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Neubauareal am Luther Weg auf der Kippe: Am Montag soll die Entscheidung fallen

01.05.2022 • Achim Süß • Aufrufe: 1508

Für die Zukunft des Vion-Geländes am Luther Weg ist der Montag der vorerst wichtigste Tag: im Verwaltungsausschuss des Rates fällt die Entscheidung, ob die Stadt vom Vorkaufsrecht für die Industriebrache Gebrauch macht. An der Sondersitzung nimmt auch der Geschäftsführer des Investors „Neue Mitte Wunstorf“ teil. Seine Vorstellungen und die der Stadt liegen weit auseinander. Beide Seiten verhandeln fast täglich.

01.05.2022
Achim Süß
Aufrufe: 1508
Das von den Johannitern betriebene Flüchtlingswohnheim und die Außenstelle der IGS teilen sich am Luther Weg das ehemalige Vion-Verwaltungsgebäude.
Auch das alte Vion-Verwaltungsgebäude, das derzeit das städtische Flüchtlingswohnheim und die Hölty-Außenstelle beherbergt, ist Teil des Geländes (Archiv)

Wunstorf (as). Die Neue Mitte ist aktuell das wichtigste Projekt der Stadtentwicklung: Auf dem sechs Hektar großen ehemaligen Firmengelände – nacheinander von den Unternehmen Solo Feinfrost, Langnese-Iglo, Ranchmaster, Vion und Progressu genutzt – sollen zwischen Bahnlinie, Hochstraße und Luther Weg Wohnhäuser entstehen. Rat und Stadtverwaltung erwarten vom Investor, die ambitionierten Gestaltungsvorschläge umzusetzen, die im siegreichen Entwurf eines städtebaulichen Wettbewerbs 2017 vorgesehen sind.

Wesentliche Bestandteile sind ein voluminöser Lärmschutzwall und ein Park. Genau um diese Details ist eine Diskussion entbrannt, die Züge eines ernsten Streits trägt. Beide Seiten betonen, die Gespräche seien vertrauensvoll, schließen aber ein Scheitern nicht mehr aus. Nicht nur die Ausführung des Lärmschutzes ist umstritten. Auch die Wohnbebauung wird unterschiedlich gesehen. Björn Hiss aus Düsseldorf, Geschäftsführer der eigens für Wunstorf gegründeten Baugesellschaft „Neue Mitte“, setzt auf mehr Reihenhäuser als vorgeschlagen.

Gravierende Bedenken

Die Ratsmehrheit von SPD und CDU will ebenso wie die Spitze der Stadtverwaltung nicht auf die Pluspunkte des Gewinnerentwurfs verzichten: Nachhaltiger Lärmschutz sei die Grundbedingung für jede Bebauung mit Wohnhäusern, sagt Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD) immer wieder. In der jüngsten Sitzung des Verwaltungsausschusses habe er das in ungewöhnlich deutlicher Weise wiederholt, berichten Sitzungsteilnehmer. Auch Alexander Wollny, der Leiter der Bauverwaltung, hat in der Beratung offenbar gravierende Bedenken gegenüber den Änderungswünschen des Investors geäußert.

Wunstorfer Rathaus
Am Montag tritt der Verwaltungsausschuss zusammen (Symbolbild) | Foto: Daniel Schneider

Am Montag, den 2. Mai, müssen die Wunstorfer Kommunalpolitikerinnen und -politiker Farbe bekennen, ob sie Abstriche machen wollen und in welchem Bereich, ob sie an ihrer bisher vertretenen Linie festhalten. Die wichtigste Frage in der Sondersitzung ist aber: Übt die Stadt ihr Vorkaufsrecht für das Grundstück aus? Diese Möglichkeit hatte sich der Rat vor Monaten gesichert – für den Fall, dass die Verhandlungen mit Investoren nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Die gesetzlich vorgeschriebene Frist für die Option läuft in Kürze ab.

