Honig, Honigprodukte und Bienenwachskerzen. Wer solche Messe- oder Marktstände einmal besichtigt hat, weiß um das in der Regel hochpreisige Sortiment der Anbieter. Gepaart mit dem Bild fleißiger Bienen, die unermüdlich Nektar einsammeln und Honig produzieren, liegt die Idee nahe, in das Geschäft einzusteigen.
Größenwahn und Geldgeilheit
Im Grunde, so sagt Marcel, war es eine Mischung aus Größenwahn und Geldgeilheit, die ihn dazu brachte, sich mit dem Thema Imkerei zu beschäftigen. In der Nähe des Dauercampingplatzes der Familie an der Ostsee entstand der Kontakt zu einem Imker mit 400 Bienenvölkern, der zu seinem Imkervater wurde.
Im Jahr 2015 begann es dann bei den Müller-Meißners selbst zu summen. Zunächst als Hobby, worüber er im Nachhinein froh ist, denn die Realität holte ihn schnell aus seinen Träumen. Die Arbeit, die notwendigen Investitionen und das hohe Risiko sieht man als Außenstehender kaum, Marcel konnte aber bei seinem Imkervater schnell lernen, was hinter dem idyllischen Bild alles steckt.
Erst im letzten Jahr wagte die Familie den Schritt vom reinen Hobby zum Erwerbsbetrieb und kann sich, mit derzeit 40 Bienenvölkern, zu einem überschaubaren Kreis von 500 Erwerbsimkereien in Deutschland zählen. In Luthe wurde der Betrieb über den Auftritt in sozialen Medien schnell bekannt. Aus einem Honigschrank am Straßenrand wurde nach wenigen Monaten ein Honigschuppen. Dort wird der eigene Honig vermarktet und das Sortiment durch Zukaufartikel ergänzt. Auch einige Supermärkte werden mittlerweile beliefert. Als Familieneinkommen reicht das allerdings auf absehbare Zeit noch nicht. Während Janine sich um die beiden Kinder des Paares sowie um Vertrieb, Marketing und Betriebswirtschaft der Imkerei kümmert, geht Marcel neben seinen handwerklichen Aufgaben im Betrieb noch seinem Beruf als Wachdienst der Bundeswehrstandorte nach.
Die Bienen sind, mit einem Wert von 100 bis 150 Euro pro Volk, das Kapital. „Jedes Jahr verdoppelt sich die Zahl der Bienenvölker durch den natürlichen Vermehrungstrieb der Bienen“, berichtet Marcel und zeigt damit auf, inwieweit die Imkerei in der Lage ist, aus eigener Kraft zu wachsen. Sofern alles gut geht. Unwetter, Vandalismus oder Infektionen durch die in den 1970er Jahren nach Deutschland eingeschleppte Varroamilbe sind Risiken, mit denen immer zu rechnen ist. Zur Anzahl der Bienenvölker müssen dann auch entsprechend Bienenstöcke, Honigschleuder und Verbrauchsmaterialien wie Gläser und Etiketten vorhanden sein. Letztere natürlich nur, sofern der Honig auch selbst vermarktet wird. Da ist auch schon die erste Entscheidung zu treffen, so der Imker. Den Honig könnte er auch komplett direkt nach der Ernte an die Lebensmittelindustrie verkaufen – und die Verbraucher würden ihn, verschnitten mit dem Honig vieler anderer in- und ausländischer Betriebe, unter einem Markennamen oder auch als Discountware im Regal wiederfinden.
In China sehen manche Bienen nie eine Blüte
Der Kostendruck wäre bei einem solchen Geschäftsmodell immens groß, denn heimische Imker haben dann nicht nur Konkurrenten aus der EU oder der Ukraine, sondern auch aus China. Gerade Honig aus China stellt das absolute Gegenstück zu seinem Honig dar, erklärt er und verweist auf die dort gängige Praxis, Bienenvölker in Hallen zu halten und mit Maissirup zu füttern.
Auch die Vermarktung über die Supermärkte birgt ein gewisses Risiko – und das liegt im zu großem Erfolg. Werden zu viele Märkte als Verkaufsstellen angenommen und der Honig dort stark nachgefragt, kann es sein, dass sein Lager vor der nächsten Ernte leer ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Supermärkte, die seit einiger Zeit gern mit regionaler Ware werben, dann einen verlässlicheren Lieferanten suchen, ist groß – und der Vertriebskanal zur nächsten Ernte trockengelegt.
