Wunstorf (as). Dass Abstellflächen im Zentrum fehlen, steht für die Gemeinschaft der Geschäftsleute außer Frage. Drei wesentliche Gutachten, die die Stadt in Auftrag gegeben habe, seien zu diesem Ergebnis gekommen. Aus parteitaktischen und ideologischen Gründen werde das Thema aber von Verwaltung und Ratsmehrheit „tabuisiert“, kritisiert der Vorstand um Christoph Rüther. Diese Blockade müsse im Sinne der ganzen Stadt durchbrochen, das Thema Parkdeck am Nordwall breit diskutiert werden.
Die Werbegemeinschaft Wunstorf (WGW) steht mit ihren Forderungen nach mehr Parkraum nicht allein da. Aber aus der Politik kommen heftiger Gegenwind und Skepsis. Gegenüber der Öffentlichkeit schweigsam, hat der Vorstand der WGW in getrennten Gesprächsrunden mit der Verwaltungsspitze um Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD) und den maßgeblichen Vertretern der Ratsfraktionen für seine Idee geworben, den Parkplatz um eine Ebene aufzustocken: Ein Parkdeck soll zentrumsnah den Bedarf decken und damit Wunstorfs Chancen als Einkaufsstadt wahren oder verbessern – und dem Kleinklima nützen.
Im Vordergrund der vertraulichen Treffen stand der Meinungsaustausch im Rathaus – mit dem Bürgermeister und Alexander Wollny, dem Leiter der Bauverwaltung. Aber als ebenso intensiv schildert der Vorstand den Gedankenaustausch mit den Spitzen der SPD- und der CDU-Ratsfraktion, mit den Bündnisgrünen und FDP-Einzelkämpfer Klaus Maurer. Bei den wichtigsten Entscheidern – den Gesprächspartnern im Rathaus und im Roten Lehmhaus der Sozialdemokraten – stößt der Vorschlag der WGW auf Kritik und Ablehnung. Deshalb ändert sie überraschend die Taktik. Nach selbst gewählter Zurückhaltung geht der Vorstand nun in die Öffentlichkeit. Der Vorsitzende und einige seiner Mitstreiter wollen die Führung der WGW zwar 2024 abgeben, das Thema Parkplätze, -zeiten und -gebühren aber weiter intensiv bearbeiten.
Der Vorstand ist gut gewappnet in die Gespräche gegangen: Ein Dreier-Team hat wochenlang Akten studiert und Daten zusammengetragen. Michael Schaer, seit Jahrzehnten in der Gruppe aktiv und Organisator vieler Großveranstaltungen, hat akribisch städtische Vorlagen und die Gutachten ausgewertet. Mit Rüther hat er die Ergebnisse bewertet und ein Positionspapier erarbeitet.
Freiwillig hinzugekommen ist Jörn Knop, Tischler, Architekt und Innenarchitekt, Spezialist für computergestützte Entwurfs- und Konstruktionsarbeiten und ehemaliger Dozent. Er ist vor einigen Jahren in seine Heimatstadt Wunstorf zurückgekehrt und lebt an der Speckenstraße. Nach eigenen Worten ist er mit einigen Geschäftsleuten der Innenstadt befreundet und kennt deren Sorgen. Als Hausbesitzer und Anlieger weiß er aus eigener Anschauung, wie die Parkplatzsituation im Stadtkern ist. Er leide fast jeden Tag wie viele Nachbarn unter dem Suchverkehr an den Parkplätzen und in den Nebenstraßen der Fußgängerzone, sagt er im Gespräch mit der Auepost.
Der hohen Zufriedenheit befragter Besucher der Innenstadt mit dem Warenangebot stehe deutliche Unzufriedenheit wegen der Parkplatzsituation gegenüber. Als Quellen werden Expertisen der bulwiengesa AG Berlin (2018), der Firma SHP Ingenieure (2020) und aus dem Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK) von 2022 angegeben. Die Parkflächen im Zentrum seien in der Regel “voll bis übervoll”, dezentral, verstreut und schwer zu finden. Ein Leitsystem sei deshalb unmöglich.