Unter Druck

Die beiden großen Fraktionen halten sich in dieser entscheidenden Frage bedeckt. Niemand deckt die Karten wirklich auf: Grundstücksangelegenheiten sind vertraulich zu behandeln, Verhandlungen sollen nicht von Indiskretionen gestört oder Positionen geschwächt werden. Festzustehen scheint: Natürlich sei die Ausübung des Vorkaufsrechts ein möglicher Weg, heißt es bei SPD und CDU. Vorrang hat diese Lösung allerdings nicht. Der potenzielle Investor müsse die Chance bekommen, seine Pläne zu ändern. Die Vokabel „nachschärfen“ ist in diesem Zusammenhang immer wieder zu hören. Und auch, dass der Zeitdruck in diesen Tagen „enorm“ sei. Innerhalb weniger Tage, so beklagen führende Kommunalpolitiker, müsse eine Entscheidung von sehr großer Tragweite getroffen werden. Das sei nicht förderlich.

Der Entwurf der Erstplatzierten: OCTAGON Architekturkollektiv und Rudolph Langner Station C26 | Graphik: privat

Der Eine beklagt den Zeitdruck, der Andere die Komplexität des Themas. Einige Details des Projektes seien für „Hobbypolitiker“ schwer zu beurteilen, gibt ein CDU-Ratsherr zu bedenken. „Wir haben die Pläne gerade erst bekommen“, erklärt eine Kollegin von der SPD. Die Unterlagen jetzt ernsthaft zu prüfen, um Montag verantwortungsbewusst zu entscheiden, sei eine anspruchsvolle Aufgabe.

Abgeblockt

Das weiß auch Hiss. Er habe den direkten Meinungsaustausch – mit dem Verwaltungsausschuss Auge in Auge – mehrfach vorgeschlagen. Seine Gesprächspartner Piellusch und Wollny hätten das mehrfach abgelehnt. Begründung: „Der politische Raum“ wolle das nicht. Das bestätigen die Recherchen der Auepost. Hiss habe sein Projekt im Verwaltungsausschuss erläutert, jetzt sei die Zeit, nachzubessern, hört man hinter vorgehaltener Hand aus dem Rat.

Um die Situation zu entschärfen, hat sich Bürgermeister Piellusch dennoch entschlossen, Hiss zur Sondersitzung am Montag einzuladen. Piellusch hat nach eigenen Worten mit dem Unternehmer vereinbart, das überarbeitete Konzept sofort an die Fraktionen zur Beratung weiterzuleiten. Diese Projektversion sollte am Freitag in Wunstorf vorliegen. Das ist offenbar auch der Fall, und so soll die Entscheidung wie geplant am Montag fallen.

Björn Hiss
Björn Hiss, Geschäftsführer des Investors | Foto: privat

Wie angespannt die Lage ist, lässt sich aus der Kritik ableiten, die vom Investor kommt. Hiss ist nicht mehr sicher, dass das Vorhaben gelingt. An allen „Ecken und Enden“ gebe es Konflikte, berichtet er. Das sei „frustrierend“. Die Verhandlungsführer der Stadt hätten ein „Pokerspiel“ begonnen und benutzten das Vorkaufsrecht als Druckmittel. Die Stadt, so Hiss, wolle „die angenehmen Sachen“ für sich, sein Unternehmen solle die „Kröten schlucken“. Er empfindet den Umgang mit der Sache und mit sich als seltsam, stört sich an Unkenntnis auf der Wunstorfer Seite und unqualifizierten Äußerungen, ohne Details zu nennen. Die Stadt halte Zusagen nicht ein, sagt Hiss, die die weitere Nutzung und den späteren Abriss des Vion-Verwaltungsgebäudes betreffen, und kritisiert Alleingänge bei der Information der Öffentlichkeit. Gerungen werde auch um die Zahl der Sozialwohnungen. Die Verwaltungsspitze verlange einen 20-prozentigen Anteil am Gesamtvolumen. Hiss will das nicht akzeptieren: Das bedeute für sein Unternehmen eine Einbuße von 12 Millionen Euro. Das sei nicht kompensierbar.

