Sehr groß ist sie noch nicht in Wunstorf, die Bewegung der Klimaaktivisten. Sechs Aktive gibt es, einer ist derzeit zum Studienaustausch in den USA. Aber sie hoffen auf viele weitere Mitstreiter, denn „ich allein kann nichts machen“, sagen sie. Einzelne können viel beitragen, aber nicht im Alleingang das Klima retten. Es geht ihnen dabei gar nicht so sehr um Verbote, wie oft angenommen werde, sondern um die Bewusstmachung. Das Verständnis der Menschen soll geweckt werden, dass man von seinem derzeitigen – klimaschädlichen – Verhalten letztlich nicht profitiert.
Vor allem aber die Politik soll in die Gänge kommen, auch auf lokaler Ebene. Nicht nur durch weniger Autos und mehr Grün in der Innenstadt, sondern durch die Ausrufung des Klimanotstandes: Jedes Verwaltungshandeln sollte grundsätzlich auch an dem Aspekt der Klimaverträglichkeit gemessen werden. Zwar gebe es ein städtisches Klimakonzept, aber Berichte dazu würden nicht veröffentlicht. Klimapolitik sei auch in Wunstorf vor allem Symbolpolitik. Hier eine Aktion, dort eine Aktion, aber es fände keine nachhaltige Entwicklung für mehr Klimaschutz statt.
Die Freiheit des Einzelnen wird hochgehalten, aber auch die Verantwortung des Einzelnen. Wo jemand seiner Verantwortung nicht nachkommt, müsse es letztlich dann auch Verbote geben. Das sei dann so etwas wie Notwehr, wenn man Maßnahmen zur Rettung des Klimas ergreife, die die Freiheit einschränkten. Es sei auch leichter, Klimaziele zu erreichen, wenn alle mitmachten, sonst würde der Einzelne sagen: „Mein Nachbar fährt doch auch einen dicken SUV, warum soll ausgerechnet ich darauf verzichten?“ Daher müsse endlich ein gesamtgesellschaftliches Umdenken stattfinden. Es ginge nicht so weiter wie bisher, dass immer mehr Waren, Lebensmittel und Kleidung produziert würden. Es fehle einfach die Auseinandersetzung im Alltag. Ein Schulfach „Konsumkritik“ könnten sich alle gut vorstellen.
Sie gehen mit gutem Beispiel voran. Keno ist Vegetarier, Elias Veganer. Finn verzichtet jedoch nicht auf Fleisch bei der Ernährung, und das müsse er auch nicht, erklären die drei Klimakämpfer. Man könne auch das Klima schützen, wenn man sich nicht rein vegetarisch ernähre. Das sei auch nicht von heute auf morgen passiert, sondern ein Erkenntnisprozess gewesen, erzählt Keno. Vor drei Jahren habe er sich noch nicht vorstellen können, jemals auf Fleisch verzichten zu können, da wäre einfach viel zu viel Leckeres gewesen. Inzwischen lebt er rein vegetarisch.
Finn gleicht seinen prinzipiell CO2-schädlichen Fleischkonsum beispielsweise an anderer Stelle aus, indem er konsequent auf Autofahren verzichtet. Allein fährt er nur Bus, Bahn und Fahrrad – und will ihn jemand mit dem Auto mitnehmen, dann überzeugt er am Ende denjenigen, mit ihm lieber den Zug zu nehmen.
„Klimaschutz muss wehtun“
Im Gegensatz zu den Kernstädtern Elias und Finn hat Keno als Steinhuder erschwerte Bedingungen, aber auch er verzichtet aufs Auto. Einen Führerschein hat der 19-Jährige nicht, und er will auch nie einen machen. Zum Quartiergespräch ist auch er mit dem Bus gekommen. Das bedeutet allerdings auch, dass er früher losmuss als die anderen, da er nicht auf die Nightline warten will. Das Busangebot in Wunstorf ist nicht das beste zur abendlichen Zeit. Darauf angesprochen, dass Wunstorf mit dem computergesteuerten Retax-Bus in den 80er Jahren schon einmal ein nahezu perfektes Nahverkehrssystem hatte, von dem heute wieder geträumt wird, bleibt er dennoch kritisch: Es komme nicht nur darauf an, dass alle 5 Minuten ein Bus fahre, wenn man einen brauche, sondern man müsse auch eine Balance finden zwischen Umweltverträglichkeit und den Bedürfnissen der Menschen. Das würde dann bedeuten, auch mal länger auf einen Bus zu warten, wenn dadurch CO2 gespart werden kann.
Den nun beschlossenen Fahrradparkturm halten sie für schlimmste Symbolpolitik. Wunstorf brauche keinen Turm für Fahrräder, Fläche für konventionelle Fahrradständer sei schließlich genug da – man müsse nur ein paar Autoparkplätze dafür zurückbauen. Andererseits seien Plastikentenrennen auf dem Altstadtfest nicht per se böse, auch dafür ließe sich eine Lösung finden, z. B. mit wiederverwendbaren Enten oder Leihenten.
