
Wunstorf (as). „Der Bürgermeister dreht die Reihenfolge um und interpretiert die Ergebnisse der Bürgerbefragung auf eine eigenwillige Weise“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von Werbegemeinschaft Wunstorf (WGW), Heimatverein und der Initiative „Freunde der Innenstadt“ um das Unternehmer-Ehepaar Neubert. Dazu passe, so die Verfasser, „dass den Einlassungen, die von der Werbegemeinschaft und anderen Akteuren der Innenstadt im Vorfeld des Wettbewerbes eingereicht wurden, keine Beachtung geschenkt wurde.“
Worum geht es? Die Stadt bereitet mit großen Schritten die Neugestaltung der Innenstadt vor. Es heißt, die 1981 eröffnete Fußgängerzone sei in die Jahre gekommen und nicht mehr zeitgemäß. Wer wissen will, was damit gemeint ist, muss sich durch die umfangreichen Unterlagen der Stadt, der Planungsbüros und der übrigen Experten kämpfen. Von den Umbau-Befürwortern werden außerdem in jüngster Vergangenheit das marode Kanalsystem der Innenstadt und die Vorschläge zur Schaffung eines Nahwärmenetzes ins Feld geführt.
Anfang Oktober hat eine von der Stadt eingesetzte Jury die besten Entwürfe aus einem Wettbewerb ausgewählt, der Ideen für den Umbau der City liefert. Die Ergebnisse sollen erst am 26. November im Stadttheater bekannt gegeben werden. Auf die Frage der Redaktion, welche Sachzwänge, Vorschriften, Regeln oder Gesetze die Verzögerung begründen, erklärt Stadtsprecher Daniel Pfingsten: „Bei diesem Punkt muss gar nicht ins Formelle gegangen werden. Wir sind in unseren Planungen mit dem Datum zur öffentlichen Veranstaltung am 06.11.2025 gestartet.“
Bei der weiteren Vorbereitung und „der Abfrage der terminlichen Verfügbarkeiten – insbesondere der örtlichen politischen Vertreter –, hat sich dann der 26.11.2025 als finales Datum ergeben.“ Welche Politiker gemeint sind, lässt Pfingsten offen. Nach Informationen der Auepost sind aber nicht alle führenden Mandatsträger beteiligt worden.
Während die Teilnehmer der Tagung des Preisgerichts in der Stadtkirche schriftlich ihre Verschwiegenheit versichern mussten, hat sich Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD) in einem ausführlichen Interview mit der Tageszeitung zur Neugestaltung der Innenstadt und zur Notwendigkeit von Sanierungsarbeiten geäußert. Auf das Interview reagieren die Vorstände der beiden Vereine und die „Freunde der Innenstadt“ mit ihrer gemeinsamen Erklärung.
Zu Beginn heißt es: „Es wird eine kurze Stellungnahme, denn die Verschwiegenheitserklärung, die alle Teilnehmer der Preisgerichtssitzung des 1. Oktober 2025 unterschreiben mussten, verbietet uns, detailliert auf die konkreten Planungen einzugehen.“
Und weiter: „Der Bürgermeister beschreibt im Interview, dass die Bürger nach ihren Wünschen für die Innenstadt befragt wurden. Die wichtigsten Punkte seien demnach: Anpassung an den Klimawandel, Erhöhung der Aufenthaltsqualität und eine Verbesserung der Barrierefreiheit. Die Onlinebefragung ISEK aus dem Januar 2022 (auf die sich Herr Piellusch bezieht) zeigte aber ganz andere Gewünschte Schwerpunktsetzungen bei der Innenstadtentwicklung. An erster Stelle wurde mit 68 Prozent Zustimmung eine Stärkung des Einzelhandels genannt. Mehr Gastronomie wünschten sich 43 Prozent. Eine verbesserte Parkplatzsituation war mit 37 Prozent gleichauf mit Kulturangebot stärken. Klimaschutz findet sich mit 12 Prozent Zustimmung erst auf Platz 12, knapp gefolgt mit Barrierefreiheit auf Platz 13 mit 11 Prozent der Stimmen.“
„Der Bürgermeister dreht die Reihenfolge um und interpretiert die Ergebnisse der Bürgerbefragung auf eine eigenwillige Weise“, kritisieren die Verfasser der Erklärung. Und: „Hinweise, Wünsche und Warnungen zur Sanierung der Fußgängerzone wurden nicht aufgenommen in den Auslobungstext zum Wettbewerb. Gerne ignoriert werden auch die mittlerweile über 4000 Unterschriften, die von der Bürgerinitiative gesammelt wurden. Die Unterzeichner sprechen sich für eine Fußgängerzone aus, die im Charakter erhalten bleiben soll. Dies entspricht auch unserem Wunsch.“
