Wunstorfer Auepost
[Anzeige]

Eberhardt für Pipeline

04.05.2020 • Daniel Schneider • Aufrufe: 1552

Sigmundshall ist geschlossen, die Stollen des alten Bergwerks müssen aber nun mit Salzwasser gefüllt werden. Dazu sollen bald jahrelang Güterwagen mitten durch Wunstorf rollen – ohne Lärmschutz, und die Sölterkreuzung bei voller Auslastung über eine Stunde täglich blockierend. Doch die Zugtransporte galten zuletzt als alternativlos. Nun aber stellt sich das Rathaus doch noch quer.

04.05.2020
Daniel Schneider
Aufrufe: 1552

Sigmundshall ist geschlossen, die Stollen des alten Bergwerks müssen aber nun mit Salzwasser gefüllt werden. Dazu sollen bald jahrelang Güterwagen mitten durch Wunstorf rollen – ohne Lärmschutz, und die Sölterkreuzung bei voller Auslastung über eine Stunde täglich blockierend. Doch die Zugtransporte galten zuletzt als alternativlos. Nun aber stellt sich das Rathaus doch noch quer.

Bahnübergang der Kalibahn an der Hagenburgerstraße. Im Hintergrund der Kaliberg. | Foto: Mirko Baschetti

Bahnübergang der Kalibahn an der Hagenburger Straße. Im Hintergrund der Kaliberg. | Foto: Mirko Baschetti

Wunstorf (as/ds). Im Rathaus bahnt sich ein Sinneswandel an: Bürgermeister Rolf-Axel Eberhardt schlägt eine Rohrleitung für den bevorstehenden Transport von Salzlauge zum Kalischacht vor. Nur „hilfsweise“ soll dem Einsatz von Kesselwagen auf der ehemaligen Trasse der Steinhuder Meer-Bahn zugestimmt werden – für den Fall, dass Kali und Salz auf dieser Lösung wie bisher beharrt. Die Zustimmung soll aber nur erfolgen, wenn bis dahin auch ein Bahnübergang mit automatischen Signalen eingerichtet ist.

Sölterkreuzung eine Stunde am Tag dicht – über 15 Jahre

Größtes Problem neben dem fehlenden Lärmschutz an den alten Steinhuder-Meerbahn-Gleisen, die durch Wohngebiet führen, ist der Bahnübergang an der Sölterkreuzung: Hier steigt der Lokführer bislang aus und schaltet die Ampeln manuell. Bis ein Zug die Kreuzung überquert hat und der Straßenverkehr wieder Grün hat, vergehen so knapp 6 Minuten. Bei 12 Zügen am Tag wären das über eine Stunde, in der die Nordstadt abgeschnitten wäre und der Verkehr sich am Stadtgraben staut. Das ginge jahrelang so, denn über 35 Millionen Kubikmeter Hohlraum müssen geflutet werden. Bis etwa Mitte der 2030er Jahre sollen die Züge nach Vorstellung von K + S rollen.

Ortsratssitzung Februar

Vorstellung der K+S-Pläne im Februar im Ortsrat durch Werksleiter Jochmaring | Foto: Daniel Schneider

Inzwischen häufen sich kritische Stimmen aus Rat und Bürgerschaft. Und Bahn-Experten warnen: Der Wunstorfer Bahnhof könne die zusätzliche Verkehrslast von täglich bis zu 12 Zügen nach und aus Mesmerode nicht verkraften. Über die detaillierte Stellungnahme zum Genehmigungsverfahren soll der Verwaltungsausschuss am 11. Mai beraten. Doch schon am heutigen Montag befasst sich dieses Gremium hinter verschlossenen Türen damit: Die FDP will das Thema öffentlich behandelt wissen. Das soll im Ortsrat Wunstorf geschehen, und die Ortsbürgermeister der betroffenen Stadtteile sollen dabei sein.

Der Bahnbetreiber könne machen, was er wolle

Über den Plan hatte Eberhardt gemeinsam mit Vertretern von K + S und der Osthannoverschen Eisenbahnen (OHE), die den Bahnanschluss für das Werk betreibt, schon im Februar einmal ausführlich im Wunstorfer Ortsrat informiert. Der allgemeine Eindruck damals war: Er befürwortet die Kesselwagen-Lösung und sieht für die Stadt wenig Spielraum bei der Entscheidung. In den großen Fraktionen hieß es bisher, die Stadt sei nicht Herr des Verfahrens, sondern die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr; die Stadt ohne Entscheidungsbefugnis. Der Eigentümer der Strecke, die OHE, habe eine gültige Erlaubnis.