Ein „sicherer Ankunftsort“ könne erst ab einer Größe von mindestens 50 Stellplätzen angenommen werden. Das gehe ebenfalls aus den drei Gutachten hervor. Nur ein größerer, zentral gelegener Parkplatz ermögliche einen „Mobilitätshub mit sinnvoll kombinierten, ergänzenden Funktionen wie Toiletten, E-Ladestationen, Carsharing und Parkleitsystem“. Der Schützenplatz werde von den Interviewten nicht als Innenstadt betrachtet.
Sicherer Ankunftsort, so Knop und Rüther im Gespräch mit der Auepost, könne der ideal liegende Nordwall-Parkplatz sein. Eine zweite Ebene – ein Parkdeck auf Stelzen – könne das Angebot schlagartig verbessern und Suchverkehr zu Lasten der Umwelt vermeiden. Knop hat computergenerierte Ansichten erstellt, der Vorstand hat sie in die Verhandlungen eingebracht. Die Visualisierungen werden inzwischen in Knops Büro aufgearbeitet und verbessert.
In großer Offenheit schildern sie, wie weit die Positionen im „Krisengipfel“ im Januar voneinander abweichen. Das betreffe in erster Linie die Haltung von Bürgermeister und Stadtbaurat, aber auch die der SPD-Ratsfraktion. Deren Ablehnung sei klar und eindeutig. Rüther und Knop kritisieren zum Beispiel, dass die Stadtverwaltung gegenüber den Gutachtern 1.070 Stellplätze angegeben habe. Diese Zahl sei ungeprüft von den Experten übernommen worden. „Die gibt es nicht“, sagt Knop und verweist auf eigene Bestandsaufnahmen: “Wir haben gezählt, kartiert und grafisch dargestellt”. Im Rathaus seien die Zahlen der WGW in Frage gestellt worden. Deren Angebot, gemeinsam zu zählen, habe die Verwaltung abgelehnt. Die WGW moniert zudem, dass die Stadt zentrumsferne Stellplätze einbeziehe, zum Beispiel an der Hindenburgstraße.
„Die gibt es nicht“
Jörn Knop zur von der Stadt angegebenen Parkplatzzahl
Während die Stadt in den Gesprächsrunden nach Darstellung der WGW bisher auf der Zahl von 1.070 beharrt habe, ist seit kurzer Zeit auf der offiziellen Wunstorfer Internetseite eine Übersichtskarte zu finden, die 851 Einstellplätze zeigt. Dazu erklärt Stadtsprecher Alexander Stockum, die neue Veröffentlichung stamme aus der städtischen Wirtschaftsförderung. Dabei sei, dem Trend folgend, der Platzbedarf großer Fahrzeuge wie sogenannter SUV und Geländewagen zugrundegelegt worden.
Stockum: „Würden wir die Größe eines Smart nehmen, kämen wir auf mehr Plätze.“ Das Gutachten aus dem Jahr 2020 identifiziere „insgesamt ungefähr 1.000 Parkplätze“, erläutert er weiter: Stellplätze in der Innenstadt sowie solche an Fahrbahnrändern und auf sogenannten halböffentlichen Flächen, die direkt einzelnen Geschäften (z. B. Volksbank, Woolworth oder anderen) zugeordnet sind, aber gleichzeitig allen Kunden zur Verfügung stehen.
Die Internetseite und der Flyer des Citymanagements bildeten diese halböffentlichen Parkplätze nicht ab. Allerdings gebe es diese Parkmöglichkeiten in der Realität, und sie würden von Kunden auch genutzt. Stockum weiter: „Ferner ist die Anzahl der Parkplätze beim Parkplatz An der Aue oder an den Seitenstreifen auch davon abhängig, was für Fahrzeuge mit welcher Größe dort geparkt werden. Schließlich gibt es in diesen Fällen keine durchgängigen Markierungen, die unmissverständlich einen Stellplatz verdeutlichen.“ Ein Kleinwagen nehme weniger Platz ein als ein SUV. Insofern hänge die Parkplatzanzahl in diesen Fällen von den Fahrzeugen und deren Größe ab. Die WGW hält dem entgegen, alle Gutachter hätten die Zahlen aus dem Rathaus übernommen, ohne selbst geprüft zu haben.
