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Neubauviertel „Neue Mitte“ ist gescheitert: Stadt Wunstorf zieht sich aus Verhandlungen mit Investor zurück

19.12.2023 • Redaktion • 4 Min.Kommentare: 12

Die Stadt bleibt eisern: Maximale Rendite für Investoren auf Kosten des ursprünglich geplanten Stadtbildes soll es nicht geben – damit ist das Neubauprojekt Neue Mitte Wunstorf nun tatsächlich endgültig auf Eis gelegt. Neuer Wohnraum soll nun nicht in der Kernstadt, sondern erst einmal in den Ortsteilen entstehen.

19.12.2023
Redaktion
4 Min.
Baubrache Vion-Gelände (Archiv) | Foto: Daniel Schneider

Wunstorf (red). Die Stadt Wunstorf hat sich gestern Abend nach Erörterung der Angelegenheit im Verwaltungsausschusses dazu entschieden, die Gespräche mit den Vertretern der „Neuen Mitte Wunstorf“ (NMW) bzw. ihrer Nachfolgegesellschaft „Grundstück DE NMW GmbH“ ruhen zu lassen. „Es gibt derzeit keine Realisierungsperspektive durch weitere Verhandlungen mit der NMW bzw. ihrer Nachfolgegesellschaft“, erklärt Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD).

Die NMW habe kürzlich mitgeteilt, dass sie die Projektentwicklungsgesellschaft NMW in eine Besitzgesellschaft „Grundstück DE NMW GmbH“ umfirmiert bzw. umgewandelt hat. Sie habe ferner Personal aus dem Projekt abgezogen, Kosten gesenkt und werde die weitere Planung des Projektes auf der Basis der Bauvariante, die die Stadt als Kompromiss akzeptiert hätte, nicht mehr fortführen. Die Neue Mitte hatte selbst eine höhere Flächenausnutzung favorisiert, die Stadt hatte auf einer Beibehaltung von Kernmerkmalen des ursprünglichen Architektenentwurfs – wie z. B. einer zentral angelegten Grünanlage – bestanden.

Stadt hält Unwirtschaftlichkeits-Argument für falsch

Die Stadt kritisiert, dass diese Planung als unwirtschaftlich bezeichnet worden sei: Aus einem jüngst bekannt gewordenen Wertgutachten ergebe sich, dass auch bei Verzicht auf stärkere Verdichtung eine Rendite von 15 Millionen Euro zu erwarten gewesen wäre – sie hätte sogar noch höher ausfallen können. Damit sei „eindeutig die zuvor von der NMW vertretene These widerlegt“, dass die von der Stadt gewünschte Bebauungsvariante nicht zu refinanzieren gewesen sei, positioniert sich die Verwaltung deutlich.

Die NMW hatte Anfang 2022 das ehemalige Vion-Gelände von der Progressu GmbH erworben. Gemeinsam mit der vorherigen Eigentümerin, der Progressu GmbH, hatte die Stadt über einen städtebaulichen Ideenwettbewerb die zukünftige Struktur und Konzeption des Baugebietes bereits vorgeprägt. Ein Kernelement des Siegerentwurfs ist dabei ein Lärmschutzwall mit einer aufgesetzten Wand an den Bahngleisen, mit einer sich daran anschließenden abflachenden Parkanlage in Richtung des neuen Wohngebietes. Die Jury hatte sich für diesen Entwurf entschieden, weil er nicht nur ein wertiges Quartier schaffe, sondern über die parkähnliche Grünanlage auch einen Mehrwert für Wunstorf insgesamt geboten hätte. 

Keine maximale Rendite mit Wunstorf

Schwierigkeiten hatte auch gemacht, dass der Investor NMW ursprünglich darauf vertraut hatte, das gesamte Gelände neu bebauen zu können – im Laufe der vergangenen Monate hatte sich jedoch ergeben, dass das Flüchtlingsheim am Luther Weg erhalten bleiben muss. Die Stadt weist darauf hin, dass diese Möglichkeit dem Investor von Anfang an bekannt gewesen sei. Die Fläche, auf dem das Flüchtlingsheim steht, sollte nur dann zur Bebauung freigegeben werden, wenn sich die Flüchtlingssituation entspannt hätte. Das Gegenteil sei jedoch mit dem Ukrainekrieg eingetreten, so dass die Flüchtlingszahl nochmals gestiegen sei, so die Stadt.

