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Wahlen 2021: Die Auestadt ist rot

29.09.2021 • Daniel Schneider • Aufrufe: 1727

Die SPD geht allseits gestärkt aus Kommunal- und Bundestagswahl hervor – doch die Grünen sind ihr auf den Fersen. Bitter dagegen die Ergebnisse für CDU und AfD.

29.09.2021
Daniel Schneider
Aufrufe: 1727
Carsten Piellusch
Carsten Piellusch am Abend seiner Wahl | Foto: Achim Süß

Wunstorf (ds). Dieses Wahljahr war im Voraus überhaupt nicht einzuschätzen: Corona, Klimakrise, Afghanistan, Volten im Bundestagswahlkampf – und zwischendrin die kleine Bürgermeisterwahl in Wunstorf. Wie würde sich das auswirken? Würde Grünen-Kandidat Kettner-Nikolaus einen Erdrutschsieg einfahren? Oder mit CDU-Mann Pavel die Sehnsucht nach Stabilität gewählt werden? Oder SPD-Bewerber Piellusch auf den „Scholz-Zug“ aufspringen? Oder würde das alles gar keine Rolle spielen und die Kandidaten aus sich heraus überzeugen? Alles schien möglich, und bis zuletzt nicht sicher prognostizierbar, wie der Wunstorfer Dreikampf tatsächlich enden würde. Erst recht, weil sich die Bewerber inhaltlich oft sehr nah waren. Signale gab es, natürlich, und auch Prognosen, die hinterher natürlich viele gewusst haben wollen. Doch vor allem die eindeutig ausgefallene Bürgermeisterwahl wird den ein oder anderen dann doch überrascht haben, der die SPD vielleicht sogar als Bremse für die Chancen von Piellusch eingeschätzt hatte. Stärker hätte man sich nicht irren können.

Es wurde ein Triumph für Carsten Piellusch, dem die Sympathien zuflogen und dem vieles geradezu in die Karten spielte: Die Parteibasis hinter sich, die Erfahrung im Rathaus ausspielend, die Bundes-SPD-Welle im Rücken und nicht zuletzt eine Mischung aus klassischem und multimedialem Wahlkampf, der trotz Corona viele Wunstorfer erreicht haben dürfte. Piellusch führte einen authentischen Wahlkampf, trat eloquent wie fundiert auf – und überzeugte damit auf Anhieb.

Wie ein klassischer Stoff

Für Piellusch wird damit ein Lebenstraum wahr, auf den er lange hingearbeitet hatte – und die Wunstorfer durften sich als Zuschauer einer Art Märchen wähnen: Der klassischen Geschichte vom Prinzen, der gegen alle Widerstände auszog, das Schicksal das Fürchten zu lehren. Piellusch hat es allen gezeigt: Dem Parteivorstand, der sich intern ursprünglich für einen anderen Kandidaten ausgesprochen – und den Mitgliedern bereits öffentlich empfohlen – hatte, den Umständen, mitten in einer Pandemie trotzdem einen erfolgreichen Wahlkampf führen zu müssen, den Mitbewerbern, denen er haushoch davongezogen ist – und auch der eigenen Partei, der er bewiesen hat, dass er der genau richtige Kandidat war, um die Wunstorfer SPD glänzen zu lassen.

Piellusch hatte alles auf eine Karte gesetzt und sich bereits früh festgelegt, indem er auch nach außen transportierte, die Wahl direkt gewinnen zu wollen – und zu können. Die Wunstorfer waren nun mit ihm einer Meinung. Der SPD-Kandidat beendet damit nicht nur die Ära Eberhardt (CDU), sondern auch das bisherige Gleichgewicht der unterschiedlichen Verhältnisse im politischen Geflecht der Stadt: Erstmals seit 22 Jahren wird nun ein SPD-Bürgermeister in Wunstorf eine eigene Hausmacht im Stadtrat hinter sich wissen – erstmals als Hauptamtlicher überhaupt.

„Wir haben alles reingehauen, was wir haben“

Carsten Piellusch

„Wir haben alles reingehauen, was wir haben“, rief Piellusch am Abend seines Sieges auf der Wahlparty der SPD den Genossen zu, und verband damit seinen persönlichen Erfolg mit der Leistung der Partei: Die SPD in Wunstorf sei wieder da, wo sie hingehöre, verglich er die Wahlergebnisse mit einer lange Zeit unterbewerteten Aktie. Auf der nun erzielten Dividende ruhte sich Piellusch jedoch nicht aus – in den folgenden Tagen stand er schon wieder in der Fußgängerzone und trommelte locker und gut gelaunt für die Bundestagswahl.

Grüne Ambivalenz

Starke politische Verschiebungen sind im Stadtrat ausgeblieben – die SPD war in Wunstorf stets stark, bleibt stark und kam nun wieder auf über 40 Prozent der Stimmen. Damit wird sie weiter tonangebend sein im Stadtrat. Dass die Rechtsverschiebung im Rat rückgängig gemacht wurde, liegt jedoch vor allem an den Grünen, die ihre starken Verluste von 2016 ausgleichen konnten und darüber hinaus einen leichten Zugewinn erzielten. Es wurde somit das historisch beste Ergebnis für die Grünen, noch nie hatten mehr Menschen in Wunstorf grün gewählt: 16,42 Prozent.