Kirsten Riedel von der SPD: „Die können transportieren, was sie wollen. Die Deutsche Bahn fragt uns ja auch nicht, welche Züge wohin fahren dürfen und was sie befördern.“ Die Fraktionschefin stellt aber auch klar: Eigentlich wolle niemand die Kesselwagen-Lösung. Eine „geräuschlose und störungsfreie Lösung“, so Riedel, hätten alle gern. Aber wenn K + S nicht einlenke, könne die Stadt den Transport der Lauge auf der Schiene nicht verhindern. Genau das wird von der Verwaltung allerdings inzwischen bezweifelt – Nachweise für einen erlaubten 24-Stunden-Betrieb seien von der OHE bislang nicht vorgelegt worden.

Unbeschrankter Bahnübergang

Bahnübergang an der Sölterkreuzung (Archiv) | Foto: Daniel Schneider

Auch Christiane Schweer betrachtet das Projekt mit großer Skepsis. Die CDU-Fraktionsvorsitzende kritisiert darüber hinaus die Informationspolitik des Unternehmens: „Kali und Salz teilt alles nur scheibchenweise mit. Und schafft in aller Stille vollendete Tatsachen.“ Für die FDP, mit SPD und Grünen zu einer Gruppe zusammengeschlossen, ist das Bahn-Projekt wie ein rotes Tuch. Vehement hat zum Beispiel Ratsherr Kurt Rehkopf seit Wochen davor gewarnt und Varianten gefordert. Der Laugen-Transport werde Lärmbelastung und Verkehrsprobleme mit sich bringen. Die Stadt müsse alle Mittel ausschöpfen, die Rohrleitung am Mittellandkanal durchzusetzen.

Rehkopf wendet sich nicht nur gegen den Plan von K + S an sich, sondern auch gegen das Verfahren der Stadtverwaltung. Statt offensiv im Detail zu informieren und eine breite öffentliche Diskussion zu suchen, solle jetzt in vertraulicher Runde eine Stellungnahme verabschiedet werden. Er will heute eine Mehrheit im Verwaltungsausschuss suchen, um das Papier von Bürgermeister Eberhardt öffentlich zu erörtern. Rehkopf ist verwundert und ärgerlich, weil die Verwaltung eine Umweltverträglichkeitsprüfung laut Drucksache nicht für nötig hält.

Vorlage spricht Klartext

Eberhardts Vorlage ist umfangreich und differenziert. Er verlangt eine Lösung, die die Bürger am wenigsten belastet: „Dies ist eine Rohrleitungslösung.“ Dabei werde die Lauge, mit der der Schacht aufgefüllt werden soll, per Bahn nach Haste transportiert oder per Schiff zum Kolenfelder Hafen. Die Kesselwagen-Lösung hält Eberhardt nicht für „den geringst möglichen Eingriff in die Rechtsgüter der Bevölkerung“. Die Kesselwagen-Lösung könne überhaupt nur in Erwägung gezogen werden, wenn an der Sölterkreuzung eine hochmoderne Ampelsteuerung und Halbschranken installiert werden. Der technische Standard der aktuellen Anlage stamme aus dem Jahr 1978.

Ohne Modernisierung des Bahnübergangs sei die Lösung für Wunstorf inakzeptabel: Staus und Wartezeiten wären die Folge. Rettungsdienste hätten keine alternative Möglichkeit, in die Nordstadt zu gelangen, die Einsatzzeit im Notfall würde sich um 6 Minuten verlängern. Eberhardt plädiert nachdrücklich dafür, „primär den Transport über den Wasserweg“ zu planen, allenfalls „ergänzend die Schiene“.

Auch die Fahrdienstleiter sehen Schwierigkeiten

Gütertransport von Mesmerode

Ein Gütertransport aus Mesmerode fährt auf der OHE-Strecke durch Wunstorf (Archivbild) | Bild: Daniel Schneider

Der Bürgermeister scheint dabei Schützenhilfe von der Bahn zu bekommen: Nach Informationen der Auepost verfolgen die Experten im Betriebszentrum Hannover die Entwicklung mit Skepsis und Besorgnis. Schon jetzt müssen dort für den Wunstorfer Bahnhof täglich 800 Züge koordiniert werden. Die Kesselwagen-Züge in die Fahrpläne einzufädeln sei eine Herausforderung. Die Fahrdienstleiter seien dann enorm gefordert.

