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Stadt lenkt ein: Wunstorf versucht Vion-Gelände doch noch nach alten Ideen zu ermöglichen

18.09.2025 • Redaktion • 5 Min.Kommentare: 9

Die Stadt rückt von ihrer roten Linie beim Vion-Gelände ab und würde nun einen niedrigeren Lärmschutzwall akzeptieren. Mit Lärmschutzverglasung, weniger Grünfläche und dichterer Bebauung soll das Projekt nun doch wirtschaftlicher gemacht werden.

18.09.2025
Redaktion
5 Min.
Das brachliegende Vion-Gelände neben der Bahnstrecke (Archiv) | Foto: Schneider

Wunstorf (red). Ein neues Kapitel in der langen Vion-Gelände-Geschichte wird aufgeschlagen, bei dem viele schon lange den Überblick verloren haben.

Der letzte Stand war: Ein Investor war nicht in Sicht, der die ursprünglichen Pläne, wie sie sich Wunstorf für das Gelände wünscht, umsetzen würde. Seit gut einem Jahr hat sich nichts mehr Neues ergeben an Wunstorfs wichtigster Brache. Stattdessen wurde Druck auf den Besitzer ausgeübt, indem eine Veränderungssperre für das Gelände erlassen wurde: Das bedeutet: Es kann dort nur mit dem Okay der Stadt etwas wirklich anderes entstehen. Auch weitergehende Zwischennutzungen, mit denen der Eigentümer den entstandenen Stillstand überbrücken oder abfedern könnte, werden so faktisch unterbunden. Die Veränderungssperre ist der größte Hebel der Stadt: Der Investor kann sich mit der Stadt an einen Tisch setzen – oder ist zum Abwarten gezwungen.

Viel drehte sich dabei bislang um den Lärmschutzwall, der architektonisches Highlight des neuen Wohnquartiers und Grundpfeiler eines stattlichen Parkgeländes werden sollte. An dieser Bedingung hatte die Stadt festgehalten. Während die „Neue Mitte“ als Eigentümer und ursprünglicher Investor aufgrund veränderter Rahmenbedingungen (wie Bahnunterführungsbau und Nicht-Abriss des Flüchtlingswohnheims) die alten Pläne auch mit Modifikationen für undurchführbar hielt, betonte die Stadt, dass nur diese Lösung in Frage komme, allenfalls mit Zugeständnissen.

Einen Alternativentwurf, der von der Neuen Mitte ausgearbeitet worden war, um das Gelände dichter und damit wirtschaftlicher zu bauen, hatte wiederum bei der Stadt keinen Anklang gefunden. Denn der große Grünstreifen entlang des Bahnstrecken-Lärmschutzwalles war dort nicht mehr enthalten, die Grünanlage sollte stattdessen klassisch ins Zentrum des Quartiers rücken und der Lärmschutzwall deutlich gesenkt werden. 7 Meter Lärmschutz wurden für ausreichend erachtet.

Nun geht die Stadt aber noch weiter auf die Neue Mitte zu, um den Ursprungsentwurf womöglich im Ansatz doch noch zu retten. Kurz zusammengefasst: Deutlich dichtere Wohnbebauung wird nun akzeptiert, und der Lärmschutzwall darf drastisch kleiner ausfallen. Damit würde der alte Grundriss des Viertels ähnlich dem Architekten-Siegerentwurf doch noch eine Chance bekommen – sofern sich Eigentümer Neue Mitte darauf einlässt.

Neuer alter Plan soll Wirtschaftlichkeit wiederherstellen

Dazu wurde in den vergangenen Monaten das Büro Octagon Architekturkollektiv, das auch mit den ursprünglichen Plänen den Architektenwettbewerb zum Vion-Gelände gewonnen hatte, von der Stadt Wunstorf erneut beauftragt, den von Neue Mitte verworfenen Geländeplan entsprechend zu überarbeiten und weiterzuentwickeln.

Die zentralen Elemente des ursprünglichen Konzeptes wurden dabei beibehalten und gleichzeitig die aktuellen Rahmenbedingungen wie der Erhalt des ehemaligen Verwaltungsgebäudes am Luther Weg und das Trogbauwerk am vorherigen Bahnübergang verträglich integriert. Im Rahmen dieser neuen Ausarbeitung ist es gelungen, die Bruttogeschossfläche gegenüber der ursprünglichen bereits skizzenhaften neuen Fassung von 2023, die bereits Modifizierungen mit geschätzten 31.300 m² berücksichtigte, auf 41.861 m² (ohne Mitrechnung des Verwaltungsgebäudes und der „Mobility-Hubs“) zu erhöhen. Das entspricht einem Zuwachs von gut 33 Prozent.