Heimatverein, Initiative „Freunde der Wunstorfer Innenstadt“ und die Werbegemeinschaft unterstützen eine „behutsame Sanierung“: „Es ist nicht notwendig für die Wunstorfer Innenstadt, das Rad neu zu erfinden. Die Fußgängerzone ist großartig, wie sie ist. Wir sollten sie uns nicht schlechtreden lassen.“
„Die Fußgängerzone ist großartig, wie sie ist. Wir sollten sie uns nicht schlechtreden lassen.“
Bedauerlich sei zudem die einseitige politische Besetzung des Preisgerichtes. Abgesehen von einem weisungsgebundenen Baureferenten und einem Vertreter der parteilosen Werbegemeinschaft setze sich das Sachpreisgericht ausschließlich aus Vertretern einer einzigen politischen Partei zusammen. „Dies ist nicht die Grundlage für einen gleichberechtigten Dialog. Dies ist nicht förderlich für eine demokratische Kultur, die aktuell besonders von der oben genannten Partei beworben und behauptet wird. Last not least: Über die immensen Ausgaben, die – trotz lockender Fördermittel – auf die Wunstorfer Bürger bei einem radikalen Umbau zukommen, hat bisher noch niemand gesprochen.“
Auch wenn die Stadt so etwas wie eine Nachrichtensperre verhängt hat, allen Teilnehmern des Preisgerichts mit Konsequenzen und Regress droht, wenn sie sich nicht an die Schweigepflicht halten, sickern immer mehr Details aus den Beratungen der Jury durch. Dazu gehört die Idee der „Schwammstadt“. Wie ein roter Faden zieht sich dieser Gestaltungsvorschlag durch die Vorschläge zur Neugestaltung.
So könnten nahe des Marktplatzes große Rabatten angelegt werden, nahe der Stadtkirche ein Wasserspiel. Bauminseln sollen nach den Vorstellungen einiger Planer Schatten spenden und zum Verweilen einladen – nicht zuletzt könnten sie das Kleinklima verbessern.
Schwammstadt: Darunter ist ein aktuell sehr propagiertes und viel diskutiertes Konzept der Stadtplanung zu verstehen, bei dem so viel Regenwasser wie möglich nicht in die Kanalisation geleitet wird. Vielmehr soll es aufgenommen, gespeichert und zur Bewässerung von Stadtgrün verwendet werden. Als Erfinder der Schwammstadt gilt der chinesische Landschaftsarchitekt Yu Kongjian.
Mehr Bäume als zur Zeit und Rabatten wären nicht ohne Konsequenzen für die Fläche: Etwa ein Drittel des Platzes vor der Stadtkirche würde bei der Umsetzung der Idee als Stellfläche für Marktstände und Verkaufswagen verloren gehen.
Auf Kritik stoßen die Ideen zur Umgestaltung des Marktplatzes auch deshalb, weil die Fläche erst vor wenigen Jahren erneuert worden ist.

Die intensive Nutzung bei Märkten, Schützen- und Altstadtfest, Neubürgerempfang, Maibaumaufstellung und diversen Groß-Veranstaltungen vor der Stadtkirche hatte ihre Spuren hinterlassen. Für 215.000 Euro waren die Obernkirchner Sandsteinplatten 2016 neu verlegt worden. Ob sie nach der eventuellen Umgestaltung an anderer Stelle verwendet werden können oder sollen, ist unklar.
Mit der jetzigen Gestaltung des Marktplatzes stehen auch die übrige Pflasterung mit Klinkern und Pflastersteinen, die Beleuchtung und die „Möblierung“ mit Bänken und Bepflanzung zur Disposition. Einzig die Brunnen gelten quasi als unantastbar, könnten aber in der Größe reduziert werden.
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, dann sind die Zuschüsse nach ISEK und auch das verkürzte Ausschreibungsverfahren gekoppelt an eine Bürgerbeteiligung. Darum die Onlinebefragung 2022. Wenn das Ergebnis nun schlichtweg ignoriert bzw. umgedeutet wird, dann stehen die hohen Zuschüsse in Frage. In Zweifel bleibt die Stadt (somit die Bürger) auf Millionen Kosten sitzen. Wer verantwortet das? Der Bürgermeister, der dann vermutlich im Ruhestand ist? Der Stadtrat, der dann vielleicht schon neu gewählt ist? Dabei hat sich die Stadt in den letzten wenigen Jahren bereits massiv verschuldet und weitere Millionengräber wie das Schwimmbad drohen auch noch.
