Wunstorf (ds). Die Ankündigung wurde wahr gemacht: Andreas Gustafsson vom Institut Bulwiengesa war von der Verwaltung eingeladen worden, die Ergebnisse des neuerlichen Innenstadteinzelhandel-Gutachtens noch einmal der Ortspolitik vorzustellen. In Auftrag gegeben worden war das Gutachten von der Werbegemeinschaft Wunstorf.
Vertreter der Werbegemeinschaft saßen im Zuschauerbereich und verfolgten den Vortrag, der für die Ortsrats- und Bauausschussmitglieder gehalten wurde. Bauausschuss und Ortsrat Wunstorf hatten zu diesem Grund am gestrigen Donnerstagabend gemeinsam in einer Mammutsitzung getagt.
Die Politiker bekamen damit im Grunde dargelegt, was auch die Besucher des Townhall-Meeting bereits schon erfahren hatten: Die Kundschaft in der Wunstorfer Fußgängerzone überaltert, jüngere Semester lassen das Geld eher nicht in der Innenstadt – und ein nicht zu unterschätzender Anteil der Besucher kommt mit dem Auto aus dem Umland nach Wunstorf zum Einkaufen. Grob gesagt: Die Kunden kommen zur Hälfte aus der Kernstadt, ein weiteres Viertel aus den Ortsteilen – und noch ein Viertel aus dem Umland.
Auf dieses Viertel konzentrierte sich Gustafsson: Die Nicht-Wunstorfer Kunden kämen aus Bad Nenndorf, Neustadt, Garbsen, Barsinghausen, sogar aus Hannover, hätte die Erhebung gezeigt. Der Ausschlag gebe nicht das Steinhuder Meer, das touristische Flair, sondern offenbar die intakte Fachgeschäftslandschaft, die man in dieser Form woanders gar nicht mehr vorfände. „Das wird gewertschätzt“, so Gustafsson. Seine Vermutung sei: Wunstorf ist attraktiver als andere Innenstädte in der Region. Mit anderen Worten könnte man auch sagen: Wunstorf hat tatsächlich die „schönste Innenstadt der Region“.
Die Bevölkerungsstruktur Wunstorfs spiegelt sich aber nicht bei den Kunden der Innenstadt. Für junge Familien gelte eher: „Ernsting’s Family statt Modehaus“, spitzte Gustafsson es zu. Gemeint war damit: Filialisten gibt es zur Genüge auch in anderen Innenstädten – dafür kommen Familien von Garbsen nicht nach Wunstorf.
Damit widerlegte Gustafsson nebenbei noch einmal die These von Katja Diehl, die in der Vorwoche beim Verkehrswendepodium konstatiert hatte, dass Innenstädte nicht aufgrund der Verkehrswende sterben würden – weil die lokal Einkaufenden ohnehin mit ÖPNV oder zu Fuß kämen.
Letzteres entspricht nicht der Datenlage des Gutachtens. Diehls These mag allgemein zutreffen oder für Großstädte gelten – für Wunstorf stimmt sie nicht. Vor allem der öffentliche Nahverkehr spielt für die Kunden der Fußgängerzone eine absolut untergeordnete Rolle. Wer in der Kernstadt wohnt, kommt zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Der Fahrradanteil unter den Wunstorfer Innenstadtbesuchern sei nun höher, mit der Coronapandemie das Fahrrad mehr zum Alltagsverkehrsmittel geworden, berichtete Gustafsson. Aber wer von außerhalb kommt, nimmt das Auto.
Das hat mit einer der drei Schwachstellen der Wunstorfer Fußgängerzone zu tun: Sie liegt nicht um den Bahnhof herum bzw. der Bahnhof liegt nicht in der Nähe der Fußgängerzone. Das verhindert, dass auf dem Weg vorbei ein Zwischenstopp eingelegt wird – und es ist auch nicht attraktiv, extra mit der Bahn nach Wunstorf zum Einkaufen zu kommen, weil dann zusätzliches Umsteigen nötig wird.
Die dezentrale Struktur der Einkaufsmeile ist Schwachstelle Nummer 2, die Verkehrsadern fließen nicht zentral auf die Fußgängerzone zu. Der Großteil der Besucher nähert sich von Süden und muss zunächst einmal durch die Stadt, um überhaupt zum Einkaufen zu kommen. Die Wunstorfer Fußgängerzone liegt nicht inmitten eines Siedlungskerns, sondern fächert sich auf.