So könnte das Viertel nach den neuen modifizierten Plänen bebaut werden | Bild: Octagon Architekturkollektiv

Die Bruttogeschossfläche (ohne Mitrechnung der Mobility-Hubs) wurde im Vergleich zum Ursprungsentwurf um knapp 10 % erhöht, obwohl der Bereich des Verwaltungsgebäudes am Luther Weg nicht mehr mit einbezogen wird.

Das aktuell weiterentwickelte Konzept ermöglicht unterm Strich eine um ein Drittel höhere Anzahl an Wohneinheiten als die ursprüngliche Masterplanung aus dem Jahre 2020.

16-Meter-Lärmschutz zu den Akten gelegt

Der Zuwachs der Bruttogeschossfläche schlage sich in einer deutlichen Erhöhung des Geschosswohnungsbaus nieder, womit dem aktuellen und perspektivisch steigenden Bedarf an Geschosswohnungen in Wunstorf Rechnung getragen werden solle, teilte die Stadt am heutigen Donnerstag mit.

Die Änderungen hängen maßgeblich von der Reduzierung des alten Lärmschutzkonzeptes ab: Aufgrund ihrer Anordnung könnten die Geschossbauten nun durch passive Schallschutzmaßnahmen (Verglasung, Fassadengestaltung, Grundrissgestaltung) einen Beitrag zum Schallschutz im Quartier leisten, so dass der Aufwand für ein Schallschutzbauwerk im Randbereich zur Bahntrasse verringert werden könne.

Es wäre die Lösung für Wunstorfs akute Wohnungsprobleme: Auswertungen des vorhandenen Wohnungsbestands und der Haushaltsgrößen sowie die zukünftig zu erwartende Haushaltsstruktur ergeben für Wunstorf perspektivisch einen hohen Bedarf an kleinen Wohnungen mit ein bis zwei Zimmern im Mehrfamilienhaussegment – vor allem für Einpersonenhaushalte und Paare. Dies schließt insbesondere barrierefreie, seniorengerechte und auch günstige Angebote mit ein. Das ehemalige Vion-Gelände ist mit seiner stadträumlich zentralen Lage und der Nähe zu ZOB und Bahnhof prädestiniert dafür, diese Bedarfe in hohem Maße zu decken. Gleichzeitig besteht darüber hinaus genug Raum für die Schaffung weiterer Angebote wie mittlere und große Geschosswohnungen sowie verdichteter Einfamilienhausbau, so dass insgesamt eine ausgewogene und sozial durchmischte Quartiersentwicklung möglich ist. 

Der in der ursprünglichen Planung vorgesehene, zu einem 12 Meter hohen Lärmschutzwall mit aufgesetzter 4 Meter hohen Wand ansteigende Freiraum wurde modifiziert. Ausgangslage für die weiteren Überlegungen ist nun eine 10 Meter hohe begrünte Lärmschutzwand, der gebietsseitig eine bis auf etwa 5 Meter ansteigende Freifläche vorgelagert wird. Die Lärmschutzwand wird an den Enden von zwei sogenannten Mobility-Hubs eingefasst, die den ruhenden Verkehr des Quartiers aufnehmen sollen und somit die baulich ausnutzbare Fläche des Areals erhöhen.

So sah der allererste Entwurf vor 5 Jahren aus. Er bliebe mit der neuen Initiative im Wesentlichen erhalten. | Quelle: Octagon Architekturkollektiv und Rudolph Langner Station C26

Insgesamt bliebe es damit bei dem öffentlichen Freiraum im Südwesten, dem großen Grünstreifen, der sich an zwei Stellen platzartig ins Quartier hineinzieht und auch als Durchgangsstrecke für Radfahrer und Fußgänger von der Innenstadt Richtung Bahnhof genutzt werden könnte.

Ball rollt zur Spielfeldhälfte des Investors

Die Stadtverwaltung wird auf Grundlage der vorgenommenen Plananpassung nun das Gespräch mit der Neuen Mitte als Eigentümer suchen, um die Entwicklung des Quartiers und damit auch die Schaffung von benötigtem Wohnraum zu unterstützen.

