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Tafeln dürfen keine Ein-Euro-Jobber mehr beschäftigen

20.04.2020 • Daniel Schneider • Aufrufe: 967
20.04.2020
Daniel Schneider
Aufrufe: 967

Den Tafeln in Deutschland brechen unter ohnehin schwierigen Zeiten weitere Mitarbeiter weg. Die 1-Euro-Jobber sind beurlaubt. Die Wunstorfer Tafel konnte den Betrieb trotz Corona-Krise bislang aufrechterhalten, mittels Lieferservice und der kontaktlosen Warenausgabe durch ein Fenster.

Tafel Deutschland

Lebensmittelausgabe in der Tafel | Foto: Tafel Deutschland e. V./Nikolaus Urban

Berlin/Wunstorf (red). Die Tafel Deutschland informierte heute ihre Mitglieder, dass keine Ein-Euro-Jobber mehr bei den Tafeln beschäftigt werden können. Dies hänge zusammen mit dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz im Rahmen der Anti-Corona-Maßnahmen. Bundessozialministerium und Arbeitsagentur hätten eine entsprechende Anweisung gegeben. Demzufolge sollen z. B. auch Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II (die als Ein-Euro-Job bekannt sind) daraufhin überprüft werden, ob eine alternative Durchführung möglich sei. Ist dies nicht der Fall, soll die Maßnahme eingestellt werden. Diese gelten dann rechtlich als unterbrochen. Zahlungen an die Ein-Euro-Jobber werden damit eingestellt, ein Neubeginn solcher Maßnahmen ist nicht möglich.

Für die Tafeln bedeutet das, dass die Mitarbeiter, die über das Jobcenter als Ein-Euro-Kräfte kommen, ihre Arbeit beenden müssen. Der Tafel Deutschland e. V. sammelt derzeit Informationen von den Tafeln vor Ort, wie die derzeitige Arbeit in Corona-Zeiten aussieht, um die Politik auf das Problem aufmerksam zu machen.

Tafel „to go“

Tafel Wunstorf

Die Tafel Wunstorf | Foto: Daniel Schneider

Die Wunstorfer Tafel hat ihre Arbeit in der Corona-Krise unterdessen aufrechterhalten können. Nach einem dramatischen Aufruf von Tafel-Leiter Frank Löffler häuften sich im Tafelhaus an der Neustädter Straße die Hilfsangebote. Privatleute brachten kistenweise Lebensmittel, andere hinterließen Geld oder deponierten ihre Spenden in Supermärkten oder bei Bio-Bauern. So konnte einerseits der Lieferservice für Bedürftige aufrechterhalten werden, die krank oder behindert sind.

Andererseits war die Spendenbereitschaft so groß, dass das Tafel-Team eine völlig neue Form der Ausgabe praktizieren konnte. Lebensmittel wurden und werden in Tüten gepackt und an einem der Fenster kontaktfrei an Kunden ausgegeben. Das hatte sich nach kurzen Anlaufschwierigkeiten so gut bewährt, dass die Tafel bis Ostern so weitermachte. Während der Feiertage war die Tafel geschlossen, ebenso in der Woche danach. „Hoffentlich können wir dann wieder normal weitermachen“, sagte Löffler und dankte allen Wunstorfern, die den Verein mit ihren Spenden unterstützt haben.

9 Mitarbeiter fallen weg

Diese Hoffnung könnte nun durch die neuen Bestimmungen langfristig zunichtegemacht werden. Die Tafel Wunstorf beschäftigt normalerweise den größten Anteil der Ein-Euro-Jobber in der Stadt. Sie befürchtet, dass der Betrieb nun eingestellt werden muss. Die letzten verbliebenen 1-Euro-Mitarbeiter, in Wunstorf waren es zuletzt 4 von insgesamt 9, wurden heute auf unbestimmte Zeit beurlaubt. Das Wegfallen auch noch dieser letzten Verbliebenen macht den entscheidenden Unterschied: „Ohne diese 4 Mitarbeiter hätten wir die Tafel nicht öffnen können“, sagte Frank Löffler der Auepost. Vor der Corona-Krise waren ca. 60 Menschen bei der Tafel beschäftigt, seit 4 Wochen wird mit einer Kernmannschaft von 8 bis 10 Mitarbeitern gearbeitet. Diese wird nun nochmals halbiert. „Wir nähern uns dem Ende unserer Kräfte“, so Löffler. Man müsse nun in Erwägung ziehen, die Tafel zu schließen.

[box type=“info“ align=““ class=““ width=““]Versorgung durch die Tafel: Normalerweise profitieren an den drei Ausgabetagen etwa 120 sogenannte Bedarfsgemeinschaften von der Tafel. Eine Bedarfsgemeinschaft besteht in Wunstorf statistisch aus 2,2 Personen.[/box]

Damit stehen aktuell noch maximal 6 ehrenamtliche Helfer zur Verfügung. Das Ersatz-Team aus 9 Personen, das sich im Hintergrund bereithielt, den Dienst zu übernehmen, wenn im ersten Team ein Corona-Fall auftreten sollte, ist somit unterschritten. Zuletzt meldeten sich allerdings auch viele Freiwillige im Tafel-Büro und boten ihre Mitarbeit an. Die Hilfsbereitschaft reicht aber noch weiter: Die Stadtverwaltung hat angeboten, ein Fahrzeug für den Lieferdienst bereitzustellen, falls es mit den beiden Transportern der Tafel nicht zu schaffen ist. Das ist zunächst nicht nötig, denn der Fuhrpark ist um einen Wagen ergänzt worden, den ein Autohaus zur Verfügung gestellt hat.

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Kommentare


  • G. Decker sagt:

    Ich habe grundsätzlich ein ausgesprochen zwiespältiges Verhältnis zu Beschäftigungen über die 1-Euro-Jobs.
    Die Gründe hierfür darzulegen, sprengt hier den Rahmen und ist somit vermutlich nicht erwünscht.

    In Bezug auf die Arbeit der Tafeln- nicht nur die der Wunstorfer- ist der Wegfall der Menschen, die über diese 1-Euro-Jobs dort ehrenamtlich arbeiten, existitentiell bedrohlich.

    Dass derzeit der Schutz aller vor eine Infektion mit dem Covid-19 auslösenden Coronavirus höchste Priorität hat, dürfte inzwischen jedem klar sein.
    Doch ich bin mir nicht sicher, ob das Argument hier nicht ein vorgeschobenes ist.

  • Basti g. sagt:

    Vielleicht gibt es ja ehrenamtliche aus den bedarfsgemeinschaften die mit anpacken können damit wäre doch jedem geholfen

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