Seit dem Eigentümerwechsel hätten die Stadt und die NMW in Verhandlungen gestanden, wobei die Verwaltung mehrfach auf NMW zugegangen und sich mit Modifikationen am Siegerentwurf einverstanden erklärt hatte – die Stadt sei auch weiter zu Modifikationen bereit, aber nicht dazu, die städtebauliche Qualität des Gebietes im Bereich des Lärmschutzes, des öffentlichen Grünraums oder der Vielfalt der Bebauung zum Zwecke einer weiteren Renditeoptimierung zu opfern.

Wie geht es nun weiter?

Die Suche nach weiteren Investoren und einer neuen Gesellschaft, die die Gesamtverantwortung für die Grundstücksentwicklung übernehmen sollte, ist nach Kenntnisstand der Stadt bislang ebenfalls erfolglos geblieben. Ein „Leader“ hat sich bis heute nicht eingefunden.

Der Stadt blieben daher nur 3 Alternativen: Sie könnte das Grundstück selbst kaufen – hat bislang aber von NMW keinen Preis genannt bekommen und rechnet auch nicht damit, eine akzeptable Offerte zu erhalten. Andererseits könnte sie auf den Kurs des Investors einschwenken und eine dichtere Bebauung auf dem Gelände zulassen. Dazu wird es aber nicht kommen, denn: „Dies liegt nicht im städtischen Interesse“, so die Stadt. Es bleibt somit nur noch, das Projekt ruhen zu lassen, „auch vor dem Hintergrund der verschlechterten Kosten- und Kreditzinssituation“.

Dieser Entwurf ist für die Stadt im Kern nicht verhandelbar | Graphik: OCTAGON Architekturkollektiv und Rudolph Langner Station C26/Stadt Wunstorf

Piellusch dazu: „Da ein Kaufpreis über den Verkehrswert des geräumten Grundstückes für mich nicht in Betracht kommt und auch eine Qualitätseinbuße zulasten der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner keine Option für mich ist, bleibt konsequenterweise nur die Option, das Projekt ruhen zu lassen.“ Stadtbaurat Alexander Wollny betont, dass in sehr vielen Gesprächen immer wieder versucht worden sei, Kompromisse auszuloten, diese aber nicht hätten gefunden werden können. „Ein angemessener Ausgleich der Investoreninteressen und der städtebaulichen Vorstellungen der Stadt war nicht möglich. Wir waren sogar bereit, einen Teil des öffentlichen Grünraumes zusätzlich der Nettobebauung zuzuführen, damit die Wirtschaftlichkeit noch weiter erhöht wird“, so Wollny.

Entweder – oder

Die „Tür für weitere Verhandlungen ist damit nicht zu“ heißt es von der Stadt. Am Zuge sei nun die NMW als Eigentümer des Geländes. Diese bestimme, wie es mit dem Vion-Gelände weitergehe. Sollte der Investor einen neuen Hauptprojektverantwortlichen finden oder sich dazu entscheiden, doch noch den von der Stadt favorisierten Entwurf umzusetzen, könnte die Arbeit fortgesetzt werden. „Die Stadt Wunstorf wird sich jedoch nicht unter Druck setzen lassen und städtebauliche Standards und Qualitäten wie Lärmschutz, öffentlichen Grünraum oder Vielfalt im Quartier opfern“, sagt die Verwaltung.

Das ehemalige Vion-Gelände droht Industrie-Brache zu bleiben | Foto: Daniel Schneider

„Wir haben die Interessen der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner zu vertreten, die in einem wertigen Wohngebiet wohnen wollen, in dem sie im Sommer das Fenster öffnen oder auf der Terrasse sitzen können, ohne größere Lärmbelastung hinnehmen zu müssen.“

„Die Stadt Wunstorf wird sich jedoch nicht unter Druck setzen lassen“

Wunstorf will sich nun unabhängig vom ruhenden Vion-Projekt um neuen Wohnraum im Stadtgebiet bemühen. Es gebe „zahlreiche andere potentielle Baugebiete, die nunmehr priorisiert angegangen und auf denen die frei werdenden personellen Kapazitäten eingesetzt werden können“, so Wollny weiter. Der Bürgermeister ergänzt: „Wir werden den Fokus jetzt auf die Wohnbaulandentwicklung in den Ortschaften legen“. Man werde sich nun Projekten widmen, „bei denen wir zeitnah eine Einigung erzielen und schneller zum Ziel kommen, um Bauland bereitzustellen.“ Damit bewahrheitet sich, was sich bereits im Herbst abgezeichnet hatte: Die festgefahrenen Verhandlungspositionen beim Vion-Projekt lassen sich nicht auflösen.

