Wunstorfer Auepost

WTF der Woche: Radfahren im Wunstorfer Bahnhof über Jahrzehnte selbstverständlich – aber in Wirklichkeit verboten?

14.03.2024 • Aufrufe: 2619

Breite Rampen machen es Radfahrern einfach, den Wunstorfer Bahnhof zu unterqueren, sogar Radfernwege laufen hier entlang. Doch auf einmal verteilt die Polizei Ermahnungen, wenn man nicht absteigt. Was ist da los?

Die Region Hannover und die Stadt Wunstorf haben die Verkehrswende eingeleitet, wollen unter anderem dem Fahrradverkehr mehr Aufmerksamkeit und Platz widmen – Wunstorf soll Fahrradstadt werden, so ein erklärtes Ziel. Fahrradfahrer sollen sich nicht mehr an den Rand gedrängt fühlen müssen im Straßenverkehr und gleichberechtigtes Verkehrsmittel sein. Ausgerechnet in diesem Moment fängt die Polizei damit an, Radfahrer in der Bahnhofsunterführung zum Absteigen aufzufordern.

Beim Fußverkehrs-Check am Bahnhof hatte etwa die Kontaktbereichsbeamtin Fahrradfahrer ermahnt, die im Tunnel unter den Gleisen geradelt waren – Auepost und Stadtanzeiger hatten berichtet. Daraufhin hatten sich viele Radfahrer zu Wort gemeldet, die das „Fahrverbot“ überhaupt nicht nachvollziehen können. Schließlich werde dort schon immer Rad gefahren, es gebe extra Rampen dafür, und das Rad schieben würde dort – sinngemäß – niemand, der noch klar bei Verstand sei. Was nicht verboten sei, sei schließlich erlaubt.

Eine Fahrradstrecke auf einem Gehweg?

Verboten ist Radfahren aber generell auf Gehwegen (falls es nicht explizit erlaubt wurde). Und damit scheint am Bahnhof ein Problem zu existieren, über das man in den vergangenen Wochen bereits ganz ähnlich am neuen Barneplatz gegrübelt hat: Hat man es hier mit einem Gehweg zu tun oder nicht? Sind die Rampen und die Unterführung am Wunstorfer Bahnhof nur für Fußgänger gedacht oder auch für Radfahrer?

Ein Hinweisschild für Fahrradfahrer weist direkt auf eine der Rampen zum Tunnel | Foto: Daniel Schneider

Radfahrende Radfahrer haben dabei gute Argumente: Wenn es kein Gehweg sein soll, wieso baut man dann Elemente ein, die das Ganze wie für Radfahrer gemacht aussehen lässt? Die Rampen an sich sind für Fahrräder geeignet, es gibt sogar Hinweisschilder für Radrouten an den Eingängen. Nicht zuletzt sind an den Ecken zum Tunnel Verkehrsspiegel angebracht, die eine bessere Einsehbarkeit ermöglichen und schnelleres In-die-Kurve-Fahren gestatten. Manche Rampen haben zwar Sperrgitter, um Radfahrer kurz vor der Unterführung zum Abbremsen zu zwingen, aber an der Rampe der Südseite gibt es sogar völlig freie Fahrt.

In der Vergangenheit waren offenbar an den Sperrbügeln auch Schilder „Bitte absteigen“ angebracht – das wäre ebenfalls ein Hinweis darauf, dass Radfahren per se erlaubt ist – denn einer solchen Bitte darf, aber muss man nicht folgen.

„Radfahrer bitte absteigen“-Schilder tauchen im Straßenverkehr immer wieder einmal auf, oft an Baustellen. In der Straßenverkehrsordnung existieren sie allerdings nicht, und von vielen Radverkehrsaktivisten wird ihre Verwendung wegen der versuchten Benachteiligung des Radverkehrs scharf kritisiert: Es gebe schließlich auch keine Schilder für Autofahrer, die verlangen, dass man „aussteigen und schieben“ solle. 

Anruf im Rathaus, denn das Bahnhofsumfeld inklusive Tunnel gehört nicht der Bahn, sondern befindet sich in städtischem Eigentum: Ist Radfahren dort gewollt oder nicht?

„Die Polizei hat recht“

„Die Polizei hat recht“, bestätigt Stadtsprecher Alexander Stockum die Rechtsauffassung aus dem Kommissariat. „Wer sich rechtskonform verhalten will, muss sein Rad schieben.“ Denn die Rampen – und damit auch der Tunnel selbst – sind nicht direkt von der Straße aus zu erreichen. Radfahrer müssen erst Gehwege überqueren, um dorthin zu gelangen. Damit zählen die Rampen und der Tunnel zum Gehweg. Andernfalls müsste mit Schildern das Radfahren extra erlaubt sein. „Auf diesen Gehwegen ist auf jeder Seite das Radfahren nicht erlaubt. Damit wäre das Radfahren im Bereich der Unterführung ebenfalls nicht erlaubt“, so Stockum.

