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Wunstorfer Innenstadtmarketing meistert den Online-Offline-Spagat

14.03.2023 • Redaktion • Aufrufe: 1286

Was macht man mit tausenden Euro Fördergeld für ein lokales Internet-Kaufhaus, das niemand haben will? Die Stadt löste es auf clevere Weise und zog zuletzt Bilanz. Auch künftig gibt es weitere Innenstadthandel-Online-Aktionen, aktuell stehen Frühlingsanfang und Ostern auf dem Programm. Die Reaktionen der Händler darauf fallen unterschiedlich aus.

14.03.2023
Redaktion
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Wirtschaftsförderer Uwe Schwamm, Bürgermeister Carsten Piellusch, Agenturchef Stefan Schmädeke und Citymanagerin Tanja Berg bei der Online-Bilanz im Ratssaal | Foto: Daniel Schneider

Wunstorf (red). Die erschienenen Pressevertreter waren deutlich überrascht – über die Zahl der erschienenen Interessierten bei der Vorstellung des Abschlussberichts zum Projekt digitale Innenstadt im Rahmen des Innenstadt-Förderprogrammes. Denn zum Auftakt war ein geplanter runder Tisch erst gar nicht zustande gekommen, und bei der ebenfalls vorangegangenen Vorstellung von Aktionen hatte es nur eine kleine Pressekonferenz gegeben. Anders am Abend des 12. Januars, beim Fazit des digitalen Adventskalenders. Statt stillem Abgesang gab es Applaus für die Agierenden. Von den 120 möglichen Händlern hatten sich knapp 40 für die digitale Förderaktion interessiert, sagte Wirtschaftsförderer Uwe Schwamm am Rande – davon waren nun viele in den Ratssaal gekommen. Angesprochen worden waren vom Citymanagement alle, die im Innenstadtring ihre Geschäfte haben.

Die Stadt hatte sogar ein kleines Buffet anrichten lassen für die Händler, damit nach dem Abschließen der eigenen Geschäfte „niemand hungern“ musste. Vier Tage vor der folgenden Aussprache zwischen Stadt und Werbegemeinschaft unterstrich es das Signal: Wir kümmern uns, richten uns nach euren Wünschen und Anforderungen. Das war es dann auch, was Stefan Schmädeke von der betreuenden Agentur „dreizehn+vier“ herausstellte: Gemacht würde, was die Händler brauchen und wollen – statt neue Experimentierfelder in der Wunstorfer Innenstadt zu erschließen. Der Experte betonte die Eigenverantwortung der Händler: „Die Innenstadt ist letztlich Ihre Spielfläche!“ Er war wenige Tage, bevor die Situation zwischen Verwaltung und Händlerschaft eskalierte.

Kein „Mitleids-Einkaufen“

Schmädeke führte noch einmal aus, warum man eine echte Online-Einkaufslösung wie ursprünglich geplant nicht weiter angestrebt hatte: Lokale Online-Kaufhäuser neben Amazon funktionierten „schlecht bis gar nicht“. Das hätten Beispiele in Bochum und Wuppertal – mit deutlich mehr Einwohnern als Wunstorf – gezeigt. Solche Versuche unter dem Motto „buy local“ seien von Mitleid getragen, was dem Handel nicht zuträglich sei. Man sei sich am Ende einig gewesen, dass ein Online-Kaufhaus für Wunstorf nicht funktioniere, so Schmädeke: Nur weil es einen digitalen Vertriebsweg gebe, hieße das noch lange nicht, dass man ihn auch einsetzen müsse. Deshalb sei es zur 180-Grad-Wende gekommen.

„Nur weil es einen digitalen Vertriebsweg gibt, heißt das noch nicht, dass man ihn auch einsetzt“

Die Stadt war damit nun in der misslichen Lage, dem Innenstadthandel nach Bewilligung der Fördergelder für den digitalen Innenstadtausbau aber irgendwie digital unter die Arme greifen zu müssen – nachdem sich herausgestellte hatte, dass forcierter Digitalvertrieb gar nicht gewollt war. Ursprünglich war der Anschub genau jenes nun verworfenen Online-Kaufhauses geplant gewesen.

Das globale Motto des Abends und für die Zukunft | Foto: Daniel Schneider

Social-Media-Strategie statt Online-Einkauf

Der Grund für das verhaltene Interesse an einer gemeinsamen Plattform liegt – bei aller beschworenen Gemeinsamkeit, für eine starke Innenstadt einzutreten – an den unterschiedlichen Interessen und Geschwindigkeiten in Sachen Online-Marketing und -Vertrieb. Da gibt es die einen, die ganz auf den klassischen stationären Handel setzen, andere, die eher zaghaft im Netz unterwegs sind – und wiederum andere, die zum Beispiel mit ihren Online-Aktivitäten im Marketing vorangehen. Als Vorbilder für starke Onlinepräsenz nannte Schmädeke das Social-Media-Marketing von H.O.M.E., Fleischerei Ludowig und Coldewerk. Aber auch viele andere Unternehmen sind aktiv, und das wiederum ganz unterschiedlich: Von TikTok über WhatsApp bis Facebook und Instagram reicht die Palette der Kanäle.

Für die bereits digital Stärkeren birgt ein gemeinsames Portal zudem die Gefahr der Gleichmacherei, für die digital Schwächeren wiederum die Gefahr des Sich-Verzettelns – was bei einer echten digitalen Handelsplattform noch viel mehr gegolten hätte. Entsprechend war man ganz auf den stationären Handel unterstützende Maßnahmen umgeschwenkt und auf die Idee des digitalen Adventskalenders als ersten Baustein einer Social-Media-Strategie gekommen. Hierbei sei dann auch Aufbruchstimmung zu spüren gewesen, so Bürgermeister Carsten Piellusch. An die Aktion kann und soll künftig angeknüpft werden: Die „Themenwelt Wunstorf“ umfasst neben der Weihnachtszeit auch Gelegenheiten wie Ferienbeginn, Hochzeiten, Pfingsten, Herbst, Halloween, Einschulung, Konfirmation, Tradition, Urlaub, Mobilität und vieles mehr.