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Kommentare


  • centrodelmargine sagt:

    Gut, dass die Stadt sich nicht erpressen lässt. Der Poker um höchstmöglichen Gewinn für jeden der (zeitweilig) Beteiligten aus dem Vion-Gelände war von Anfang an erkennbar und wird weitergehen. So sind die Spielregeln. Gut, dass die Stadt dieses Mal (noch) nicht mitgespielt hat.

  • Rocky sagt:

    Na sowas aber auch, na und, dann bleibt es eben eine unschöne Müllhalde in der Stadt, wen stört es?! Anstatt mal etwas für z. B.für die Jugend zu machen, einen Freizeipark, och nöö bloß nicht, die Jugendlichen stören nur, genauso wie die Alten auch!!! Wie wäre es auch mal mit einem Wohnpark für Senioren?? Upps, geht nicht, sind ja bloß die Alten!!! Meine Güte, wie stur sind die Deutschen eigentlich noch??

  • Frank Kettner-Nikolaus sagt:

    Es droht eine Bauruine für viele Jahre. Das ist keine Lösung und auch keine reale Alternative. Die Verwaltung müsste ernsthaft mit dem Investor und Eigentümer verhandeln. Dadurch, dass das Grundstück nicht im Besitz der Stadt ist, gibt es keine gute Verhandlungsposition für die Stadt. Sie kann jetzt zwar das Projekt blockieren, jedoch dem privaten Investor nicht eine bestimmte Bebauung und Gestaltung vorschreiben. Die Erklärung der Verwaltung ist ein Offenbarungseid. Offensichtlich ist sie nicht in der Lage konstruktiv zu verhandeln. Eine Lösung kann es nur im Kompromiss geben. Wenn sich die Stadt nicht bewegt, droht ein Stillstand des Projekts für Jahre oder Jahrzehnte. Damit ist niemanden geholfen.

    • Elke sagt:

      Doch, klar liegt die Planungshoheit bei der Stadt.
      Und gerade hier wollte sie ja ausloten, wo ein Kompromiss liegen kann. Da steht doch eindeutig, dass es Kompromissbemühungen gab.
      Zur Erinnerung: Dem ganzen zugrunde lag ein städtebaulicher Wettbewerb.
      Wie hätten Sie denn agiert, wenn Sie Bürgermeister geworden wären und der Inhaber absolut nicht von seinem Konzept abrücken will.
      Im Übrigen: Das Agieren wurde doch politisch so besprochen.
      Ich nenne das Demokratie.

      • Jörn Knop sagt:

        Scheinbar will aber doch die Stadt nicht von ihrem Konzept abrücken, obwohl sich die Parameter der Planung geändert haben. Der Investor schrieb als Kommentar zu einem anderen Artikel in der auepost.de hierzu folgendes: „Die Prämissen haben sich erheblich verändert.
        1. Wegfall des Grundstücksteils im Norden an die DB (Unterführung)
        2. Ehem. Verwaltungsgebäude muss für die Stadt als Wohnheim für Geflüchtete erhalten bleuben (auf Wunsch der Stadt, obwohl es eigentlich für die Projektentwicklung eingeplant war)
        3. Die Mehrfamilienhäuser im Bestand am Luther Weg sollten aus Sicht der NMW erhalten bleiben und nicht abgerissen werden.
        4. Die Jenauer Straße sollte erhalten und fortgesetzt werden und muss nicht neu gebaut werden
        5. Das ehem. Untergeschoss einer Halle soll als Tiefgarage wiederverwendet statt abgerissen werden
        6. Der Lärmschutz muss dank neuer rechtlicher Rahmenbedingungen nicht mehr 16 Meter (!) hoch werden, sondern allenfalls 11-12 Meter
        7. Zur Schließung der „Lärmlecks“ im Norden und Süden sind oberirdische Parkdecks als Quartiersgaragen geplant statt eine senkrechte 16-meter-Wall/Wandkombination wie im alten Masterplan“. Hinzu kommt, dass sich die wirtschaftliche Bedingungen wie Baukosten und Verzinsung verteuert haben. Das sollte bei einer fairen Suche nach einem Kompromiss wohl alles berücksichtigt werden. Finden Sie das nicht auch, liebe Elke?