Da wird, sehr löblich, eine Bürgerbefragung durchgeführt, um zu ermitteln, was den Bürgerinnen und Bürgern an ihrer Innenstadt wichtig ist. Das Ergebnis ist Stärkung des Einzelhandels, mehr Gastronomie und verbesserte Parkplatzsituation (was überhaupt nicht in die Pläne zu passen scheint). Da das Ergebnis nicht in die Vorstellungen des Stadtbürgermeisters passt, wird das Ergebnis einfach ignoriert – kann man sich nicht ausdenken. Wenn dann noch eine Unterschriftenaktion gestartet wird, wird diese auch nicht ernst genommen – gibt es eigentlich Unterschriften für die komplette Umgestaltung? Zwischen einer Sanierung inkl. sinnvoller Verbesserung und einer völligen Umgestaltung zu einer Schwammstadt liegen Welten und wurde von den Bürgern so nicht gewünscht. Das Gremium weißt eine „einseitige politische Besetzung“ auf – welche Partei hier seine Leute in Stellung gebracht hat, weiß man auch ohne die Nennung… Als Bürgerin kann man sich nur wünschen, dass jetzt nichts über das Knie gebrochen wird und dann im nächsten Jahr bei der Kommunalwahl entschieden werden kann, ob hier die Mehr- oder Minderheit Ihre Vision einer Innenstadt auslebt.
PS. 1/3 des Platzes vor der Marktkirche stände auch nicht mehr für Schützen- und Altstadtfest, Neubürgerempfang, Maibaumaufstellung und diversen Groß-Veranstaltungen zur Verfügung…
Wie kann man bei den Kritikern mitmachen bzw. Unterstützen ?
Wenn heute von „Anpassung an den Klimawandel“ gesprochen wird, lohnt es sich einmal zu fragen, welchen „Klimawandel“ man eigentlich meint. Viele verstehen darunter Wetter, Temperatur oder CO₂ – dabei geht es längst um etwas anderes: um den politischen Klimawandel.
Dieser Wandel zeigt sich nicht in Thermometern, sondern in der Atmosphäre des öffentlichen Denkens. Entscheidungen, die früher mit Bürgern diskutiert wurden, werden heute hinter verschlossenen Türen getroffen – versehen mit Schlagworten wie „Klimaanpassung“, „Resilienz“ oder „Transformation“. Das klingt nach Verantwortung, bedeutet aber oft das Gegenteil: Entmündigung unter dem Deckmantel der Fürsorge.
Die Wunstorfer Fußgängerzone ist kein Klimaproblem, sondern ein Kulturraum. Wer sie umbaut, ohne die Bürger wirklich einzubeziehen, verändert nicht das Klima – er verändert das Klima der Demokratie. Und das ist vielleicht die gefährlichste Art des Klimawandels.
Liebe Sylvia, dein Kommentar spricht mir sowas von aus dem Herzen. Danke dafür!
Sehr gut auf den Punkt gebracht. Genau meine Meinung.
Verstehe ich das richtig? Fördergelder werden in nicht unerheblicher Höhe gezahlt – daneben muss die Stadt selber aber auch noch Gelder (UNSERE!!! Steuergelder) in die Hand nehmen? Sind diese Gelder denn schon im Haushaltsentwurf verplant? Ich kann mich nicht erinnern, dass rausgelesen zu haben, auf der Homepage der Stadt ist ja alles veröffentlicht. Und gab es nicht letztens einen Artikel, dass so viel gespart werden muss, das hat der Bürgermeister doch in seiner Rede zum Haushalt gesagt, oder nicht? Wie passt das denn zusammen?
Ich wohne auch seid Jahren in der Innenstadt, darf ich mich dann also auch auf erhöhte Mieten freuen, weil mein Vermieter seine auf ihn zukommenden Kosten auch auf mich umlegen wird? Also es ist ja nun nicht so, dass wir alle im Überfluss Leben oder alle Staatsbedienstete sind und mit exorbitanten Löhnen nach Hause gehen können, wie der ein oder andere Wunstorfer Beamte, bzw. Politiker…
Ich bin entsetzt, das Menschen, die von unseren Steuergeldern leben, Entscheidungen treffen, die sie nicht aus ihrer Tasche durch hart verdientes Geld erarbeiten müssen. Das ist UNSER Geld, unser erarbeitetes Geld.