Digitale Unterstützung für analogen Vertrieb

Beim Citymanagement sieht man die Aktion damit als Erfolg fürs Social-Media-Marketing, und die Zahlen untermauern das im Bericht, der auch als Abschlussbericht der Fördermaßnahme fungiert. Rund 5.000 Klicks habe es während des digitalen Adventskalenders täglich insgesamt auf der Instagram- und Facebookseite der Innenstadtförderung gegeben, allein in dieser Zeit habe man 420 Follower dazugewonnen. Der eigene Instagram-Account etwa zählt nun mehr Follower als derjenige der Werbegemeinschaft Wunstorf.

Öznur Acar von der Wirtschaftsförderung mit Innenstadt-Give-aways im neuen Design | Foto: Daniel Schneider

„Befüllt“ worden waren die jeweiligen Türchen von den Teilnehmern selbst, mit Unterstützung des Citymanagements. Thematische Vorgaben hatte es nicht gegeben. Meist wurden Aktionsrabatte oder Zugaben für einen Einkauf gewährt oder auch einfach nur Produkte vorgestellt. Die Teilnahme war für Händler und Kunden kostenlos.

Kritik und weitere Beratungen

Die tatsächliche Resonanz der Kunden bei der Aktion, wie viele der Klicks tatsächlich zu Geschäftsbesuchen geführt hatten, war jedoch nicht evaluiert worden. Von den Händlern wurde sie aber überwiegend als positiv bewertet. Selbst unter denjenigen, die keine besonderen Anreize wie Gutscheine oder Rabatte während der Aktion angeboten hatten, war die Resonanz deutlich wahrgenommen worden.

Eine dauerhafte Teilnahme an solchen Formaten kann sich dennoch nicht jeder Händler vorstellen – der Zeitaufwand ist nicht zu unterschätzen. Nicht jeder Einzelhändler möchte regelmäßig neben seinem Geschäft auch noch zum Social-Media-Content-Lieferanten werden.

Spannend bleibt deshalb, ob sich der neue digitale Schwung auch langfristig festigen kann. Schon kurz darauf, am 19. Januar, hatte sich das Citymanagement mit einer Handvoll Händler im Werkraum Wunstorf bereits wieder getroffen für weitere Abstimmungen zur künftigen Ausgestaltung des digitalen Wunstorfs. Es war die Auftaktveranstaltung für die „Zeit danach“, für künftige Marketingmaßnahmen ohne zusätzliches Fördergeld. Im Ergebnis wurden eine weitere Online-Marketing-Aktion anlässlich von Konfirmation/Kommunion ins Programm genommen, weitere sollen folgen, sagt Wirtschaftsförderer Uwe Schwamm. Jetzt im März dreht sich zum Frühlingsanfang alles um das Thema „Wunstorf blüht auf“, im April dann natürlich um Ostern.

eine Katastrophe

Zum Abschluss des Abends am 12. Januar überraschte Stefan Schmädeke die Stadtverwaltung noch mit der dringenden Empfehlung, die eigene Homepage unter wunstorf.de zu erneuern. Diese sei technisch „eine Katastrophe“, gab er dem Bürgermeister mit auf den Weg, was dieser mit einem freundlichen Augenrollen quittierte. Dabei war zumindest das Design der Stadtpräsenz erst vor 4 Jahren für rund 5.000 Euro erneuert worden.

In Relation zur zurückliegenden digitalen Wunstorfer Weihnacht war das ein Schnäppchen: 30.000 Euro waren in das Projekt geflossen. Auch wenn dabei Grundlagen geschaffen und neue Anreize entwickelt wurden – die Förderaktion dürfte damit einen der teuersten Online-Adventskalender überhaupt produziert haben.

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Kommentare


  • Birgit N. sagt:

    Wenn sich etwas bewährt, amortisiert und Gewinne einfährt, sollte man den Beibehalt überlegen.

    Ist jedoch nicht nur die Risikospanne zwischen Minus und Plus unabsehbar oder bauen sich Verluste auf, die sich nicht mehr korrigieren lassen, sei ein Projekt abzulehnen.

    Internethandel und -kauf ist in heutiger Zeit das Kauf- und Verkaufsmittel schlechthin. Allerdings ist nicht jeder ein Fan von Warenkorb und virtuellem Kassegehen.
    Eine Innenstadt mit diversen Einzelhandelsgeschäften, kleinen Restaurants, hier eingeschlossen, Eiskaffeé und Co., hat vielerlei Gutes.

    Wird der Handel auf dieser Ebene unterstützt und nicht heruntergewirtschaftet, wäre die Möglichkeit des viruellen Einkaufes eine Sparte, die nicht abträglich sein kann.
    Leidet er aber, wäre es sehr schade um die vorhandenen kleinen netten Geschäfte, die noch übriggeblieben sind. Der Verlust von „Rosmarin“ und den kleinen Tierladen schmerzt noch immer.

    Man kann sich freuen, dass in einer Einkaufsmeile wie dort ein großes Angebot an Dingen des täglichen Lebens vorherrscht. Klamotten- und Schuhläden, Drogeriemärkte und Apotheken, Bücherladen, Kleinhandel, Secondhandgeschäfte und auch ein großes Warenhaus. Eigentlich doch prima, und es soll so bleiben.

    Oder?

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