Man kann sagen, was man will: Eine Messe ist und bleibt etwas ganz Besonderes. Das Zusammenkommen von Wirtschaft und Besuchern an wenigen Tagen, die Konzentration und Aufmerksamkeit für Handel und Dienstleistung für eine eng begrenzte Zeit, in der Kunden und Interessierte auf Anbieter und Infogebende treffen, im echten Leben und im persönlichen Gespräch – dieses Konzept hat auch in Zeiten von immer mehr Virtualität im Alltag nicht nur seinen angestammten, sondern auch berechtigten Platz.
Die Atmosphäre, die Messen innewohnt, ist nicht zu unterschätzen, und die Wunstorfer Wirtschaftsmesse ist das Paradebeispiel: Das Vibrieren, das man fühlen zu können meint, wenn so viele Menschen in Erwartungshaltung an einem Ort zusammenkommen, sowohl auf Besucherseite als auch Ausstellerseite, schafft eine ganz eigene Basis für Kontakte. Anbieter und Besucher begegnen sich aufgeschlossener, als dies anderswo möglich wäre.
Das typische Messe-Erleben unterstützt die Erfahrung: Das tatsächliche Vibrieren der Holzbodenplanken, die auch verlegter Teppich nicht abzufedern vermag, wenn sich im Minutentakt Menschen durch die Gänge schieben. Das leicht diffuse Licht, das das durchs Zeltdach eindringende Sonnenlicht über den Ausstellungsständen erzeugt. Der Geruch von Popcorn, Pommes und Kaffee gleichzeitig. Platzende Luftballons, wenn es jemand mit der Heliumfüllmenge übertrieben hat. Die Präsente, die zum Einfach-so-Mitnehmen oder als Gewinn bei kleinen Spielen locken. Das Dauergemurmel und Stimmengewirr, das sich als Klangteppich über die Gänge legt und alle Gespräche zu einem großen Ganzen zusammenzufügen scheint.
Dies alles bildet den Rahmen auch für das Wunstorfer Wirtschaftswochenende, das nun ins 22. Jahr geht. 2026 wird es wieder so weit sein. Am zurückliegenden 18. Mai ging die 21. Ausgabe zu Ende. Vor allem die Handwerksbetriebe wurden vermisst, das ist kein Geheimnis. Ihre Präsenz ist seit einigen Jahren stark rückläufig. Messe-Chef Manfred Henze und sein Team arbeiten daran, auch sie künftig wieder für einen Messeauftritt zu begeistern.
Die Lücke füllen andere Angebote – und schaffen Raum zum Ausprobieren und Entdecken von Dingen, die sonst vielleicht nie gefunden worden wären. Die Wunstorfer Messe bleibt dabei Fläche für die ganz Großen, aber auch die kleinen Perlen.
Immer wieder kommt es dabei auch zu Überraschungen – zu Unerwartetem, mit dem man im Messeangebot typischerweise nicht gerechnet hat. Im vergangenen Jahr war es etwa das Bestattungsinstitut, das einen Sarg mitgebracht hatte und bemalen ließ. In diesem Jahr stutzen die Menschen gleich am Eingang zum Zelt, als sie Anette Schulz-Zimmermann entdecken. Die Neustädterin ist Trauerberaterin – und sticht mit ihrem „TrauerNaturCoaching“ aus den übrigen Angeboten heraus. Statt Luftballons und knallige Farben sind hier erdige Töne und ein emotional besetztes Thema präsent. Schulz-Zimmermann nutzt die Messe, um an das Thema heranzuführen und ihre Philosophie und Arbeitsweise vorzustellen, wie es ihr gelingt, den Klienten neuen Halt zu geben. Das Foto auf ihrem Roll-up ist selbst gemacht – aber ins Gebirge muss man nicht für eine Sitzung – jedes Fleckchen Natur kann zum „Sprechzimmer“ werden.
Erwartbarer geht es wenige Schritte entfernt zu, wo sich Familie Gehrmann am Hyla-Stand ins Zeug legt. Als Vertriebspartner der bekannten Staubsaugersystemfirma tritt man auf – und führt „den Hyla“ vor, der nicht nur ein Staubsauger sein will, sondern ebenfalls ein Lebensverbesserer. Als „Luft- und Raumreinigungssystem“ wird er vermarktet und kostet mit über 2.000 Euro so viel wie ein alter gebrauchter Kleinwagen. Das ist erklärungsbedürftig, und Bianca Gehrmann ist sofort im Erklärmodus. Darf man trotzdem „Staubsauger“ zum Produkt sagen, obwohl das angeblich nicht gerne gehört wird? „Na sicher“, wiegelt Gehrmann ab und geht sofort über in die Produktpräsentation. Von Vetreterattitüde keine Spur – so sympathisch hat wohl noch nie jemand einen Staubsauger auseinandergenommen.