Frank Kettner-Nikolaus und Sarah Sheikh-Rezai
Frank Kettner-Nikolaus und Sarah Sheikh-Rezai am Wahlabend | Bild: Achim Süß

Die Grünen dürften am Wahlabend dennoch die gemischtesten Gefühle von allen gehabt haben: Bürgermeisterkandidat Frank Kettner-Nikolaus als „Realo“, wirtschafts- und kommunikationserfahren, war viel zugetraut worden, man hatte sich ausgerechnet, mit ihm in eine Stichwahl gehen zu können. Doch bei Bekanntgabe des Wahlergebnisses musste man erkennen, dass man sich offenbar in der vielzitierten Blase befunden hatte – die positive Resonanz, die den Grünen im Wahlkampf begegnet war, spiegelte nicht das tatsächliche spätere Wahlverhalten der Wunstorfer. Schlimmer noch: Mit 13,59 Prozent der Stimmen blieb Kettner-Nikolaus sogar unterhalb des Ergebnisses der Partei bei den Stadtratswahlen. Auch Bundestagskandidat Jens Palandt war das vierzehn Tage später widerfahren: Bezogen auf Wunstorf erreichte er trotz beachtlichem Ergebnis weniger Zustimmung als die Partei selbst.

„Wir werden in der Partei das Ergebnis beraten und sind für Gespräche mit allen demokratischen Parteien offen“, kündigten die Parteivorsitzendenspitze Dustin Meschenmoser und Sarah Sheikh-Rezai an. Doch die Gespräche mit dem bisherigen Stadtratspartner verzögerten sich offenbar – so dass die SPD zwischenzeitlich zunächst mit der CDU gesprochen hatte. Es wäre die zweite Panne nach dem als zunächst wie mit angezogener Handbremse wirkenden Wahlkampf, in den die Grünen erst spät eingestiegen waren. Für Kettner-Nikolaus, der vor seiner Kandidatur nicht als Kommunalpolitiker in den Gremien der Stadt aktiv war, eine verpasste Chance, frühzeitig an Kontur zu gewinnen.

Schwarzer Tag für Blau und Schwarz

Die Linkspartei trat in Wunstorf nach dem Rückzug von Rüdiger Hergt nicht mehr in Erscheinung. Auch die Piratenpartei konnte sich nach dem Bedeutungsverlust in den Vorjahren nicht wieder erholen. Die FDP jedoch konnte mit einigen neuen Köpfen trotz Abtritt ihres Urgesteins Kurt Rehkopf und des Parteiaustritts des zuvor medial sehr präsenten Thorben Rump ihr Ergebnis nahezu halten.

Auszählung
Aders mit AfD-blauem Hemd (links) verfolgt wie Piellusch (Mitte rechts) die Auszählung im Ratssaal | Foto: Daniel Schneider

Für die AfD war die Kommunalwahl jedoch kein Vergnügen. Detlev Aders, der am Wahlabend die Auszählung im Rathaus mitverfolgte, hatte auf 10 bis 11 Prozent gehofft und realistischerweise mit 8 bis 9 Prozent gerechnet. Am Ende waren es 5,04 Prozent – die AfD hatte fast genau die Hälfte eingebüßt im Vergleich zur Wahl von 2016. Der Einbruch bei der Kommunalwahl war damit noch drastischer als bei der Bundestagswahl zwei Wochen später: hier hatte die AfD bei den Wunstorfern ein knappes Drittel an Zustimmung verloren. In den Ortsräten sind außer in der Kernstadt daher künftig keine AfD-Mitglieder mehr vertreten, und im Stadtrat stehen der Partei nur noch zwei Sitze zu. Vom ehemaligen Platz 3 in Wunstorf rutschte man damit ans Ende auf Platz 5.

Für die CDU war der Kommunalwahlabend ebenfalls bitter: Martin Pavel hatte einen engagierten Wahlkampf geführt und viel investiert – um nun nicht nur knapp, sondern deutlich abgeschlagen hinter Piellusch zu landen. Doch der Blick auf die zwei Wochen später stattfindende Bundestagswahl, bei der die Stimmen für die CDU in Wunstorf sinnbildlich ins Bodenlose fielen, relativiert die Ergebnisse der Kommunalwahl. Bei den Bundestagswahlen ging es für die CDU in Wunstorf zuletzt nur noch in eine Richtung – nach unten. So drastisch wie am 25. September jedoch noch nie: Was vor vierzehn Tagen noch niemand ahnte: Pavel lag mit seinem persönlichen Ergebnis mit dem Faktor 1:3 über dem örtlichen Bundestagswahlverhalten. Nur noch 23,38 Prozent der Wunstorfer wählten CDU – rund ein Drittel weniger als 2017. Beim Kommunalwahlergebnis blieb die CDU dagegen stabil und verlor wie 2016 nur leicht an Zustimmung.

Pavel, Piellusch
Pavel im Gespräch mit Piellusch am Wahlabend | Foto: Achim Süß

Auch wenn sich sein Traum vom Bürgermeisteramt nicht erfüllt hat – Pavel wird sich weiter ehrenamtlich in der Kommunalpolitik engagieren. Schon am Tag nach der Wahl war er wieder in seiner Rolle als CDU-Chef unterwegs, um die Weichen zu stellen für die künftige Ratsarbeit. Dort wird er dem Wahlgewinner Piellusch nun öfter begegnen. Am Wahlabend auf der SPD-Party gab es davon schon einen Vorgeschmack: Freundschaftlich und wie gewohnt auf Augenhöhe.

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