Die Familienimkerei setzt bewusst auf das natürliche Wachstum, um keine übermäßigen finanziellen Risiken einzugehen. Wolle man schneller wachsen, müsse man Völker zukaufen. Ein Aufwand, den die Familie gern vermeiden möchte. Fünf weitere Jahre Doppelbelastung sind daher eingeplant, bis der Ertrag der Imkerei ein vollwertiges Einkommen darstellt.
Zehn Völker haben ihre Bienenstände im heimischen Garten. Das sind die Bienen zum Angucken, erklärt Marcel. Weitere Völker haben ihren Stand am Luther Wald, das ist die Kinderstube, in der die Völker das erste Jahr mit der neugeschlüpften Königin verbringen. Die alte Königin hat dann mit einem Teil des Volkes den Bienenstock verlassen – ein Augenblick, den der Imker abpassen muss, um ein unkontrolliertes Abwandern zu verhindern. Das ausgewanderte Volk wird dann in einem anderen Bienenstock einquartiert und vom Jungvolk zum Wirtschaftsvolk.
Um sortenreinen Honig anbieten zu können, müssen die Standorte richtig gewählt werden. Läge zwischen den Bienenständen und dem Rapsfeld eine Wiese mit vielen Löwenzahnblüten, hätte sich die Bezeichnung Rapshonig schnell erledigt, kann Marcel berichten. Zumal die Bezeichnungen für Honigsorten nur auf das Etikett dürfen, wenn ein Labor die Zusammensetzung bestätigt hat. Auch wenn ein Honig aus verschiedenen Blüten ein leckerer und hochwertiger Honig ist – Geld ist für die Familienimkerei am besten mit den reinen Sorten zu verdienen.
Da Pflanzen nicht das ganze Jahr hindurch blühen, müssen die Bienenvölker immer wieder umziehen. Nach der Obstblüte geht es für die Bienen in den zum größten Teil heimischen Raps, und danach, zur Lindenblüte, bringt der Imker seine Wirtschaftsvölker zum Teil bis nach Brandenburg, ist diese vorbei, geht es wiederum zu Sonnenblumenfeldern in die Nähe von Helmstedt. Eine Menge logistischer Aufwand, denn die Bienenstöcke müssen regelmäßig kontrolliert und bei Ende der jeweiligen Blüte beerntet werden – bevor sich der Nektar anderer Blüten ansammelt. 17 Prozent Wasser darf der Honig zu diesem Zeitpunkt noch enthalten. Läuft alles richtig, kann pro Jahr und Volk mit einer Ernte von rund 30 Kilogramm kalkuliert werden.
Da Honig, der, egal ob er aus dem Supermarktregal oder aus dem Direktvertrieb vom Imker, den Weg auf die Frühstückstische gefunden hat, eigentlich die Bienenvölker über den Winter ernähren sollte, ist auch in der kalten Jahreszeit eine regelmäßige Kontrolle der Bienenstände angesagt. Mit einem speziellen Futterteig wird ein Verhungern der Bienen verhindert, und bei strengem Frost werden die Völker, die sich in einer Traube um die jeweilige Königin geschart haben, mit Isolierung vor dem Erfrieren geschützt. 28 Grad benötigt die Königin, um den Winter zu überleben – eine Temperatur, die dem ganzen Volk eine Menge Energie abverlangt.
Das behutsame Wachstum hat das große Geschäft bisher verhindert. Trotzdem gesteht Marcel ein, dass das Imkern letztendlich wie eine Sucht ist. Zwischen Hobby und Professionalität zu stehen erlaubt der Familie auch, mit Produkten, Vertriebsweg und Angeboten wie Bestäubungsservice für Landwirte etwas zu experimentieren.
Auch wenn sie sich in ihren Planungen noch nicht allzu sehr festlegen müssen … eines hat Marcel Müller-Meißner einkalkuliert: Zwischen drei und zehn Stiche pro Jahr kassiert er von den Bienen, die mit seinem Besuch am Bienenstand nicht ganz einverstanden sind.
Interview: Mirko Baschetti
Text: Andreas Lange
Dieser Text erschien zuerst in Auepost #16 (02/2021).
Marcel mach mal wieder eine Kneipe auf!