Warum dann Verkehrsspiegel und Hinweise für Radfahrer?

Aber warum dann Verkehrsspiegel? Stockum klärt auf: Man solle nicht nur an Erwachsene denken, sondern auch an Kinder – die bis zum Alter von 10 Jahren auf Fußwegen mit dem Rad fahren dürfen.

Radfahrer seien jedoch gar nicht der Grund für das Anbringen der Spiegel gewesen, sondern ein ganz anderer: Es sei damals um die Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls – von Fußgängern – gegangen. Dem Bahnhofstunnel sollten die dunklen Ecken genommen werden, in denen man sich „verstecken“ kann. Vor ca. 10 Jahren waren die Spiegel deshalb installiert worden, um der Angst entgegenzuwirken, die Zugänge zu benutzen. Tatsächlich sind die Spiegel nicht nur an den Rampen angebracht, sondern auch an Absätzen der Treppenaufgänge.

Verkehrsspiegel sollen das Sicherheitsgefühl erhöhen, nicht Fahrradfahrern das Abbiegen erleichtern | Foto: Daniel Schneider

Dass Radfahrrouten durch den Tunnel führen, bestätigt Stockum ebenfalls – aber hier müsse dann genau genommen für das entsprechende Teilstück eben das Rad geschoben werden.

Auch für erwachsene Radfahrer ist das Befahren der Bahnhofsrampen in einem Spezialfall aber ganz legal möglich: Wenn ein Erwachsener ein radfahrendes Kind unter 8 Jahren begleitet, darf auch der Erwachsene auf dem Gehweg fahren. 

Die Rampen sind offiziell die barrierefreien Zugänge zum Bahnhof – für Rollstühle, Kinderwagen, Rollatoren. Denn Fahrstühle existieren nur zu den Gleisen, aber nicht von den Straßen zum Tunnel, in dem sich die Fahrstühle befinden. Wer nicht über die Treppen gehen kann, kommt anders nicht zu den Bahnsteigen. Die Unterquerungsmöglichkeit des Bahnhofs ist damit im Grunde nur ein Nebeneffekt.

Rampe an der Bahnhofssüdseite zur Tunnelebene | Foto: Daniel Schneider
An manchen Rampenenden verhindern Sperren, dass schnell in die untere Bahnhofsebene gefahren werden kann | Foto: Daniel Schneider

Verständnis für Radfahrer

Aus dem Rathaus heißt es aber auch, dass man nicht überall etwas verbieten müsse, was eigentlich gut funktioniere. In der Statistik tauche die Bahnhofsunterführung nicht als Unfallstelle auf, das Zusammenspiel von Fahrradfahrern und Fußgängern funktioniere offenbar.

In der Verwaltung wird deshalb nun nach Lösungen gesucht, ob und wie man Fahrradfahrern am Bahnhof die Rampennutzung legal ermöglichen kann. Das könnte wegen der komplizierten Rechtslage allerdings noch schwieriger werden, als die wild parkenden Autos am Barneplatz wieder loszuwerden.



veröffentlicht am: 14.03.2024 • Aufrufe: 2619
Daniel Schneider
[Anzeige]

Kommentare


  • Oldtimer sagt:

    Gestern hü, heute hott? Die Begründung aus dem Rathaus ist doch völlig unlogisch und man wiederspricht sich selbst. Der Tunnel und seine Rampen sind mit Sicherheit ein Privatgrundstück in städtischem Eigentum. Wie üblich wird die Stadt vergessen haben die Flächen zu widmen. Daher ist dies kein Gehweg, sondern es ist erlaubt, was der Eigentümer (die Stadt) bestimmt. Der ehemalige Baudirektor V. als begeisterter Radfahrer wollte vor etwa 10-15 Jahren etwas Gutes tun und schaffte die Verbotsschilder ab. Die Politik wurde informiert, die Presse berichtete: Radfahren im Bahnhofstunnel endlich erlaubt! Das mit dem Radfernweg vom Ruhrgebiet bis nach Berlin und noch weiter wurde ebenfalls verkündet. Ja, durch unseren Bahnhofstunnel. Und die Stadt wollte das genau so! Wie wäre es denn, wenn die Verwaltung nun ihre Hausaufgaben machen und dort Schilder anbringen würde? Fußweg mit dem Zusatzschild Fahrradfahren frei? Dann hätten Fußgänger Vorrang, dürften aber nicht im Weg einstehen und den Weg unnötig blockieren, was das Thema hier ausgelöst hat. Und Radfahren wäre erlaubt. Und zwar in Schrittgeschwindigkeit. Also alles wie gehabt. Und Ausreden bräuchte auch niemand mehr, weder im Rathaus, noch im Tunnel, denn der Eigentümer (die Stadt) bestimmt über den privaten Grund. So wird dies auch an anderen Stellen in Wunstorf seit Jahren gemacht. Und es funktioniert.

