Wunstorf (ds/as). Die Abstimmung am Donnerstagabend war im politischen Wunstorf mit Spannung erwartet worden. Nachdem die Parteispitze sich überraschend für Martin Ehlerding ausgesprochen hatte und der überrumpelte Piellusch, der seit Jahren Ambitionen für den Bürgermeisterposten hegt, daraufhin ebenfalls seine parteiinterne Kandidatur erklärt hatte, blieb es bis zuletzt unklar, für welche Person sich die Wunstorfer SPD-Mitglieder entscheiden würden. Sowohl dem Großenheidorner Ortsbürgermeister Ehlerding als auch Erstem Stadtrat Piellusch war ein Sieg zugetraut worden.
Die Online-Mitgliederversammlung am Donnerstagabend brachte Klarheit. Kurz nach 19 Uhr verkündete Torben Klant vor dem Bildschirm im Roten Lehmhaus das Ergebnis der Briefwahl, für die den Genossen eine Woche Zeit zur Verfügung gestanden hatte. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Bei einer Wahlbeteiligung von 67 Prozent stimmten 224 Mitglieder gültig ab. Von diesen 224 Stimmen entfielen 70 auf Martin Ehlerding und 153 Stimmen auf Carsten Piellusch. Dazu kam eine Enthaltung. Somit hatten über zwei Drittel der abstimmenden Mitglieder für Piellusch votiert. Heike Leitner überreichte dem Gewinner Blumen.
Heute ist wirklich ein glücklicher Tag für michCarsten Piellusch
„Heute ist wirklich ein glücklicher Tag für mich“, sagte Piellusch nach Verkündung des Ergebnisses, und dankte im gleichen Atemzug nicht nur den Mitgliedern für das Vertrauen, sondern auch Ehlerding für einen fairen innerparteilichen Wettbewerb.
Der unterlegene Ehlerding, der sichtlich ernst wirkte, gratulierte Piellusch, obwohl er lieber in einer anderen Rolle gesprochen hätte: „Zum Sieg gehört die Niederlage“, sagte der Großenheidorner, und stellte sogleich das Positive heraus: Nun beginne der Wahlkampf, und man werde gemeinsam den Sieg holen. Er selbst wolle wieder für den Ortsbürgermeisterposten in Großenheidorn und einen Sitz im Stadtrat kandidieren, sagte Ehlerding abschließend. „Martin, ich unterstütze dich“, sicherte Piellusch ihm seine Hilfe bei der Ortswahl zu.
In den Wahlkampfmodus schaltete auch Piellusch umgehend. Er beschwor, dass man die stärkste Fraktion in der Stadt stelle, und die Kandidatenwahl sei zügig, demokratisch und modern abgelaufen. Diese Abstimmung sei eine Zierde für die Partei gewesen, von der sich die politischen Mitbewerber eine Scheibe hätten abschneiden können.
Zum Sieg gehört die Niederlage Martin Ehlerding
Die örtliche SPD-Basis hat mit dem heutigen Abstimmungsergebnis auch klargemacht, dass sie sich einen Kandidaten nicht von oben diktieren lässt. Viele Teilnehmer der Videokonferenz signalisierten dem Sieger elektronisch Beifall, insgesamt wirkte die Reaktion auf das Ergebnis in der Onlinekonferenz allerdings verhalten.
Es werde auf dem Weg zum Bürgermeisteramt jedoch kein Durchmarsch werden, für niemanden, hieß es, aber man wolle Zeichen setzen. „Eine neue Ära beginnt“, sagte Piellusch abschließend, bevor er sich mit einem „Glückauf“ zum Feiern zurückzog. Ob das Ziel gelingt und erstmals seit drei Amtszeiten CDU-Herrschaft im Rathaus wieder ein SPD-Bürgermeister einziehen wird, wird sich am 12. September zeigen.
Dieser Ausgang der parteinternen Bürgermeisterkandidatenwahl der SPD ist nicht nur ein überzeugender Sieg für Carsten Piellusch in persona, es ist auch ein nicht hoch genug einzuschätzender Erfolg innerparteilich gelebter Demokratie! In einer Zeit, in der das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Prozesse demokratischer Willensbildung – meines Erachtens durchaus zurecht! – immer mehr schwindet, erweist sich dieser Wahlakt der örtlichen SPD als ein mit einem „dicken Ausrufezeichen“ versehener positiver Kontrapunkt! Vielleicht geht hiervon ja auch einmal ein Zeichen aus an übergeordnete Parteigliederungen, und zwar dergestalt, dass es der innerparteilichen Akzeptanz und weit darüber hinaus durchaus zuträglich sein kann, von oben aus öfter einmal „in den Bauch“ der Partei hinein zu horchen anstatt „einsame“ Führungsentscheidungen zu treffen, die die „Basis“ und die Bürger*innen nur noch mit Kopfschütteln quittieren können. So erschien es dem amtierenden SPD-Ministerpräsidenten bei der Auswahl für die vakant gewordene Leitung des Sozialministeriums offenbar wichtiger, dass die von ihm hierfür auserkorene Person über politisch-kommunikative Fähigkeiten verfügt, als fachlich hierfür auch nur ansatzweise qualifiziert zu sein – und dies in Zeiten einer für jenen Sektor höchst gravierenden Ausnahmesituation! Doch zurück nach Wunstorf: Ich denke, dass diese Niederlage für Martin Ehlerding keineswegs das Ende seiner politischen Karriere zu bedeuten braucht und es auch nicht sein wird. Die nächste Landtagswahl kommt bestimmt, mag sie momentan auch noch im langen Schatten der diesjährigen Bundestagswahl nicht wahrnehmbar sein…
Da hat wohl die SPD interne Spitzen-Klüngelei ihren verdienten Dämpfer erhalten.
Recht so !