Die dritte Schwachstelle aus Expertensicht ist, wie ebenfalls bereits bekannt, ein fehlender großer Supermarkt in der Fußgängerzone, „wie Rewe oder Edeka“. Der Platz für einen größeren Lebensmittelmarkt ist nicht vorhanden, dabei würde dieser für Frequenz sorgen.
Ohne diesen gebe es keine Rückfallebene, „wenn etwas schiefgehe“, so Gustafsson. Der Fachhandel muss letztlich allein dafür sorgen, dass genügend Menschen in die Innenstadt finden. Zusätzliche Laufkundschaft entsteht auf diesem Wege nicht.
Leon Troschke (SPD) warf ein, dass die Altstadt doch geradezu „umzingelt von Lebensmittelmärkten“ sei. Gustafsson erklärte daraufhin, dass der Faktor Reichweite damit gegeben sei, aber es trotzdem an Frequenz mangele. Beides gleichzeitig sei wichtig für eine funktionierende Innenstadt. Einkaufsmärkte im Umfeld sorgten nicht für Laufkundschaft in der Fußgängerzone. Es gebe aber Geschäfte, die ein „Grundrauschen“ an Kunden benötigten, um bestehen zu können. Und das werde schwieriger: „Wer einmal bei Amazon Prime ist, kommt da in der Regel auch nicht mehr raus“, so Gustafssons Einschätzung.
Dr. Robert Conrad (SPD) fragte weiter, ob man dann etwas an der festgestellten untypischen Lage der Fußgängerzone machen könne. Ein anderes Ortsratsmitglied witzelte daraufhin leise: „Abreißen?“ Gustafsson hörte das nicht, konnte aber auch keine Empfehlung geben, die auf etwas anderes hinausgelaufen wäre.
Der Knackpunkt für die Zukunft der Wunstorfer Fußgängerzone, das wurde deutlich, scheint daher zu sein, wie man das Grundrauschen an Kundschaft erzeugt. Aktuell scheint es durch die vorhandene Attraktivität des Fachhandels und die Architektur der Innenstadt geschaffen zu werden, die noch genügend Umlandkunden nach Wunstorf ziehen. Damit schließt sich der Kreis. Denn wie man für Grundrauschen sorgt, darüber gehen die Meinungen in Wunstorf auseinander: Die Werbegemeinschaft wünscht sich mehr Autoparkplätze, um das Grundrauschen zu verstetigen. Die politische Mehrheit in der Stadt tritt dagegen für Verkehrswende mit Reduzierung des privaten PKW-Verkehrs und einen Ausbau der Fahrradinfrastruktur ein.
„E-Auto-Besitzer fühlen sich auf der richtigen Seite“
Das Auto, prophezeit Gustafsson, werde im ländlichen Gebiet aber weiterhin eine dominierende Rolle spielen und ließe sich nicht durch den ÖPNV ersetzen. Dass die Verkehrswende hier einen Bewusstseinswandel erzeugt, sieht Gustafsson für die nächsten Jahrzehnte nicht: „E-Auto-Besitzer fühlen sich auf der richtigen Seite.“ Das gelte umso mehr, wenn jemand im Umland auf dem Dach des Einfamilienhauses seinen eigenen Strom für die Wallbox produziere und „autark“ fahre. Nur dass man innerhalb der Stadt das Auto nehme, um „um die Ecke Brötchen zu holen“, das sterbe tatsächlich langsam aus, so Gustafsson.
Ein gutes Parkplatzangebot ist nicht wegzudiskutieren für den Gutachter: Es gebe einen Grund, warum man bei Discountern immer einen freien Parkplatz fände, „auch an Heiligabend um 17.59 Uhr.“ Das Überangebot sei eingeplant, verfügbare Parkplätze seien ein Standortvorteil, antwortete er auf die Frage von Klaus-Jürgen Maurer (FDP), ob es einen Kipppunkt gebe für den Innenstadthandel – oder die fertiggestellte Nordumgehung künftig etwas ändere. Es wirkte wie ein Wink mit dem Zaunpfahl, gerichtet an die Anwesenden. Aber darüber hinaus bekamen die Politiker auch bei diesem Termin keine konkreten Handlungsempfehlungen mit auf den Weg gegeben. Nur einen allgemeinen Rat gab Gustafsson: „Seien Sie vorsichtig mit Ihrer Innenstadt.“ Es sei wichtig, zu wissen, wie eine Stadt funktioniere, denn man könne sie stärken oder ihr auch schaden.
