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7-mal brillant: Wunstorfs erster Poetry Slam sprengt die Abtei

15.03.2023 • Daniel Schneider • Aufrufe: 1361

Den 1. Wunstorfer Poetry-Slam gewann Mia Heuse aus Hildesheim. Der Auftakt war ein riesiger Erfolg, nun soll sich das Format fest in Wunstorf etablieren – und könnte künftig sogar ins Stadttheater ziehen.

15.03.2023
Daniel Schneider
Aufrufe: 1361
Jesper Schwarzer auf Startplatz 3 | Foto: Malte Süß

Wunstorf (ds). Auf Veranstalterseite war man zu Anfang durchaus noch etwas skeptisch gewesen: Würde sich genügend Publikum zum ersten Wunstorfer Poetry Slam am 11. März einfinden? In Steinhude hatte es in der Vergangenheit schon einmal Poetry Slams z. B. auf der Seebühne gegeben, aber ohne Kartenverkauf, und in der Kernstadt war es ohnehin eine Premiere.

Die Sorge war unbegründet. Wunstorf schien sehnsüchtig auf Poetry Slam gewartet zu haben: Nur wenige Karten hatte es noch an der Abendkasse gegeben, und 10 Minuten vor Veranstaltungsbeginn war man ausverkauft: tatsächlich mussten einige Interessierte kurz vor knapp noch abgewiesen werden, die Brandschutzbestimmungen in der Abtei ließen nicht zu, dass sich mehr Menschen in den Saal quetschten. Der Saal war bereits bis zum letzten Sitzplatz gefüllt, auch an den Stehtischen am Ende des Raumes fanden noch manche Platz.

Großartige Atmosphäre

Über 100 Menschen waren somit dabei, als Veranstalter und Moderator Tilman Döring den Poetry Slam pünktlich um 19.30 Uhr eröffnete – und die Atmosphäre war entsprechend großartig. Und keineswegs nur Poetry-Slam-Neulinge saßen im Publikum der Abtei: Viele hatten bereits Slam-Erfahrung gesammelt und waren gerade deswegen gekommen.

Publikum in der Abtei | Foto: Daniel Schneider
Pauline Prigge und Matti Linke | Foto: Malte Süß

Döring erklärte die Regeln sicherheitshalber trotzdem so, als hätte er es mit Slam-Erstbesuchern zu tun: Dinge wie Zeitlimit und Bewertungspunkte wurden genau erklärt, die Applausarten durchgespielt und die Jury sorgsam instruiert, bevor Döring selbst als Erster ohne Wertung den Abend eröffnete – und prompt einen gefühlten 8-Punkte-Applaus erhielt.

Das Stadtmarketing sollte sich allerdings noch einmal die Frage stellen, ob man dagegen anarbeiten sollte, in der Region als Kuh-Stadt bekannt zu sein. Döring schien energiegeladen und doch locker, bildete den verbindenden, ruhenden Pol des Slams. Die Künstler stellte er als professionell bis semi-professionell vor, ohne ins Detail zu gehen.

Witzig bis todernst

Zuvor war mit Hilfe einer Unparteiischen aus dem Publikum die Reihenfolge der Beiträge ausgelost worden. Döring gab den Rahmen schwungvoll-witzig vor und bewegte sich sicher auf ironischem Parkett, als er sogar die Anspielung darauf, dass beim Poetry Slam nicht immer alles lustig ist, lustig verpackte: „Seid ihr gut drauf? Ja? Gut, gleich nicht mehr …“

Matti Linke beim Vortrag

Die Bandbreite der Themen reichte in der Tat von Nachdenklich-Kritischem über Nachdenklich-Betroffenheitauslösendes bis Nachdenklich-Pointiertes. Matti Linke nahm die Perspektive eines russischen Studenten im Ukrainekrieg ein, Ýr Estrid Langhorst lenkte den Blick auf Innenansichten aus der Psychiatrie („alle Wege führen nach Wunstorf“) und definierte die Antwort neu, ob man mit Gags über ernste Erkrankungen Lacher ernten kann – und Pauline Prigge kleidete toxische Beziehungen in einfühlsame Worte.

„Ich habe 8 Jahre in Hildesheim gelebt und war 8 Jahre schwer depressiv“

Ýr Langhorst

Erst Gegen 21 Uhr hatte man die Halbzeitpause erreicht – der Abend zog sich stark Richtung Mitternacht. Die Veranstaltung zog dabei alle Altersklassen an, es war ein ausgewogener generationenübergreifender Abend: Von Mittzwanzigern über die Mittdreißiger, Mittvierziger bis zu den Mittsiebzigern reichte die Palette im Publikum. Susanne de Riese von der Stadt Wunstorf freute sich über das auch deutlich jüngere Publikum, als es sich üblicherweise bei Wunstorfer Kulturveranstaltungen einfindet.

Wenn sogar das Mikro improvisiert …

Tilman Döring moderiert

Das Improvisierte, mit denen Slams oft kokettieren, stellte sich dann allerdings ausgerechnet bei der Technik ein: Die mobile Mikrofonanlage wollte nicht so, wie Döring wollte – beim ersten Vortrag fiel das Mikro sogar ganz aus. Das war Döring sichtlich unangenehm, er entschuldigte sich bei Inga „Bolle“ Lohrmann, der ersten Poetry-Slammerin. Die ließ sich im Vortrag jedoch nicht aus der Fassung bringen. Dazu bestand auch gar kein Anlass – die Akustik im Veranstaltungssaal in der Abtei ist so gut, dass sie auch ohne Mikro überall verstanden wurde.

Pauline Prigge | Foto: Daniel Schneider

Die amüsante Schiene wählte auch Jesper Schwarzer, der bereits Publikumserfahrung in großen Hallen und auf Lesungen gesammelt hat und für den dritten Startplatz ausgelost wurde. Dennoch war es auch für den Wunstorfer Gymnasiasten eine Premiere, wenn auch als Heimspiel: Zum ersten Mal nahm er an einem großen Poetry Slam teil. Das merkte man ihm nicht an, unter den Vortragenden wirkte er wie einer der erfahreneren Künstler. Mit allen Thorstens im Publikum hatte er es sich zwar sofort verscherzt, aber er überzeugte nicht nur das Wunstorfer Publikum, sondern auch Döring – demnächst tritt Schwarzer nun auf dessen Einladung bei einem Poetry Slam in Hannover auf.

Knappes Finale

Einen Lokalbonus gab es dennoch nicht: Ins Finale kamen Matti Linke, Mia Heuse und Erik Leichter. Den Sieg sicherte sich schließlich in einer knappen Entscheidung im direkten Publikumsvotum Mia Heuse – die über Brillengläser und deren Komplikationen reimte. Mit ihrem feinen Humor war sie gut angekommen in der Abtei.

Siegerin des 1. Wunstorfer Poetry Slam: Mia Heuse | Bild: Malte Süß

Lokal wurde es dann wieder bei den Preisen für die Sieger: Honig von der Familienimkerei Müller-Meißner. Zweimal noch will Döring die Abtei erneut voll bekommen – und dann, wenn sich das Format in Wunstorf etabliert hat, am liebsten direkt ins Stadttheater umziehen. Der nächste Termin ist schon gesetzt: Am 16. September findet der 2. Wunstorfer Poetry Slam in der Abtei statt.

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