Aus dem Positionspapier der Werbegemeinschaft: Die Besucherzahlen für die Innenstadt setzen sich zu etwa einem Drittel aus Bewohnern der Kernstadt, zu etwa einem Drittel aus Bewohnern der umliegenden Ortschaften und zu etwa einem Drittel aus auswärtigen Gästen zusammen. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass zwei Drittel der Besucher in der Regel mit dem Auto in die City kommen. Laut Gutachten existieren 16.700 Quadratmeter Verkaufsfläche. Die hierfür erforderlichen Stellplätze ergeben sich aus der Berechnungsformel: fünf Stellplätze pro 100 Quadratmeter Verkaufsfläche. Das entspricht 835 Plätzen als erforderliches Minimum. Hinzu komme in der Innenstadt der Bedarf an Stellplätzen für Arztpraxen, Gastronomie und sonstiges Gewerbe und zusätzlich noch der Bedarf von Berufspendlern in die Stadt und von Anwohnern ohne eigenen Stellplatz. Das erfordere vermutlich noch weitere 200 Stellplätze. Dies ergebe einen rechnerischen Bedarf von 1.035 Stellplätzen. Verfügbar seien lediglich 468 Plätze und weiter entfernt zusätzliche 298. Das bedeute ein Defizit von 269 Einstellplätzen.
Die Atmosphäre im Rathaus beschreiben die WGW-Sprecher als angespannt, die Diskussion als kontrovers. Während Stadtbaurat Wollny die Vereinigung der Geschäftsleute als Bremser dargestellt habe, die sich Neuem verschließe, gefalle Bürgermeister Piellusch die ganze Form der von der WGW vorgelegten Auswertung nicht. Piellusch werfe dem Vorstand vor, die stadteigene sogenannte Evaluation vom Mai 2022 zu missachten und alte Analysen heranzuziehen. Statt „alt vor neu“ setze die Stadtverwaltung auf „neu vor alt“, habe Piellusch erklärt. Rüther und seine Kollegen halten dagegen: In der Sommerhitze seien 2022 von der Stadtverwaltung gerade einmal gut 100 Passanten interviewt worden. Dem gegenüber hat die bulwiengesa AG jetzt in einer brandaktuellen Befragung die Meinung von etwa 300 Personen eingeholt. Dieses Gutachten hat die WGW in Auftrag gegeben. Sie diskutiert die Expertise zurzeit und will sie in Kürze öffentlich präsentieren.
Nach dem Eindruck der WGW steht die Spitze der Stadtverwaltung massiv unter politischem Druck. Maßgebliche Ratsherren der SPD hätten sich die ideologisch geprägte Position der Region Hannover zu eigen gemacht: Der Individualverkehr solle stark reduziert und umweltgerechte Transportmöglichkeiten erheblich ausgebaut werden. Bürgermeister Piellusch argumentiere unter dem Einfluss „seiner SPD“. Das sei offensichtlich. Zurzeit werde der Mangel verwaltet, so die Geschäftsleute, mittel- und langfristig führe die Politik, wie sie die Region im Verkehrsentwicklungsplan 2035+ formuliere, zur Abschreckung von Besuchern und Kunden.
Wie Piellusch und Wollny lehne auch die SPD-Fraktion den Bau eines Parkdecks am Nordwall ab, berichten Rüther und Knop. Parteipolitische Gesichtspunkte seien offenbar vorrangig. Es stelle sich die Frage, was wichtiger sei: die Wunstorfer Interessen und die Wünsche der Kundschaft oder die politischen Ziele der Führung der Region Hannover, in der Wunstorfer SPD-Politiker wichtige Rollen spielten.