Als sie im Oktober zum ersten Mal einen Stand in der Fußgängerzone aufbauten, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, hatten die Fridays-for-Future-Leute Begegnungsschwierigkeiten. Viele dachten, dass da etwas verkauft werden solle. Dabei ging es wirklich nur um Überzeugungsarbeit und Information. Freundlich seien die Gespräche allesamt verlaufen, erzählt Elias, der selbst am Stand mit dabei war. Hitziger ging es auf Facebook zu, wo die Auepost ein Foto der Aktion eingestellt hatte. Hier kamen die typischen Vorwürfe zusammen. Diese hören die drei häufig. Vor allem, dass man mit den Demonstrationen nur noch mehr CO2 durch dann im Stau stehende Autos verursachen würde. Oder dass den Demonstrationen ein Dieselfahrzeug der Polizei voranfahren müsse. Oder dass man doch selbst Vorschläge machen solle, statt nur zu demonstrieren.
Doch die Argumentationsebenen liegen hier meilenweit auseinander, das wird schnell klar: Denn natürlich geht es Fridays for Future um die Sache – die Änderung des Blickwinkels. Das Polizeifahrzeug sei legitim, da es diesem Ziel diene, und würden die Autofahrer ihren Wagen stehen lassen und stattdessen zur Demo kommen, entstünde das Problem mit dem Stau erst gar nicht. Die Kritiker würden allzu oft einfach versuchen, mit Kritik von sich selbst abzulenken. Aber genau das soll sich ändern: Die Menschen sollen das Problem auch bei sich selbst sehen, nicht nur bei anderen. Störungen des Alltags sind dabei Mittel zum Zweck.
„Arbeit, wie sie jetzt ist, sollte es nicht geben.“
Die erste Demo sei daher auch ein Erfolg für die Gruppe, sagt Keno. Es wären viel mehr Menschen gekommen als erhofft, und vor allem auch viele Ältere. Die positive Stimmung, etwas auf den Weg zu bringen, das Gefühl des Zusammenhalts, war ein gutes Gefühl. Ein Traum wäre es für sie, wenn in Wunstorf demnächst einmal 3000 Leute auf die Straße gehen würden.
Wann bei Diskussionen die Schmerzgrenze erreicht ist, wollen wir wissen. Beleidigungen könne er wegstecken, sagt Keno stellvertretend. Die Grenze sei für ihn erreicht, wenn er merke, dass sein Gegenüber mit falschen Tatsachen argumentiere, z. B. den Klimawandel leugne und sich dazu auf unseriöse bis absurde Quellen berufe. Gegen eisern verteidigte falsche Grundlagen anzuargumentieren sei verschwendete Energie.
„Ich hab‘ keinen Führerschein, ich mach‘ keinen Führerschein“Keno Heinrich
Mitglied einer Partei sind sie nicht und können sich auch nicht vorstellen, einer beizutreten. Politisch sehen sie sich selbst eindeutig links. Die Veränderungen, die zum Schutz des Klimas ergriffen werden sollen, sollen auch sozial gerecht sein. Die Ablehnung des Kapitalismus gehört dazu. Dieser habe letztlich dazu geführt, dass der Mensch gegen seine Natur lebe, immer nur auf Wachstum und die Vermehrung der persönlichen Vorteile aus sei. So könne es aber nicht weitergehen, wenn der Mensch – und die Erde – überleben wolle. Starkes lokales Wirtschaften statt globalem Welthandel sei die Zukunft. Dafür Bewusstsein zu entwickeln, wäre ein Baustein auf dem Ziel zur Klimaverträglichkeit. Wer scheinbar klimaneutrale Waren kaufe, die in China produziert und mit dem Schiff geliefert wurden, betreibe Greenwashing. Bei vielen Produkten lässt sich das oft gar nicht mehr vermeiden. Keno behilft sich mit Gebrauchtkaufen: Möbel oder Kleidung besorgt er sich aus dem Second-Hand-Handel in Wunstorf. „Es gibt genug Möglichkeiten“, sagt er. Seine aktuell getragene Garderobe hat der Student komplett beim Kleiderladen erworben – sein Pullover, der genauso gut auch aus einer Designer-Boutique hätte stammen können, hat 3 Euro gekostet.
Geld spenden an Fridays for Future könne man, aber auch das sei letztlich nur eine Beruhigung des eigenen Gewissens. Viel besser wäre es, selbst mitzumachen. Das könne schon bedeuten, bewusster zu leben.
Dieser Bericht erschien zuerst in Auepost 11/2019
Ihr macht eine super Sache schön gegen die Wirtschaft, für dieselfahrverbot, gegen Kohle und Atomstrom und die Autos sollen elektrisch fahren ! Die Windkraftanlagen vernichten Vögel und solarplatten sind Sondermüll, lithium Akkus die Wasser ohne Ende vernichten ! Jungs denkt doch mal ein bisschen nach geht arbeiten sonst bekommen wir alle keine rente