Viele Wunstorfer säumen die Straßen, wenn der große Festumzug durch die Straßen führt. Doch das eigentlich Faszinierende beginnt davor: Wenn alle Teilnehmer, Kompanien, Schützen, Vereine, Spielmannszüge und Festwagen sternförmig auf den Marktplatz zusteuern.
Und jedes Mal gelingt es wieder, das scheinbare Chaos in geordnete Bahnen zu lenken. Die Choreographie des Schützenausmarsches entfaltet eine eigene Faszination. Denn eine Generalprobe gibt es nicht – es funktioniert trotzdem immer. Dafür sorgt im wahrsten Sinne des Wortes die Führungsstärke der jeweiligen Hauptmänner und ihrer Adjutanten, die die Kompanien lenken. Jede Kompanie hat ihr eigenes angestammtes „Aufmarschgebiet“ in der Fußgängerzone.
Schützenfestkommandeur Axel Brockmann, Wunstorfer CDU-Ratsherr und im zivilen Leben Niedersachsens Polizeipräsident, nennt später die Zahl: 1.864 Menschen sind offiziell zum Mitmarschieren angetreten, mehr als doppelt so viele wie beim Kinderschützenfest am Tag zuvor – und bereits zu diesem Termin schien die Innenstadt aus allen Nähten zu platzen.
Eine Stunde, bevor die ersten Schützen eintreffen, ist nur eine Frau auf dem Posten: Erste Stellvertretende Bürgermeisterin Kirsten Riedel sitzt auf der Mauer an der Stadtkirche in der Sonne und wartet auf den Mitarbeiter, der ihr das Mikrofon anschaltet. Denn sie wird gleich den Einmarsch der Formationen moderieren und die Besucher und Zuschauer mit Hintergrundinfos zum Geschehen versorgen.
Bevor sie sich am Marktplatz vereinen, sind vor allem die verschiedenen Kompanien bereits vorab unterwegs durch die Wunstorfer Straßen: Aus ihren Standquartieren machen sie sich auf den Weg in die Innenstadt und sind dabei unterschiedlich lange und auf unterschiedlichen Strecken unterwegs. Diesmal trifft die Nordstadtkompanie als Erstes ein. Als Letztes schlägt die Oststadtkompanie auf – sie hat allerdings auch den weitesten Weg, wie Riedel direkt am Mikrofon betont.
Dann übernehmen Bürgermeister und Kommandeur, es wird angetreten, gemeldet – und bald schon kann es dann losgehen auf die große Reise zum Schützenplatz. Getränke sind bei heißem Wetter wichtig für den Marsch – sie sind mit im Marschgepäck oder werden manchmal auch extra vom Straßenrand gereicht. Die Zylinder, die bei den Mitmarschierern oft über Generationen „gehütet“ und weitervererbt werden, sind auch ein Sonnenschutz. Regenschirme in den Stadtfarben tun es bei den Damen der Altstadtkompanie auch. Marschiert wird in den Kompanien getrennt: Die Kinder vorneweg, dann die Damen, dahinter die Herren. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Für die große Runde durch die Innenstadt geht es vom Marktplatz aus über die Südstraße zunächst nach links über den Stadtgraben Richtung Medicum, nach einer Schleife zurück über den Stadtgraben zum Düendorfer Weg, über die Barnestraße, Lange Straße und In den Ellern schließlich auf den Schützenplatz. Gute 10 Minuten dauert es, bis der große Umzug einmal komplett an einem Punkt vorbeigelaufen ist – insgesamt sind die Marschierenden eine gute Dreiviertelstunde unterwegs.
Allen Vereinen und Organisationen steht die Teilnahme offen, aber meist sind es die „alten Bekannten“, die wieder mitmarschieren. Und natürlich die Spielmannszüge, die sich zwischen den übrigen Formationen den Takt angeben. Die Feuerwehr Wunstorf läuft mit – inklusive Kinder- und Jugendfeuerwehr. Der Tanzkreis ist zu sehen, Jägercorps und Sportler. Das LTG 62 ist traditionell ebenfalls dabei, in diesem Jahr zum ersten Mal angeführt von Kommodore Markus Knoll, der zu Jahresanfang den Fliegerhorst Wunstorf übernahm.
Der Abschlusswagen wirkt stellenweise mal wieder, als hätte das Naturerlebnisbad das Schützenfest mit der Loveparade verwechselt – ist aber längst auch eine Tradition in der Tradition geworden. Im Freibad-Look ist man wie immer hoch auf dem Mottowagen unterwegs und versorgt die Zuschauer entlang der Straßen neben Rhythmen vom Band mit jeder Menge Bonbons. Bei den Jüngeren am Straßenrand kommt das besonders gut an. Bonbons fliegen natürlich auch von anderen Wagen und aus Taschen – auch Bürgermeister Carsten Piellusch hält an diesem Element, das sein Amtsvorgänger beim Schützenfest etabliert hatte, fest. Für Kinder wird der Ausmarsch zum willkommenen Wettbewerb: Wer erhascht die meisten Bonbons.
Mit wie viel Engagement mancher Wagen ausgestattet wird – dafür könnte man fast ebenfalls einen Preis ausloben. Neben dem Naturerlebnisbad hat das Demokratiebündnis viel Herzblut in die Deko ihres Gefährts gesteckt – die überparteiliche Gruppe ist in diesem Jahr das erste Mal beim Schützenfest dabei und hat angesichts der nahenden Europawahl gleich einen Fokus auf eben diese gelegt.
Siehe auch: Der große Festumzug zum Wunstorfer Schützenfest 2024 im Video
Siehe auch: Fast 1.000 Kinder ziehen durch die Stadt – und der Bürgermeister redet Unsinn
Es ist vorbei, ein Glück