    • Bernd sagt:

      Schön, dass sich mal jemand auskennt. Ganz in der Nähe gibt es ja noch einen zweiten Tunnel von der Hindenburgstraße zur Munzelner Straße. Da stehen, oh Wunder, genau die Schilder wie vom Oldtimer vorgeschlagen. Ich bin jetzt sehr gespannt, ob die Stadt auch für den Bahnhofstunnel so eine einfache Lösung wählt, oder ob die Bürokratie siegt und alles wieder unnötig kompliziert und bürgerunfreundlich wird

  • D. Hartmann sagt:

    Und wieder ein Beispiel aus Schilda!

  • Anonymous sagt:

    „Dann hätten Fußgänger Vorrang, dürften aber nicht im Weg einstehen und den Weg unnötig blockieren, was das Thema hier ausgelöst hat. Und Radfahren wäre erlaubt. Und zwar in Schrittgeschwindigkeit.“

    Diese Passage halte ich für ausgesprochenen Unsinn. Was heißt denn: Fußgänger dürften nicht im Weg stehen und den Weg unnötig blockieren? Ab wann steht ein Fußgänger unnötig im Weg? Gibt es dafür eine Definition? Ich denke eher, die Diskussion kommt daher auf, weil es genügend Fahrradfahrer gibt, welche wie die Bekloppten über diese Gehwege fahren und damit die Fußgänger und sich selber unnötig gefährden.
    Klar kann ich einen Fußgänger unnötig im Wege stehend empfinden, wenn ich als Fahrrad-Raser mit 25 km/h dort unterwegs bin. Könnte dann auch passieren, dass der langsame Depp es nicht mehr schafft, beizeiten zur Seite zu springen, wenn ich angerast komme, gelle?

    Warum gibt es wohl auf zahlreichen Wunstorfer Fußwegen getrennte Streifen für Fahrradfahrer und Fußgänger? Um genau solche Konflikte zu vermeiden. Die gleiche dumme Rücksichtslosigkeit bei Fahrradfahrern ist bei Zebrastreifen zu beobachten. Dort gibt es nicht wenige Fahrradfahrer, welche in hohem Tempo einfach vom Fußweg auf den Zebrastreifen abbiegen ohne Handzeichen und Rücksicht auf Verluste. Und sich dann wundern, wenn der Autofahrer nicht mehr bremsen konnte.

    Desweiteren kennen auch insbesondere Rennradfahrer offensichtlich keinerlei Rücksicht oder Verkehrregeln, wenn sie trotz vorhandener und gut ausgebauter Radwege dennoch – möglichst noch nebeneinander – die Straße benutzen.

  • Oliver sagt:

    Zitat Oldtimer: „Und Radfahren wäre erlaubt. Und zwar in Schrittgeschwindigkeit“

    Zitat Anonymous: „Klar kann ich einen Fußgänger unnötig im Wege stehend empfinden, wenn ich als Fahrrad-Raser mit 25 km/h dort unterwegs bin.“

    25 km/h sind aber keine Schrittgeschwindigkeit.
    —–

    Zitat Oldtimer: „Dann hätten Fußgänger Vorrang, dürften aber nicht im Weg einstehen und den Weg unnötig blockieren, was das Thema hier ausgelöst hat.“

    Das bezog sich vermutlich auf diesen Artikel der Auepost:
    https://www.auepost.de/stadtgespraech/gewohnheitsrecht-im-bahnhof-polizei-ermahnt-fahrradfahrer-im-fussgaengertunnel-81708/
    …insbesondere den Kommentar von Meike: „(…) Die Gruppe von Teilnehmern stand offensichtlich auf kompletter Breite des Tunnels und versperrte den Weg. Selbst als Fußgänger muss man Probleme gehabt haben durchzukommen. (…)“

  • Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    [Anzeigen]
    Auepost wird unterstützt von:
    Kontakt zur Redaktion

    Tel. +49 (0)5031 9779946
    info@auepost.de

    [Anzeigen]

    Artikelarchiv

    Auepost auf …