Jedes Detail des Geräts wird genauso erklärt wie das allgemeine Prinzip des auf Wasserfilterung basierenden Staubsaugers – Filterbeutel oder ein Staubauffangfach kennt der Hyla nicht. Der aufgesaugte Schmutz wird direkt im Wasser gebunden. Der typische Staubsaugergeruch entsteht erst gar nicht – stattdessen kann der Staubsauger duften. Nur in einem Punkt muss das Gerät passen: eine Saugroboterversion gibt es nicht, Staubsaugen bleibt hier Handarbeit.
Dass Energie, Klima und Lebensqualität ein Schwerpunkt der diesjährigen Messe ist, zeigt auch ein Stand in der Mitte des Zeltes. Dort steht die Firma Raumluft24. Es ist fast ein Heimspiel, das Familienunternehmen in dritter Generation ist in Barsinghausen ansässig. Aber das Produkt ist europaweit zu haben und steht für besondere Qualität: Die Klimatechnik punktet mit wertiger Metallbauweise und wird nicht am anderen Ende der Welt, sondern in der EU gefertigt. Auf der Wunstorfer Messe lässt sich die Technik direkt anfassen – die Haptik entscheidet mit.
Die Fenster und Türen zum Haus, in das man Klimatechnik einbauen will, gibt es auch gleich nebenan, ebenso wie ganze Küchen zum Entdecken oder Kaminöfen. Ofenbauer sind dieses Jahr gleich mehrfach vertreten.
Auf dem Freigelände schleichen die Menschen um die Autos herum und staunen darüber, wie sich die Fahrzeugwelt weiterentwickelt hat. Das Interesse scheint groß an den Fahrzeugen – und das nicht nur an den motorisierten. Viele Angebote zur Mobilität sind nebeneinander versammelt und greifen Hand in Hand.
Natürlich dürfen die Aktionen und Give-aways nicht fehlen. Am Stand von Enpal werden den ganzen Tag Enten geschätzt. Was auch Promotion fürs Wunstorfer Entenrennen sein könnte, ist ein Gewinnspiel, um einen Rasenmäherroboter zu ergattern. Wer am nächsten dran ist an der gesuchten Zahl, gewinnt. Lucas Wegner betreut den Stand und weiß selbst nicht, wie viele Enten im Kasten sind – aus Sicherheitsgründen, um gar nicht erst in die Verlegenheit zu kommen, aus Versehen Tipps zu geben. Genannt werden viele Zahlen an diesem Tag – die höchste Schätzung liegt bei 80 Enten.
Direkt mitnehmen kann man seinen Gewinn beim Stand der Tafel Wunstorf – aber das ist schwieriger als gedacht. Hier soll man 5 Lebensmittel danach sortieren, wie lange diese nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch haltbar sind. Die meisten haben eine ungefähre gute Vorstellung, verschätzen sich jedoch bei einzelnen Produkten stark. Schokolade beispielsweise ist längst nicht so haltbar wie gedacht.
Der Verdacht von Ursula Jungbluth, die am Stand das Spiel mitbetreut: Schokolade werde zu schnell aufgegessen, als dass sich die Leute darüber Gedanken machen können. Richtig liegen beim Lebensmittelschätzen vor allem Senioren mit viel Lebenserfahrung – und ganz junge Leute, die sich gerade im Unterricht damit beschäftigt haben.
Vereine und Organisationen sind auf der Wunstorfer Wirtschaftsmesse traditionell ebenso gern gesehen, und vor allem die Blaulichtszene ist wieder stark vertreten: Johanniter, THW, DLRG und DRK sind dabei, lassen sich über die Schulter schauen und zeigen die Vielfalt im Wunstorfer Ehrenamt.
Mit dem Messeabschluss am bekannten Sonntagabend zeigt sich wieder einmal: Zwei Tage reichen kaum, um alles auf der Wunstorfer Wirtschaftsmesse einmal genau gesehen zu haben. Aber die Gewissheit besteht ebenfalls: Die nächste Messe kommt – die Planungen für kommendes Jahr laufen schon wieder an.
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