Schröcker stammt aus Landshut, promoviert in Geschichte und wird Lehrer am Hölty-Gymnasium. Er wohnt mit Familie im damals modernsten Stadtviertel, der von Hans Bernhard Reichow und Fritz Eggeling ersonnenen „autogerechten“ Barne. Ende der 80er Jahre beginnt er sein soziales Engagement in einer Gruppe Ehrenamtlicher, die sich um „Boatpeople“ kümmert, Flüchtlinge aus Vietnam. Daraus entsteht der Arbeitskreis, und Schröcker bleibt einer der engagiertesten Helfer bis in die jüngste Vergangenheit. Er setzt sich unbeirrt für die Integration der Geflüchteten ein, und über die Jahre ist es eine bedeutende Zahl derer geworden, denen er über die Anfangsschwierigkeiten hinweghilft und den Weg ins Berufsleben ebnet.
Wenn er dabei große Hürden überwinden muss oder aneckt, nimmt er das in Kauf. Er ist ein kritischer Beobachter, meldet sich mit Leserbriefen und persönlich in den Redaktionen zu Wort. Der Umgang mit dem hochgebildeten Pädagogen ist zuweilen nicht einfach. Schröcker zeigt oft ein verschmitztes Lächeln. Aber es bleibt unklar, ob er sich amüsiert oder mokiert. In der Schule stellt er hohe Ansprüche – an Kollegium, Schüler und Eltern.
In der Stadt und darüber hinaus macht er sich in späten Jahren als Märchenkenner und -interpret einen Namen. Er sammelt Märchenstoffe aus aller Herren Länder und stellt sie allein und mit anderen in Büchern zusammen. Immer wieder liest er in der Abtei. Weniger bekannt ist seine fundierte Forschung zu Johann Christian Kestner, einem engen Freund Goethes. Der Dichter hat dem Hannoveraner Juristen Kestner mit der Figur des Albert in „Die Leiden des jungen Werthers“ ein bleibendes Denkmal gesetzt, Schröcker hat das in vorher nicht gekannter Gründlichkeit mit Kestner getan: 2010 veröffentlicht er sein Werk über Kestners „Jugend in der Mitte des 18. Jahrhunderts“ in Hannover. Schröcker stößt das bekannte Bild von Kestner darin um und schildert den Juristen und Archivar aus einer der „hübschen Familien“ des Königreichs Hannover als modernen, aufgeklärten Mann. Er gibt dem Buch den Titel „Der Eigendenker“ – eine Einordnung, die auch für ihn selbst zutrifft.
Danke für diesen würdigen Nachruf.
Alfred Schröcker war für mich geschätzter Gesprächspartner, Anreger und Mutmacher; er wurde zum Freund, insbesondere in der Zeit, die er seiner Krankheit noch abgetrotzt hat. Dafür bin ich dankbar. Jetzt fehlt er.
Ulrich Schmoll