Eine Parkplatzdebatte entwickelte sich danach nicht – aber die Ausweitung des Wunstorfer Kurzzeitparkens von einer auf künftig zwei Stunden wurde auf den Weg gebracht. Sowohl Ortsrat als auch Bauausschuss gaben dafür einen Daumen nach oben, bei Enthaltung der Grünen. Wie sich das in Zukunft auf das verfügbare Parkplatzangebot um die Innenstadt auswirken wird, bleibt abzuwarten.
Sie können vielleicht aus der Volksbank einen Supermarkt gestalten und Umbauen. Oder in der Nordstraße stehen auf der Linken Seite Läden Lehr kurz vor der Speckenstraße.
Der Leerstand in der Nordstraße wird doch eher was mit den Neubauabsichten des Eigentümers zu tun haben, oder?
Es könnte einen Grund geben, warum es in Fußgängerzonen von Kleinstädten keine Supermärkte (mehr) gibt, wo weder Parkplätze in der Nähe sind und wenn doch, dort dann ordentlich dafür abkassiert wird.
Klar, nach der Logik sollen wahrscheinlich alle bei jedem Wetter ihre Getränkekisten von einem Supermarkt im Volksbank-Gebäude bis zum Parkplatz am Schützenplatz oder beim Medicum schleppen.
Als „Rollator-Else“ häufig in der Fußgängwezone unterwegs möchte ich hier mal ansprechen, dass sich Besuche für Menschen mit „Mobilitätseinschränkungen“ bisweilen schwierig gestalten müssen.
Werde wohl nicht alleine mit der Einschätzung stehen, dass hier Verbesserungen ausgesprochen wünschenswert sind und sich als hilfreich erwiesen würden.
Mit einem lieben Gruß an die zuständigen Abteilungen.
Unsere Innenstadt ist wirklich schön. Die dürfen wir uns nicht kaputt machen. Ich kaufe gerne und oft in den schönen Geschäften ein.
Mir geht es auch manchmal so ‚upps, Kleinigkeit vergessen, der nächste Supermarkt ist wo?‘ Dann ist mir aber auch klar, von meinem fehlenden Stück Butter kann Rewe/Edeka/werauchimmer in unserer Fußgängerzone nicht überleben. Das muß man bedenken. Ob sich da wirklich jemand ansiedeln kann oder will?
Über die fehlenden Parkplätze mag ich nicht diskutieren, ist mir zu blöd… ich begreife nicht, warum unsere Stadt das Thema nicht be- bzw. aufgreifen will.
Wer ein Grundrauschen wahrnimmt, sollte dies ärztlich abklären lassen. Es könnte sich um Tinnitus handeln.
Die Kernstadt ist ausreichend gut ausgestattet mit Vollsortimentern. Supermärkte befinden sich gut erreichbar und mit ausreichenden Parkmöglichkeiten an den Aus-/Einfallstraßen (Marktkauf, ALDI, Edeka etc.). Es gab in der Vergangenheit mehrere Ansätze, in der Innenstadt Supermärkte in der „Schönsten Innenstadt der Region“ zu etablieren; vergeblich, aufgrund mangelnder Kundenfrequenz und logistischer Probleme mit den Zulieferern. Alles bekannt, um so unverständlicher die Aussagen von Herrn Gustafsson. „Nicht-Wunstorfer-Kunden“ aus Bad Nenndorf, Neustadt, Garbsen, Hannover etc. kommen sicherlich nicht nach W’torf, um ihren Wocheneinkauf bei einem Vollsortimenter zu erledigen.
Wenig erhellend ist auch die Erkenntnis, dass man vermehrt ältere Menschen in der Innenstadt antrifft. Mitbürger aus den Seniorenheimen/-residenzen in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt (z.B. Hindenburgstr. 2, Speckenstr. 24 …) könnten hierfür eine Erklärung sein. Wer mehr Umsatz generieren möchte, sollte dieser Zielgruppe mehr Beachtung schenken.
W’torf hat noch (!) eine gute, Struktur inhabergeführter Geschäfte. Diese weiterzuentwickeln und Zukunftsfit zu machen, wäre eine sinnvolle Aufgabe für die städtischen Citymanagerin (aber die sieht ihre Priorität woanders). Aber vielleicht liefert mittelfristig die „Schönste Innenstadt der Region“ eine Bestätigung für die Wirtschaftstheorie der „schöpferischen Zerstörung“ (J. Schumpeter): was sich am Markt nicht durchsetzen oder behaupten kann, wird verschwinden. Den Eigentümern der Innenstadtimmobilien steht es frei, sich finanzstarke Mieter zu suchen (vielleicht noch ein Handy-Laden, noch eine Immobilienagentur, noch ein Billigdiscounter …).