Geplante Bahnunterführung in Gefahr

Seine Firma „Neue Mitte Wunstorf“ sei kein „böser, geldgieriger Investor“. Die angestrebten Lösungen seien in seinen Planentwürfen „übererfüllt“, und dafür seien bereits Hunderttausende investiert worden. Der Park werde in seiner Version nicht reduziert, sondern aufgewertet. Er schlage Spielstraßen zwischen den Häusern vor – eine Qualitätsverbesserung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf. Seine anfängliche Zuversicht sei Ernüchterung und Skepsis gewichen. Und: „Wenn das scheitert, wird es ein Desaster“. Damit meint er nicht nur die finanziellen Folgen für sein Unternehmen. Vor allem für die Stadt werde es schwere Folgen haben.

„Wenn das scheitert, wird es ein Desaster“

Björn Hiss

Eine davon sei die gerade erst mit der Deutschen Bahn ausgehandelte Tunnellösung am Luther Weg, wenn die Schrankenanlage entfalle. Für den Radfahrer-und-Fußgänger-Tunnel und die Nebenanlagen will die Bahn einen Teil des Vion-Geländes nutzen. Die Fläche gehört jetzt Hiss’ Firma „Neue Mitte“ – jedenfalls hat sie eine Anzahlung an Progressu geleistet. Die Restsumme werde sie erst zahlen, wenn die Stadt auf das Vorkaufsrecht verzichtet habe. Geschehe das nicht, dürfe er laut Gesetz den Vertrag mit der Bahn zum Verkauf der Teilfläche am Luther Weg nicht abschließen.

Stadt möchte Flüchtlingswohnheim länger nutzen

Hiss ist sich nach seinen Gesprächen mit der Bahn auch sicher, was dann passiert: Die bundeseigene Aktiengesellschaft werde vom Tunnelprojekt zurücktreten, und für neue Planungen am Luther Weg sei in den nächsten zehn Jahren keine Zeit. Geradezu verärgert ist der „Neue Mitte“-Chef wegen eines Sinneswandels der Stadtverwaltung in Bezug auf das Verwaltungsgebäude, das von der Stadt aktuell als Dependance des Hölty-Gymnasiums und als Unterkunft für Flüchtlinge genutzt wird. Es sei vereinbart worden, dass das große Bauwerk am Luther Weg mit den übrigen Resten der Industrieanlage beseitigt werde. Jetzt sei ihm erklärt worden, die Stadt müsse das Gebäude noch drei bis vier Jahre weiternutzen. Eine alternative Unterkunft für Geflüchtete sei auf die Schnelle nicht zu realisieren. Hiss wirft die Frage auf, wie die Stadt der Öffentlichkeit erklären wolle, dass der Abriss der riesigen Brache direkt neben der Unterkunft beginne. Abriss und Abtransport seien eine laute und langwierige Angelegenheit. Das sei den Bewohnern des Heims kaum zuzumuten. Und auch danach werde es Probleme geben. In drei oder vier Jahren, wenn das Projekt erfolgreich verhandelt werden sollte, seien „die schönsten Häuser von Wunstorf“ auf dem Gelände fertig. Direkt daneben solle dann das Verwaltungsgebäude abgerissen werden – welchem potenziellen Käufer das schmackhaft gemacht werden könne, fragt Hiss. Eventuell seien Sprengungen und Evakuierungen nötig. Das sei doch „politisch schwer zu verkaufen“.

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Kommentare


  • Egon Behnsen sagt:

    Bei allem Respekt vor dem Unternehmertum und den Visionen von Herrn Hiss, aber die schönsten Häuser Wunstorfs werden gewiss nicht (niemals nie!) auf einer ehemaligen Industriebrache zwischen der Hochstraße und der Bahnlinue zu finden sein.
    Da hat jemand zu viel Fantasie… und kennt Wunstorfs schöne Ecken nicht.

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