Hilfsgüter in ferne Länder zu fliegen, das ist für die Militärtransportflieger auf der Wunstorfer Luftwaffenbasis nichts Besonderes. Ob bei Überschwemmungen oder Erdbeben – den Transport der humanitären Unterstützung auf dem Luftweg übernimmt in Deutschland in dieser Größenordnung in der Regel die Luftwaffe. Zuletzt flog man etwa nach Libyen oder in die Türkei. Nur die Dimensionen haben sich seit einigen Jahren buchstäblich verschoben: In die modernen A400M-Flugzeuge passt deutlich mehr Fracht hinein als in das Vorgängermodell Transall.
Die Presse ist eingeladen, bei der Verladung am Morgen des 16. Dezember dabei zu sein, aber nicht alle Redaktionen sind bereits zu so früher Stunde unterwegs. Die Auepost hat zugegebenermaßen einen kleinen Standortvorteil (wir sind von der Redaktion aus in 10 Minuten am Fliegerhorst). Für die Kollegen der überregionalen Presse gehört man da schon beinahe mit zum Inventar. Man liest sich gegenseitig. Andere sind wiederum gleich vor Ort geblieben und haben sich Hotelzimmer genommen – am Tag zuvor war das letzte heimkehrende Mali-Kontingent vom Bundesverteidigungsminister – in Friedenszeiten der oberste Bundeswehrbefehlshaber – mit großer Zeremonie empfangen worden.
„Das LTG 62 ist jederzeit in der Lage, solche Routineflüge kurzfristig durchzuführen“
Oberst Christian John
Gegen das Ende einer 10-Jahres-Mission in Afrika unter unschönen Bedingungen ist das Beladen eines Flugzeuges kaum eine Nachricht wert – Stichwort Routine. Für die Soldaten auf dem Fliegerhorst sind die Handgriffe dieselben wie bei jedem anderen Transportauftrag auch. Aber diesmal ist eben doch etwas anders. Es ist nicht nur Fracht, sondern es sind Hilfsgüter – und sie sind bestimmt für den Gazastreifen.
An diesem Samstag, es ist das dritte Adventswochenende 2023, sollen Inkubatoren, Beatmungsgeräte und Patientenmonitore zum internationalen Flughafen nach Kairo geflogen werden. Es ist der erste logistische Hilfsgütertransport, den die Luftwaffe auf Bitte des Außenministeriums für die Gaza-Flüchtlinge fliegt. Die medizinische Versorgung von Kranken und Verletzten – vor allem von Kindern – aus dem Gazastreifen soll damit unterstützt werden. Zum Einsatz kommen werden die Hilfsgüter in Grenznähe in einem ägyptischen Krankenhaus.
Die Anfrage für den Hilfsgütertransport, der an das Verteidigungsministerium gerichtet wurde, sei für die Luftwaffe ein Routineflug, der jederzeit auch kurzfristig übernommen werden könne, berichtet Oberst Christian John, der im Dezember noch als Kommodore dem LTG 62 vorsteht. Die Arbeit des Lufttransportgeschwaders stelle dabei die flexibelste und schnellste Möglichkeit dar, auf diese Art von Anfragen zeitnah zu reagieren.
Es wirkt alles durchorganisiert und routiniert, als bei windigen 6 Grad die Beladung einer A400M-Maschine der Luftwaffe durch zwei mit Hilfsgütern beladene High-Loader beginnt. Insgesamt 7,6 Tonnen, verteilt auf insgesamt 9 Paletten, werden in das Flugzeug geladen. Festgezurrt mit Gurten und auf für den Lufttransport vorgesehenen Verladeplatten, sogenannten Heavy Cargo Units, befestigt, geht alles ganz schnell. Über das Schienen- und Rollensystem verladen die technischen Ladungsmeister die Fracht im Wert von etwa 1,4 Millionen Euro innerhalb weniger Minuten. Die Ladung war bereits am Vortag in Wunstorf eingetroffen: 8 Inkubatoren, 50 Beatmungsgeräte und rund 100 Patientenmonitore
Heavy Cargo Units (HCU) sind eigens für den Lufttransport vorgesehene Paletten, um schwere Fracht mit Zurrgurten für den Transport sicher zu machen und Platz optimal nutzen zu können.
Es sind eindrückliche Bilder, wenn Paletten mit Hilfsgütern, gekennzeichnet mit der deutschen Flagge, im Flugzeugrumpf verschwinden. In diesem Moment wird noch einmal klar, wie wichtig und bedeutsam die humanitäre Hilfe der Bundesrepublik ist. Aber die Beladung über das Rollen- und Schienensystem in den A400M geht so flink und präzise vonstatten, wirkt fast automatisiert. dass man sich als Außenstehender beinahe verwundert die Augen reibt, als sich kurz darauf schon die Ladeklappe schließt.
Die Fernsehreporterkollegen versuchen fast schon verzweifelt, den Beteiligten ein emotionales Statement abzuringen, „Was bedeutet der Flug für Sie, was macht das mit Ihnen?“, schließlich hat der Hilfsgütertransport, der für jüngste Patienten aus dem Gazastreifen bestimmt ist, eine besondere Dimension. Doch für die Crew ist der Transport zunächst einmal einfach nur Fracht wie jede andere auch, und mit dem gut viereinhalbstündigen Flug nach Kairo geht es auch nicht in ein Kriegs- oder Krisengebiet. Es ist ein ganz normaler Flug. Die Hilfsgüter werden vor Ort der deutschen Botschaft übergeben, die sich um die weitere Verwendung kümmert – damit wird der Einsatz für die Transportflieger beendet sein.
Das, was den Flug tatsächlich anders macht, ist das große Medieninteresse. Hauptmann Leonie, Co-Pilotin der Maschine, antwortet stellvertretend für die Crew: Es sei schon etwas Besonderes, eine Ladung zu fliegen, die vor allem auch zur Versorgung von Säuglingen und Kindern gedacht sei, deren Situation man selbst tagtäglich in den Medien verfolge. Fliegerisch sei es aus ihrer Sicht aber ein normaler logistischer Flug, ohne spezielles Anforderungsprofil an die Besatzung. Ein Frachtflug eben.
Fast planmäßig, nämlich sogar etwas früher als zur geplanten Uhrzeit, verlässt der Airbus dann mit sieben Crewmitgliedern, zwei mitfliegenden Berichterstattern der Bundeswehr selbst und den Hilfsgütern um 8.28 Uhr den Fliegerhorst Wunstorf Richtung Ägypten. Ohne die Medienpräsenz wäre man sogar noch früher unterwegs gewesen. Der erste von mehreren Hilfslieferungsflügen für den Gazastreifen ist unterwegs.
Fotos: Deppe/Dombrowski
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