Die städtebaulichen Aspekte, die die SPD beim Treffen im Roten Lehmhaus vorgebracht habe, seien vorgeschoben. Mehrfache Nachfragen dazu seien unbeantwortet geblieben. Das Argument der Sozialdemokraten, die zweite Parkebene am Nordwall würde den Blick auf die Häuserzeile an der historischen Wasserzucht stören, lässt Knop nicht gelten: Der Parkplatz liege in einer Senke, und die Sicht auf das Ensemble werde nicht verbaut. Die WGW-Sprecher wissen von SPD-Repräsentanten aus dem Umland, die ein Parkdeck nicht rundweg ablehnen. Die Stadtratsfraktion sei keineswegs so geschlossen gegen die Idee eingestellt, wie es der Fraktionsvorstand darstelle. Fraktionschef Martin Ehlerding befinde sich in einer Zwickmühle.
Als „illusorisch“ bezeichnet der Vorstand den Vorschlag von SPD-Politikern, einen Pendelverkehr zum Schützenplatz einzurichten, um Besucher von dort in die Innenstadt zu bringen. Das sei im Zusammenhang mit dem Weihnachtsmarkt als zeitlich begrenztes Angebot kalkuliert worden und habe sich als unbezahlbar erwiesen.
Von der CDU berichten Rüther und Knop, sie sei grundsätzlich nicht gegen ein Parkdeck, wolle aber als Koalitionspartner der SPD im Rat nicht gegen deren Position argumentieren. Die Grünen befürworten nach Darstellung der WGW eine behutsame Lösung. Ein Parkdeck sei ein interessanter Vorschlag, der geprüft werden sollte. An dem Treffen mit den Grünen hat auch Klaus Maurer von der FDP teilgenommen. Seine Position sei differenziert, aber keineswegs ablehnend.
„Das Thema endet nicht im Januar 2024!“
Christoph Rüther
Die Werbegemeinschaft will mit ihrem Schritt in die Öffentlichkeit eine breite Debatte anregen. „In den unmittelbaren Gesprächen kommen wir nicht weiter!“, klagt Knop. Der Vorschlag Parkdeck liege auf dem Tisch und sei fundiert begründet. Die Idee zu tabuisieren, sei nicht die Lösung. Nur ein öffentlicher Dialog führe zum Konsens. „Überall Parkautomaten“ aufzustellen, eine „Ein-Stunden-Regelung“ einzuführen und sich alternativen Vorschlägen zu verschließen, werde dem Problem nicht gerecht. Auch wenn er Anfang nächsten Jahres aus dem Vorstand ausscheidet, will Rüther am Ball bleiben: „Das Thema endet nicht im Januar 2024!“
Mit der heutigen Veröffentlichung beginnt die Auepost-Redaktion eine lose Artikelserie: das „Dossier Herzkammer Innenstadt“. Die Autoren blicken in die Zukunft, die Gegenwart und die Vergangenheit. Es geht um das Herz der Stadt. Folge 1: Parkdeck und Parteien.
Als ob ein Parkdeck die Innenstadt retten würde?! Da gibt es ganz andere Probleme in der heutigen Zeit. Eine attraktive Innenstadt wird nur durch gebührenfreie Parkmöglichkeiten gerecht, gerade in einer Kleinstadt!
Aber viel wichtiger ist, doch dass sich das Einkaufsverhalten in den letzten 10 Jahren – und seit Corona insbesondere – drastisch verändert hat. Diese Problematik sieht scheinbar keiner der Verantwortlichen, die nachwievor glauben, dass der innerstädtische Slogan oder das gemütliche Flanieren schon reichen werden. Sorry, aber dieses Rumgejammere ist nur noch erbärmlich.
„– und dem Kleinklima nützen“
Damit ist dann sicherlich das Kleinklima der Speckenstraße, dem Wohnort des selbstlosen Klimaretters gemeint?
“ und lebt an der Speckenstraße. „
Meine Hochachtung,Herr Süß, ein hervorragend und fair recherchierter Artikel. Old Scholl eben.Danke!