Mit der Schwammstadt hätte man beum Umbau des Barneplatzes anfangen sollen. Da wäre es nötig gewesen und man hätte den Bürgern ein Beispiel für weitere solcher Aktionen in der Innenstadt geben können
Hinsichtlich einer städtischen Gestaltung kann durchaus die Ausbildung einer Schwamm Stadt positiv sein. Eine solche Stadt, auch nur ein bestimmter Stadtteil, wird ihre, seine Reize haben. Insbesondere, wenn ideologische Hirngespinnste (z.B. Verkehrswendemassnahmen) aussen vor bleiben und die Seele der Stadt nicht verloren geht. Sonst würde eine Posse daraus.
Die Stadt Wunstorf und ihre Innenstadt können sich nicht zur Schwarmdtadt mausern.
Das ist nicht ihr Ding. Ist auch nicht notwendig. Politik und Stadtverwaltung sollten realistisch bleiben. Ich zweifele an deren Vernunft.
Genau so sieht es aus.
Ziel dieser merkwürdigen Schwammstadt ist es, die Stadt widerstandsfähiger gegen Starkregen und Trockenheit zu machen, das Mikroklima zu verbessern und Überflutungen zu vermeiden.
Der Erfinder – Yu Kongjian – trieb nach massiven Überflutungen (z. B. in Peking 2012) die Abkehr von reiner „grauer“ Infrastruktur voran. Die schweren Überschwemmungen in Peking im Juli 2012 traten innerhalb von etwa 20 Stunden auf, als am 21. Juli in einigen Stadtteilen bis zu 460 Millimeter Regen fielen, was der schwerste Regenfall seit 61 Jahren war. Die Fluten führten zu großflächigen Überschwemmungen, beschädigten Straßen, Häuser und die Infrastruktur massiv. Mindestens 77 Menschen kamen dabei ums Leben, überwiegend durch Ertrinken, eingestürzte Gebäude, Blitzeinschläge und Stromschläge durch umgestürzte Stromleitungen. Über 56.000 Menschen mussten evakuiert werden, und etwa 1,6 Millionen Menschen waren insgesamt von den Überschwemmungen betroffen.
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Wann hatten wir in Wunstorf das letzte Mal eine solche Überschwemmung? Ich überlege gerade…
In den verfügbaren Quellen gibt es keine Berichte über eine schwere Überschwemmung in Wunstorf, bei der Menschen ums Leben kamen. Historisch sind keine Todesfälle durch Hochwasser oder Überschwemmungen offiziell dokumentiert für die Region Wunstorf.
Eine Schwammstadt ist aufgrund der ausgedehnten Auen um die Stadt herum meiner Meinung nach vollkommener Blödsinn, denn gerade bei Starkregen haben sich diese Auen absolut bewährt. Man will also ein irgendwo in China aufgeschnapptes Konzept, was dort sicherlich seinen Sinn hat, auf eine vollkommen andere Infrastruktur und Klimazone übertragen, welche mit Starkregen gar keine Probleme hat.
Das ist ungefähr genauso sinnvoll, wie wenn man die sicheren, in Deutschland stehenden – wohlgemerkt CO2-freien – Kernkraftwerke abschaltet, weil die japanischen Kernkraftwerke auf einem Erdbebengürtel stehen und deswegen in Fukujima etwas richtig schief ging.
Beim letzten Mal, als ich nach Starkregen Wasser im Keller hatte, hätte mir auch eine Schwammstadt nichts genützt, weil es direkt in die Kellerfenster reinregnete. Vielen Dank nochmal an die Freiwillige Feuerwehr damals!
Und wie ernst es den Wunstorfer Stadtoberen mit der Schwammstadt ist, zeigt gerade der Barneplatz sehr eindrücklich – eine Beton- und Steinwüste allererster Güte.
Diese Schwammstadt-Schnapsidee ist wieder ein superteures Projekt an den Bürgern vorbei, bei deren Einweihung Herr Piellusch wieder schöne Pressefotos produzieren kann, wenn er mit einem Spatenanstich oder einem Schnitt durch ein Zielband glänzen kann.
Sinnvoll jedoch ist ein solches Projekt in Wunstorf nicht.
Und an der Vernunft der Politik und Stadtverwaltung zu zweifeln, wie das Heinz-Dieter Badke tut, ist schon mal ein sehr vernünftiger Anfang.
Erstaunlich was alles in Wunstorf möglich ist, ich verzweifele langsam und frage mich es es viellleicht eine Challange ist mit dem Motto welche Stadt schafft es in der Region sich am meisten lächerlich zu machen.
Hat das keine Konsequenzen? Es geht um unsere Steuergelder.