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„Hier regieren die Weißen“? – Wunstorfer Fußballer rassistisch verletzt

05.01.2023 • Redaktion • Aufrufe: 2901

Ein Auswärtsspiel der A-Jugend des 1. FC Wunstorf wird den Jugendlichen noch lange in Erinnerung bleiben: Dem Vater eines ukrainischen Spielers wird offenbar der Tod an der Front gewünscht, ein dunkelhäutiger Spieler wird rassistisch angegangen. Als der Wunstorfer Trainer interveniert, lässt das Verhalten des Schiedsrichters die Sache eskalieren. Das hat nun teils drastische Konsequenzen.

05.01.2023
Redaktion
Aufrufe: 2901
Fußballtore (Symbolbild)

Wunstorf (red). Es muss ein hitziges Spiel gewesen sein vor einigen Wochen: Die A-Jugendmannschaft des 1. FC Wunstorf war zum Auswärtsspiel gefahren, man spielte durchaus aggressiv. Dabei gerieten offenbar auch zwei russischsprachige Spieler während des Spiels verbal aneinander. Ein Wunstorfer Spieler, der vor kurzem aus der Ukraine gekommen war, soll dabei etwas wie „Es ist gut, dass Russland Ukrainer tötet“ zu hören bekommen haben. Sein Vater kämpft derzeit in der Ukraine als Soldat. Der Spieler, hart im Nehmen, steckte es weg. Doch als die Begegnung vorbei war, übersetzte er für seine Mannschaftskameraden, die ihm nun beisprangen – was in weiterer Konfrontation gipfelte: Gegenüber einem dunkelhäutigen Spieler aus Wunstorf soll die Aussage „Hier regieren die Weißen, du hast hier nichts zu melden“ gefallen sein. Der so angesprochene 17-jährige Wunstorfer steckte das nicht weg. Er war verstört, aufgebracht.

„Ich sage auch manchmal Schwatter“

Deeskalationsversuch des Schiedsrichters

Der Trainer der Wunstorfer Mannschaft, Jonas Knocke, informierte den Schiedsrichter. In der Kabine der Gastgeber sollte es dann zum Gespräch zwischen den Beteiligten kommen – der dunkelhäutige Wunstorfer Spieler wurde dazugeholt. Was nun passierte, beschreibt Knocke im Gespräch mit der Auepost immer noch sichtlich fassungslos. Offenbar in Verkennung der Situation trug der Unparteiische nicht zur Deeskalation und Klärung bei, sondern versuchte zu relativieren. „Ich sage auch manchmal Schwatter“, sagte der Schiedsrichter nach übereinstimmenden Berichten sinngemäß nun zu dem Wunstorfer Spieler.

Schiedsrichter ignoriert den Vorfall

Das war der Moment, an dem Knocke keine Basis mehr für eine Aussprache vor Ort sah. Er brach das Gespräch mit den Gastgebern ab, forderte den Schiedsrichter auf, den Vorfall in den Spielbericht einzutragen, und verließ mit seiner Mannschaft inklusive dem nun noch verstörteren 17-Jährigen die Spielstätte. Der Schiedsrichter unternahm noch einen Versuch, die Sache zu retten, doch Knocke wollte an diesem Punkt nicht weiterreden, sich unter diesen Vorzeichen auf keine Diskussion mehr einlassen. Zu aufgewühlt war die Situation. „Sowas geht gar nicht“, habe er dem Schiedsrichter gesagt, und ging davon aus, dass die Sache nun ihren Lauf nehmen würde.

„Sowas geht gar nicht“

Wunstorfer Trainer zum Schiedsrichter

Er hatte sich getäuscht. Im späteren Spielbericht fehlte der Zwischenfall. Der Schiedsrichter hatte die Vorgänge nicht erwähnt. Darauf ließ man es nicht beruhen, wurde von Vereinsseite aktiv und zeigte die Sache beim Niedersächsischen Fußballverband (NFV) an, der ein Verfahren eröffnete.

Was sagt der andere Verein?

Der Verein, bei dem die Wunstorfer zu Gast waren, betont überdeutlich auf seiner Webseite das Fairplay, spricht von Verantwortung und Respekt. Die Auepost hat nachgefragt, wie man den Vorfall dort bewertet. Beim Gespräch mit dem Vorsitzenden wird schnell deutlich: Hier prallen zwei weit auseinanderliegende Sichtweisen aufeinander. Der Vorfall wird nicht abgestritten, aber deutlich anders dargestellt. Der betreffende A-Jugend-Spieler habe nicht rassistisch beleidigen wollen, man sieht hier eher ein großes Missverständnis. „Hier regieren die Weißen“ sei so nicht gesagt worden. Man erklärt den Vorfall mit einem Filmzitat („Sind wir deine Weißen?“), das von einer Unterhaltung zwischen zwei Schwarzen stamme und das von dem Wunstorfer Spieler falsch aufgefasst worden sei. Bedauern über die Eskalation schwingt mit.