Das frage ich mich allerdings auch, wo die Aufgabe der Citymanagerin zu ersehen ist?
Gustafsson hat vollkommen Recht und eine zutreffende Analyse geliefert.
Will man dem Problem weiter auf den Grund gehen, darf man nicht im Rathaus fragen, welches offensichtlich keine Ahnung von den Problem eigentümer-geführter Geschäfte besitzt, sondern man muss die Eigentümer dieser Geschäfte, also die Werbegemeinschaft, selber befragen.
„Die politische Mehrheit in der Stadt tritt dagegen für Verkehrswende mit Reduzierung des privaten PKW-Verkehrs und einen Ausbau der Fahrradinfrastruktur ein.“
Exakt und das macht sie genau deswegen, weil sie von eigentümer-geführten Geschäften keinen blassen Schimmer hat. Wer von der „politischen Mehrheit in der Stadt“ führt denn einen betroffenen Laden in der Wunstorfer Innenstadt. Das entzieht sich leider meiner Kenntnis – ich wäre sehr dankbar, für konkrete Beispiele und ob der- oder diejenige mit der jetzigen Situation zufrieden ist und darüber hinaus für eine Verkehrswende mit Reduzierung des privaten PKW-Verkehrs und einen Ausbau der Fahrradinfrastruktur eintritt.
Ich fürchte, ich werde hier keine Beispiele derartiger Personen bekommen…
Also, wir hatten ja etliche Ratsmitglieder mit Immobilien und/oder Geschäften in Wunstorf.
Spontan fallen mir ein:
Kurt Rehkopf, Bernd Heidorn, Nikolai Balzer, Karl-Heinz Saak, Heiner Runge. Die haben aus völlig unterschiedlichen Gründen aufgehört oder wurden nicht mehr gewählt.
Ich wüsste nicht, dass ein aktueller Ladenbesitzer bei der letzten Wahl für eins der Gremien kandidiert hat.
D.h. also, dass es keinen einzigen aktuellen Ladenbesitzer in der Wunstorfer Innenstadt gibt, dessen Besitzer auch in der Wunstorfer Politik zu finden ist. Interessant, war aber zu erwarten.
„Ich wüsste nicht, dass ein aktueller Ladenbesitzer bei der letzten Wahl für eins der Gremien kandidiert hat.“
Das muss er meiner Meinung nach auch nicht, denn nicht die Bürger/Ladenbesitzer sind für die Politik da, sondern die Politiker für die Bürger – es sind unsere Angestellten, was die „Betroffenen“ selbstverständlich komplett anders sehen.
Meiner Meinung nach verschlechtert jeder Politiker, der für eine „Verkehrswende“ mit Reduzierung des privaten PKW-Verkehrs und einen Ausbau der Fahrradinfrastruktur eintritt, bewusst oder unbewusst die Infrastruktur und Lebensqualität seiner Stadt und ist politisch zu bekämpfen. Denn genau diese unselige und komplett ideologische motivierte „Verkehrswende“ ist im Grunde genommen ein amazon&Konsorten-Förderungsprogramm mit allen Folgen für den lokalen Einzelhandel.
Wer das nicht begreift, der gehört nicht in die lokale Politik.
Gegen einen Ausbau der Fahrradinfrastruktur ist normalerweise gar nichts einzuwenden, aber dies ist exakt gleichberechtigt zur privaten PKW-Verkehrsinfrastruktur durchzuführen und kein Verkehrsmittel gehört einseitig bevorzugt. Das ist die gleiche ideologische Sackgasse, wie ausschliesslich auf Wind- und Sonnenkraft zu setzen und dies dann auch noch komplett unwissenschaftlich „erneuerbar“ zu nennen.
Also, was Supermärkte oder Discounter in der Fußgängerzone angehet, erinnere ich mich noch an Aldi und Lidl in der Langen Straße… und sind beide weg da es zu eng dadurch zu wenig Parkmöglichkeiten was wiederum zu wenig Kundschaft ergab.
Klar, da wo ich jetzt Lebe, ist es mit Parkplätzen bei der Fußgängerzone auch nicht viel besser aber die Marktstraße ist voll. Bevor ich Wunstorf verlassen habe, ist mir aufgefallen das die Innenstadt immer mehr am sterben ist, besonders abends ist dort alles komplett tot.
Ob Wunstorfs Innenstadt mit Geschäften existiert oder eben nicht, ist irrelevant und nicht integer genug!!! Tja, Verbrenner Autos werden zu sehr verteufelt, ab auf die grüne Wiese, bei Marktkauf gibt es genug, also was soll man in der Stadt???