Es dürfte der allerletzte Versuch sein, für die Vion-Brache eine Basis zur Einigung zu schaffen, ohne Gerichte zu bemühen. Auch das Stichwort Enteignung machte bereits die Runde.

Das jetzige Vorgehen der Stadt kann als deutliches Einlenken betrachtet werden im zähen Ringen um das Vion-Gelände, auch wenn der angedachte Lärmschutz immer noch 3 Meter höher ausfällt als in den eigenen Alternativplänen von Neue Mitte. Es kann aber auch als Eingeständnis gesehen werden, dass die ursprünglichen Pläne, wie von Neue Mitte vorgebracht, als nicht wirtschaftlich zu realisieren gelten dürfen.

Bislang war am maximalen Lärmschutz für die künftigen Bewohner nicht gerüttelt worden, es war die rote Linie für die Stadt. Neue Mitte hatte dies nicht akzeptiert, den ursprünglichen Masterplan als Vergangenheit betrachtet. Nun ermöglicht die Stadt mit dem Wiederzugehen auf den Investor möglicherweise einen Kompromiss. Bildlich gesprochen: Die rote Linie geht mit dem neuen Angebot nun ins Rosafarbene.

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Kommentare


  • WTFler sagt:

    Vielleicht finden diese Oberpeinlichkeit und dieser Schandfleck ja doch noch irgendwann ihr Ende…

  • Hoffmann H. sagt:

    Wie schon des öfteren gesagt wurde:“Es stehen Wahlen vor der Tür“!

    • Sabrina sagt:

      Also darf die Politik, weil nächstes Jahr Wahlen sind, keine Vorschläge mache, ihre Meinung ändern bzw. weiter arbeiten? Was für ein Demokratieverständnis haben Sie bitte?

      • Hoffmann H. sagt:

        Was hat das mit Demokratie zu tun, wenn die Stadt auf Wählerstimmenfang geht und den Menschen Honlg ums „Maul“schmiert!Dieser Stadtrat erinnert mich sehr an die Herren in Berlin,viel versprechen und was war nach der Wahl.?

  • Realist sagt:

    Sollten der Bürgermeister und sein Baudirektor etwa in der Realität angekommen sein und verstanden haben, dass solch ein Projekt auch wirtschaftlich funktionieren muss? Da ich in die beiden Herren jedes Vertrauen verloren habe, glaube ich es erst, wenn ich es sehe. Aber ich hoffe!

  • Susi sagt:

    Erst rote Linien definieren,aber diese dann überschreiten… Voll ok, wenn man wenigstens eingestehen würde, sich halt vertan zu haben…

    Aber nein, die Arroganz der Stadtverwaltung kennt keine Grenzen. Kindergartenplätze zu bekommen wie auch Hortplätze – ein Horror. Der gesetzlich vorgesehene Ganztagsbedarf wird nicht erfüllt werden können (außer mit für die Eltern kostenpflichtigen Hortplätze, wovon es nicht genügend gibt).

    Ein Familienzentrum groß angekündigt, nun still und heimlich begraben…

    Schämt ihr euch nicht?

  • Dustin Meschenmoser sagt:

    Gut, dass da endlich Bewegung in die Sache kommt und traurig, dass man so viel Zeit verschwendet hat. Dass dies jetzt aber öffentlich kommuniziert wird, ohne vorher mit dem Investor zu sprechen, bereitet mir Sorgen. Eine Einigung sieht anders aus.

  • egon sagt:

    Es sind bald Wahlen, da wird allen WählerInnen Honig ums Maul geschmiert, man nennt es Wählerstimmenfang…

  • Berndt sagt:

    Bei allen vorgebrachten Kritiken – ob berechtigt oder nicht, ob es jeden gefällt oder nicht – sollte man nicht vergessen das die Stadt Wunstorf ihre Verantwortung gegenüber den Bürgern gewahrt hat! Die zukünftigen Kritiken werden sicherlich ebenfalls kein gutes Haar an den Planungen lassen, vor allem nach deren Realisierung. Jedoch den jetzigen Vorschlag der Verwaltung als Wählerstimmenfang herabzuwürdigen, erinnert mich mit Verlaub an einen von allen Deutschen hoch verehrten Mann der sagte: „Intelligente suchen nach Lösungen, Dumme nach Schuldigen!“. Ein Satz, der in die heutige Zeit passt.

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