Ob es gelingen werde, den Laugen-Transport in die Fahrpläne zu integrieren, sei fraglich, berichten Eingeweihte. Ein weiteres Problem: Die alte Meerbahn-Trasse sei eingleisig. Also könne nur in einer Richtung ein Zug rollen. Parkplätze wie auf der Straße gebe es nicht, allerdings eine sogenannte Gleisharfe in der Umgebung des Bahnhofs. Dort könnten Züge warten, bis die Strecke frei ist. Auch das zu planen sei nicht einfach. Im Betriebszentrum heißt es, der Bahnhof könne diesen Zuwachs an Verkehr nicht verkraften. Die Kesselwagen müssten in der Nähe des Hochregallagers alle Bahngleise queren. Das erfordere fein abgestimmte Planungen. Gut möglich sei daher, dass die Transporte nicht nur im Wunstorfer Innenstadtverkehr, sondern auch auf der Schiene große Probleme schafften.

[Anzeigen]
Auepost wird unterstützt von:

Kommentare


  • G. Decker sagt:

    Haben die gelegentlichen- gelegentlichen!- Fahrten auf der OHE-Strecke für mich was Nostalgisches an sich; auch wenn ich mir so manches Mal als Fußgängerin an der Sölter-Kreuzung „die Beine in den Bauch“ gestanden habe, so verursacht mir die Vorstellung, dass es über Jahre hinweg zum Dauer-Verkehr auf dieser Strecke kommen soll, arges Bauchgrimmen.
    „Der Stein des Weisen“ sind die Planungen definitiv nicht.

  • Basti g. sagt:

    Das einfachste und umweltfreundlichste wäre eine Pipeline vom seelzer güterbahnhof zum wetterschacht kolenfeld ! Dann kann der Verkehr in Wunstorf weiter fließen und der Zug spart km !

  • Haster Bürger sagt:

    „Er verlangt eine Lösung, die die Bürger am wenigsten belastet: „Dies ist eine Rohrleitungslösung.“ Dabei werde die Lauge, mit der der Schacht aufgefüllt werden soll, per Bahn nach Haste transportiert oder per Schiff zum Kolenfelder Hafen.“

    Und dann findet der Güterumschlag in direkter Nähe zu den Haster Wohngebieten statt und täglich fahren dutzende LKW durch die Ortschaft Haste. Bis die Pipeline vom Güterumschlagplatz am Haster Bahnhof dann fertig ist. Einmal um die gesamte Ortschaft herum und durch die umgebenden Felder und Wälder Richtung Kolenfeld. Das belastet die (Wunstorfer) Bürger tatsächlich am wenigsten, vielen Dank für diesen Vorschlag, Herr Eberhardt!
    Die einzig bürgerfreundliche Lösung kann eine ausschließliche Anlieferung des Salzwassers über den Kanal sein, wobei hier auf die Belande der Kolenfelder Bürger Rücksicht genommen werden muss – dies ist aber von der Lage her einfacher, als es in Wunstorf oder Haste der Fall ist.

  • Basti g. sagt:

    Warum eigentlich eine Pipeline könnte man nicht zum Beispiel am seelzer güterbahnhof ein tiefes Loch bohren ( wenn die siegmundhaller so weit in die Richtung gegraben haben ) und da das Wasser reinlaufen lassen ? Oder per Schiff bis nach kolenfeld und dann diese 400m zum luftschacht eine kurze Pipeline legen ? Das Wasser verläuft sich ja unterirdisch alleine verstehe nicht warum es unbedingt nach bokeloh muss ? Was wäre eigentlich wirtschaftlicher Bahn oder Schiff woher kommt das Abwasser?

  • Markus Hagel sagt:

    Da hat jemand keine Ahnung vom Eisenbahnrecht. Es handelt sich um dem öffentlichen Verkehr gewidmete Eisenbahninfrastruktur, und zwar seit 122 Jahren. Wer also seitdem sich ein Haus dort baute oder hinzugefügt, musste mit Eisenbahnbetrieb rechnen. Jederzeit. Es gilt der diskriminierungsfreie Netzzugang.
    Wenn ein zugelassenes Eisenbahnverkehrsunternehmen dort fahren will, beantragt es eine Fahrplantrasse beim Eisenbahninfrastrukturunternehmen, bezahlt die Benutzungsgebühren und fährt. Dazu muss selbstverständlich der Bürgermeister nicht gefragt werden, das geht diesen nichts an und fällt nicht in seine Kompetenz. Wenn ein Bahnunternehmen da im 10 Minutentakt rund um die Uhr fahren will, dann dürfen die das. Ein Autofahrer fragt ja auch nicht, ob er mit seinem zugelassenen Pkw auf den öffentlichen Straßen Bokelohs herumfahren darf. Und das kann man ihm auch nicht einfach verbieten.
    Vielleicht wäre es lehrreich, statt mit der Bahn die Lauge mit LKW zu transportieren.
    Sonst fordern die Grünen doch auch Güter auf die Bahn…..

  • Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    Kontakt zur Redaktion

    Tel. +49 (0)5031 9779946
    info@auepost.de

    [Anzeigen]

    Artikelarchiv

    Auepost auf …