die etwas länger dauern kann.“
Rolf Herrmann (SPD), der Ratsvorsitzende, wollte nach Daligs Wortmeldung abstimmen lassen. Aber seine Fraktionskollegin Kirsten Riedel intervenierte energisch und verlangte, über Dreißig-Minuten-Brötchentaste und Zwei-Stunden-Regel getrennt zu beschließen.
Herrmann hatte das offenbar nicht erwartet, und unerwartet war auch das Ergebnis: Riedel und Piellusch stimmten gegen die Dreißig-Minuten-Variante und damit gegen ihre eigene Fraktion. Erreicht haben sie damit nichts, denn beide Punkte fanden eine große Mehrheit. Welches Zeichen der Bürgermeister und seine erste Vertreterin damit setzen, bleibt abzuwarten.
Ich hoffe, dass sie Recht haben. Es wäre sehr begrüßenswert, wenn sich einige Ratsmitglieder in Zukunft trauen würden, frei zu entscheiden.
Das Diktieren von oben kann nicht gut sein für Wunstorf. Denk-/ Informationsverbote (siehe auch „Neue Mitte Wunstorf“) sollten von den Ratsmitgliedern erkannt und nicht akzeptiert werden. Dieses Problem hat übrigens nicht nur die SPD.
Aber es ist sehr schwierig diese lang gewachsenen Strukturen zu durchbrechen, wenn man nicht in der eigenen Partei aufs Abstellgleis geschoben werden möchte.
Liebe Politiker: bitte handelt im Sinne der Stadt und der Bürger. Die Themen sind vielfältig und komplex. Und die zur Durchdringung der Sachverhalte zur Verfügung stehende Zeit knapp. Und trotzdem wäre es wünschenswert, wenn nicht nur blind der von Verwaltung oder Parteispitze vorgegebenen Meinung gefolgt werden würde. Demokratie!
Diesen Artikel empfehle ich jedem besser gleich zweimal zu lesen, denn er zeigt überdeutlich, wer agiert und wer blockiert. Und warum in der Wunstorfer Verkehrspolitik so viele Probleme hausgemacht sind. Namen brauche ich nicht zu nennen. Sie stehen im Artikel. Wenn auch einige Namen fehlen.
Unsere Probleme sind eigentlich seit Jahrezbeksnnt und benannt. Unter anderem zu wenig Parkraum in Wunstorf und Steinhude, der oft zumindest sehr ungünstig gelegen ist. Eine Innenstadt, die nicht nur in Konkurrenz zum Internet steht und Kunden, die völlig verständlich einen gewissen Einkaufskomfort erwartet. Gleichzeitig sitzen da wichtige Entscheidungsträger in ihren Wolkenkuckucksheimen und wollen uns Bürger mit Verboten erziehen, da sie es seit Jahren nicht schaffen mit Angeboten ihre Traumwelt herzustellen.
Die Ewig-Gestrigen im Rathaus mussten nun eine empfindliche Niederlage hinnehmen. Die Realistisen haben sich durchgesetzt. Es besteht also Hoffnung. Und die habe ich nun auch wieder für die SPD, die intern schon lange keine demokratische Partei mehr war.