        • Elke sagt:

          Moin Jörn,
          doch, das find ich auch.
          Nun kenne ich, wie wir alle, nicht die angebotenen Kompromisslösungen.
          Ich weiss nicht, wie weit die Stand Herrn Hiss entgegengekommen ist.
          Entscheidend ist aber aus meiner Sicht schon, dass das Ganze einen Mehrwert für die Gemeinschaft haben soll und das ganze entwickelt sich nunmal im Rahmen einer demokratischen Willensbildung.
          Wer das ablehnt, steht dafür ein, die Wahlen gleich ganz abzuschaffen.

      • Frank Kettner-Nikolaus sagt:

        Es gibt ein öffentliches Interesse, dass dort Wohnraum entsteht. Dieses haben Politik und Verwaltung als Ziel definiert. Zudem gibt es ein Gestaltungsinteresse, dass durch die Ergebnisse des städtebaulichen Wettbewerbs umschrieben wurde. Auf der anderen Seite gibt es veränderte Rahmenbedingungen und ein wirtschaftliches Interesse des Investors. Um die unterschiedlichen Interessen überein zu bekommen, ist eine Bewegung von beiden Seiten erforderlich (Kompromiss). Dazu sind vertrauensbildende und vertrauliche Gespräche erforderlich. Der öffentliche Rückzug der Verwaltung aus Gesprächen und die offensichtliche mangelnde Kompromissbereitschaft seitens der Stadt ist der Fehler. Wer an einer Lösung interessiert ist, spricht darüber mit einer gewissen Offenheit vertraulich mit der anderen Seite. Stattdessen sehen wir jetzt, dass die Verwaltung die Gespräche für gescheitert erklärt und den Investor dafür verantwortlich macht. Der Investor macht wiederum die Stadtverwaltung und den Bürgermeister verantwortlich. Beide Seiten geben sich jetzt öffentlich die Schuld für die verfahrene Situation. Im Interesse unserer Stadt sollten die Verhandlungen wiederaufgenommen werden und die Verwaltung das Mandat bekommen, einen Kompromiss zu verhandeln.

        • Inga sagt:

          Das haben wir doch in letzter Zeit schon mal gelesen, dass die Stadt Gespräche beendet hat.

  • Marcel D. sagt:

    Baukosten steigen rapide und kein Ende in Sicht – die Stadt verbietet ein Renditestreben – befremdlich, wenn Menschen über anderer Firmen/Leute Geld entscheiden, wenn sie selber von unseren hart erarbeiteten Steuergeldern leben (dürfen). Es ist doch wirklich ein Unding, das eine Firma Wirtschaftlich arbeiten muss. Das können sich die Herren im Rathaus gar nicht vorstellen, wenn Deutschland das Salär bezahlt, ohne Sorge auf Arbeitsplatzverlust, Insolvenzen usw. – so macht man keine Politik und Stadtverwaltung!

    Es ist nahezu ein Hohn. Wunstorf, Stadt mit mehr – Bauruinen… einfach nur desaströs, das hätte es unter Rolf-Axel nicht gegeben!

    • Elke sagt:

      Wissen Sie wer einen Bebauungsplan beschließt? Das ist der Rat.
      Sie können keine demokratischen Entscheidungen akzeptieren?
      Das Gemeinwesen soll also rein profitorientiert entschieden werden?
      Dann gute Nacht!

      • Marcel D. sagt:

        Ich nehme an, Sie leben auch von unseren Steuergeldern. Oder arbeiten Sie in der freien Wirtschaft? Dann kann man/frau/er/sie/es ja fein urteilen… ich schlage vor, geben Sie doch ein wenig Ihres Geldes, gründen Sie eine Genossenschaft/Verein und bewegen Sie etwas von ihrem Geld. Ich denke, dann möchten Sie auch was rausholen, um wieder neu zu investieren, oder zeigen Sie, liebe Elke, doch, wie es anders geht. Setzen Sie sich ein, spenden Sie ihr Geld – aber ich nehme an, genau das machen Sie eh schon. Selbstlos werden Sie alles abgeben, was Sie haben. Danke Elke! Dann kann man es auch von anderen erwarten.

  • Andreas D. sagt:

    Da will die Stadt, dass zukünftige Bewohner ihre Fenster im Sommer öffnen können, doch die Wunstorfer gucken erstmal weiter auf eine Bauruine.
    Vion-Gelände verbockt, Werbegemeinschaft ist in Auflösung, so geht’s mit Wunstorf bergab. Herr Bürgermeister, was kommt als nächstes?

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