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Innovation für arbeitende Hände: Klein Heidorner Unternehmer erfindet den Schutzhandschuh neu

01.12.2022 • Daniel Schneider • Aufrufe: 3691

Ein Unternehmer aus der Stadt ist gerade dabei, die Handschuh-Branche umzukrempeln: Ein hauteng anliegender Handschuh mit den Eigenschaften eines Arbeitshandschuhs plus Atmungsaktivität plus hohes Tastgefühl – und dabei auch noch waschbar und medizinisch zugelassen. Diese Entwicklung dürfte die Arbeitswelt im wahrsten Wortsinne verändern: nachhaltig.

01.12.2022
Daniel Schneider
Aufrufe: 3691
Nino Mai (3.v.l.) stattet die Tafeln in Niedersachsen und Bremen mit Multicare-Handschuhen aus | Foto: privat

Klein Heidorn (ds). Von Klein Heidorn aus in die Welt starten normalerweise nur die Transportflugzeuge der Luftwaffe vom örtlichen Fliegerhorst. Doch auch ein Unternehmer mit Firmensitz im „Kirschendorf“, wie der heimliche Name des Wunstorfer Ortsteils lautet, schickt sich an, von hier aus international Firmengeschichte zu schreiben. Nino Mai, in der Arbeitsschutzbranche bereits kein Unbekannter, hat in diesen Tagen ein neues Produkt auf den Markt gebracht, das nichts Geringeres als eine Weltneuheit sein soll: Ein Arbeitshandschuh, der die üblicherweise genutzten Handschuhe bei Arbeit und Freizeit überflüssig machen kann. „Multicare“ nennt sich die Markenfamilie, die Mai dafür neu geschaffen hat. Die Besonderheit: eine Zulassung für den Einsatz auch im medizinischen Bereich, womit sich ganz neue Anwendungsgebiete ergeben.

Die Wort-Bild-Marke hat man sich europaweit schützen lassen. Trotz auffälliger Ähnlichkeiten mit der eidgenössischen Flagge hat das Logo der Marke nichts mit der Schweiz zu tun – es soll an ein medizinisches Kreuz erinnern, was auch der Grünton des Produktdesigns unterstreicht. Und der medizinische Eindruck führt keineswegs in die Irre, man hat es hier tatsächlich mit einem echten Medizinprodukt der Klasse 1 zu tun. Arbeitshandschuhe mit einer Medizinzulassung – das ist der Clou hinter dem Produkt. Getragen wird der Handschuh hauteng, führt trotzdem nicht zu schwitzigen Händen, ist allergikergeeignet und lebensmittelecht – und soll dem Träger ebensolchen Schutz bieten wie ein gewöhnlicher Schutzhandschuh. Arbeitshandschuhe, die bei vielen Tätigkeiten in vielen Berufen und im Haushalt gefragt sind, können nun plötzlich wie eine Art Super-Einmalhandschuh getragen werden.

Atmungsaktiv plus hohes Tastgefühl?

Das Tragen ähnelt tatsächlich eher einem OP-Handschuh als einem normalen Arbeitshandschuh – aber ohne dessen Nachteile. Die Handschuhe sollen eine ganze Arbeitsschicht lang getragen werden können, ohne dass die Hände feucht werden oder am Ende des Tages einen penetranten Geruch des Materials angenommen haben. Wir wollen das nicht einfach glauben, sondern fragen, ob wir das ausprobieren dürfen, und machen anschließend direkt den Test – die Handschuhe sind uns dafür zur Verfügung gestellt worden:

Wir schreiben diesen Bericht mit einem Exemplar von „Multicare Feel“ – denn den Handschuh gibt es in zwei unterschiedlichen Arten: Die Feel-Version in Blau ist vor allem für die Medizinbranche gedacht, wo man filigran arbeiten muss – oder eben „am Menschen“. „Multicare Flex“ in Grau ist dagegen eher für den industriellen Bereich geeignet, die Beschichtung der Handschuhe ist hier minimal stabiler.

Textverarbeitung mit Arbeitshandschuhen. Ergebnis: funktioniert.

Das Stretchgewebe ermöglicht einen atmungsaktiven Handschuh, und durch die Sensitivität entfalle auch die Notwendigkeit, mit freibleibenden Fingerspitzen zu arbeiten: „Früher haben sich die Leute die Fingerkuppen abgeschnitten, weil es nichts anderes gab“, sagt Mai im Gespräch mit der Auepost – jetzt könne man damit sogar das Smartphone bedienen. Der Handschuh muss auch bei feinem Arbeiten nicht mehr ausgezogen werden.

Das Geheimnis dahinter: Anders als bei den typischen Handschuharten setzt Mai nicht auf eine Fertigung auf Wasserbasis, denn damit ließe sich auch keine Stich-, Schnitt-, Abrieb- und Reißfestigkeit erzielen, sagt der Unternehmer. Verwendet werde also kein billiges Polyester, sondern Nylon/Lycra, beschreibt Mai das Herstellungsverfahren. Bei Funkenflug fange der Stoff daher auch nicht an zu brennen. Am Bund würden zur Stabilisierung zwei verschiedene Strickarten verwendet.