Der Umgangston sei in den letzten Jahren rauer geworden, bestätigt der Vorsitzende des gastgebenden Vereins ebenfalls. Auch den Vorfall mit den Entgleisungen beim D-Jugendspiel im vergangenen Oktober kennt er aus der Auepost und findet es schlimm. So etwas nehme zu – nicht nur im Fußball.

Noch mehr Missverständnisse

Rassismus will man damit jedoch keinesfalls kleinreden. Man tritt der Vorstellung entgegen, dass man hier eine Laissez-faire-Haltung habe. „Wir haben auch schon Spieler von uns aus ausgeschlossen, so ist das nicht“, sagt der Vereinsvorsitzende. Wer entsprechend auffalle, habe keinen Platz im Verein. In diesem Falle treffe es jedoch den Falschen. Man steht hinter dem Spieler. Der Vorsitzende wünscht sich, dass generell mehr präventiv gearbeitet wird, bereits im Vorfeld für das Thema in den Vereinen sensibilisiert wird, so dass derartige Dinge gar nicht erst geschehen müssen.

Sportplatz (Symbolbild)

Die Frage, ob es nach dem Vorfall weitere Gesprächsversuche mit den Wunstorfern gegeben habe, wird verneint. Als Grund wird das entschiedene Verhalten von Knocke genannt: Es hätte so gewirkt, dass vonseiten des 1. FC kein weiterer Gesprächsbedarf bestanden hätte. Knocke wiederum hätte sich ein deutliches Signal von dieser Seite gewünscht – zumindest, dass man das Problem verstanden habe.

Sportgericht sieht Rassismus nur beim Spieler

Das Bezirkssportgericht, das im Dezember über den Fall entschied, konnte der Erklärung mit dem Filmzitat nicht folgen und bejahte diskriminierende Äußerungen. Der Spieler, der die Aussage gemacht hatte, erhielt eine Sperre für 6 Pflichtspiele – was faktisch nun den Ausschluss aus der A-Jugend für ihn bedeutet. Gegen den Schiedsrichter wurde wegen fehlerhafter Berichterstattung eine Geldstrafe von 60 Euro verhängt. Die Verfahrenskosten trägt hauptsächlich der gastgebende Verein, ein Viertel der Schiedsrichter. Eine Berufung hält man beim auswärtigen Verein für möglich, darüber war zuletzt jedoch noch nicht entschieden.

„Schon hart“

Der Verein des so bestraften Spielers findet das Urteil zu hart. Das habe der Spieler nicht verdient, sagte der Vereinsvorsitzende im Gespräch mit der Auepost. Das empfindet auch Wunstorfs Trainer so: „Schon hart“, ordnet Knocke die Strafe sein. Das letzte A-Jugendjahr falle nun für den Spieler aus. Gerade im Vergleich zum Handeln des Schiedsrichters sei das unverhältnismäßig, auch wenn Knocke die Erklärungen zum Filmzitat ebenfalls für Ausflüchte hält. Der Schiedsrichter sei dagegen letztlich nur wegen des unvollständigen Spielberichts zur Verantwortung gezogen worden, aber nicht wegen seiner eigenen Äußerung, so der Wunstorfer Trainer.

Fair statt laissez-faire?

Wie soll es weitergehen, wie begegnet man sich in Zukunft auf dem Spielfeld? Die Frage stellen wir beiden Seiten, denn im Frühjahr werden sich die betroffenen Mannschaften im Spielbetrieb wieder auf dem Rasen sehen. Darauf hat man in den Vereinen keine rechte Antwort. Knocke hofft, dass die Situation nicht zu eisig ausfällt, dass sich aufgestaute Aggressionen nicht auf das Spiel übertragen – und auf der anderen Seite sieht man letztlich die Zeit die Angelegenheit entschärfen: Neue Spieler kommen, alte gehen, die Zusammensetzung von Mannschaften ändert sich. Dabei wünscht man sich hier wie dort im Grunde nur eines: dass man zum Fairplay zurückfindet.

Wir nennen den auswärtigen Verein an dieser Stelle bewusst nicht, da Jugendliche involviert sind und das Geschehen von Einzelnen ausging. Es soll keine Prangerwirkung entstehen. Es handelt sich nicht um denselben Verein, der im Oktober Gegenstand der Berichterstattung war. Die Namen der Beteiligten sind der Redaktion bekannt. 
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