Waschbar

Damit ergibt sich auch ein weiteres Feature: Die Handschuhe sind waschbar bei 60 bis 90 Grad. Nach dem Waschen sind sie wieder ganz normal zu verwenden. Der Handschuh ist damit – anders, als man vielleicht bei einem solchen Medizinprodukt erwarten könnte – kein Einmalprodukt und kann in bestimmten Bereichen auch Einmalhandschuhe ersetzen. Nur für sterile Anforderungen eignet er sich nicht. In der Testphase hielt der Handschuh bei einer Testerin über Monate bei regelmäßigem Waschen. Über 20-mal soll er einen Waschvorgang unbeschadet überstehen, bevor sich Abnutzungen zeigen. „Das ist eigentlich für uns geschäftsschädigend“, lacht Mai. Die Waschbarkeit lasse das Ganze für den Kunden erst richtig interessant werden, der Kauf habe sich schnell amortisiert. Schon wenn man den Handschuh nur wenige Male gewaschen habe, sei er im Verhältnis auf einmal günstiger als z. B. die bekannten Noppenhandschuhe. Für den Endverbraucher soll der Handschuh einmal für knapp 5 Euro in den Handel kommen.

„Die Kunden denken manchmal, ich erzähle ihnen was vom Pferd“

Nino Mai

Unternehmer Mai hofft etwa, dass es in Zukunft selbstverständlich sein wird, dass Besuchern z. B. in Pflegeheimen seine Handschuhe zur Verfügung gestellt werden, um der Verbreitung von Erregern entgegenzuwirken.

Der Vertrieb rollt

Mit der Kombination aus Arbeitshandschuh und Medizinzulassung will Mai nun den Markt auf breiter Ebene durchdringen. Derzeit werden Verträge mit dem Großhandel geschlossen, der Vertrieb rollt. Erste Firmenkunden – Logistiker, Einzelhandel, Gastronomie – beginnen, ihre Mitarbeiter mit der Neuentwicklung auszustatten. Seine Handelspartner dächten manchmal, er erzähle ihnen was vom Pferd, berichtet Mai – angesichts der Fülle von Eigenschaften des Produktes: Lebensmittelecht, waschbar, Touchsceen-geeignet, bio, vegan, Allergiker-geeignet, kein Schwitzen, lange Haltbarkeit und obendrauf die medizinische Zulassung. Das führe bisweilen zu ungläubigen Gesichtern, denn vor allem die Einstufung als Medizinprodukt gilt als mit hohen Hürden verbunden. Doch Mai kennt sein Produkt, hat alle Hürden gemeistert – und die Zertifikate und Labels, mit denen der Handschuh versehen ist, geben ihm Recht.

So kommen die Handschuhe in den Vertrieb | Foto: Daniel Schneider

Tausende für die Tafeln

Im kommenden Jahr soll es die Multicare-Handschuhe dann auch für den einzelnen Verbraucher zu kaufen geben, zum Beispiel in Drogeriemärkten, in Apotheken oder dem Einzelhandel. Am Mittwoch vergangener Woche stattete Mai jedoch erst einmal die Tafeln in Niedersachsen und Bremen mit einer Großspende der Handschuhe aus: über 5.600 Paar Handschuhe im Gegenwert von knapp 25.000 Euro nahm Frank Löffler als stellvertretender Vorsitzender für den Landesverband entgegen. Die Handschuhe werden an alle 104 Tafeln im Gebietsbereich verteilt. Somit gehören die Tafel-Helfer nun mit zu den Ersten, die das Produkt verwenden und damit auch nachhaltiger arbeiten können – denn nicht nur beim Lebensmitteltransport werden Arbeitshandschuhe getragen, auch die Mitarbeiter bei der Lebensmittelausgabe verwenden bislang aus Hygienegründen die typischen Latex- oder Kunststoffhandschuhe – die nach einmaligem Tragen in den Müll wandern. Mit dem Multicare-Handschuh wird das nun nicht mehr nötig sein – auch bei der Tafel trägt man ergänzend zur orangefarbigen Schürze nun Blau und Grau.

Entwickelt in Klein Heidorn

In der Redaktion haben wir die Handschuhe unterdessen wieder abgestreift – und können die Versprechungen bestätigen. Sogar am Schreibtisch fiel nach kurzer Eingewöhnung nicht mehr auf, dass man mit Schutzhandschuhen arbeitete – und die Hände kamen tatsächlich nicht ins Schwitzen. Für „gefährlichere Texte“ könnte künftig durchaus ein Paar in der Schublade liegen. Mai persönlich verfuhr genauso, während er sein eigenes Produkt langzeitprüfte: „Ich ziehe ihn zum Telefonieren an, trage ihn drei Stunden – und habe dabei nicht gemerkt, dass ich ihn trage.“

Ob sich das Handschuhtragen tatsächlich im Büroumfeld durchsetzt, muss sich noch zeigen, doch in allen anderen Bereichen will Mai den Handschuh im doppelten Sinne an die Leute bringen. Landauf, landab werden die Menschen dann ein Produkt aus Klein Heidorn tragen.

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Kommentare


  • netzwerkertom@gmail.com sagt:

    Wo werden die Handschuhe hergestellt? Habe ich das überlesen?

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