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Als auf dem Marktplatz noch Ampeln standen: Die vielen Gesichter der Wunstorfer Fußgängerzone

17.03.2025 • Daniel Schneider • 7 Min.Kommentare: 4

Die Wunstorfer Fußgängerzone gibt es bald schon 45 Jahre. Sie ist nicht mehr wegzudenken aus der Stadtmitte. Nur die Älteren können sich noch gut erinnern, wie es davor einmal in der Wunstorfer Innenstadt ausgesehen hat.

17.03.2025
Daniel Schneider
7 Min.
Bau der Fußgängerzone in der Nordstraße | Foto: Archiv Heiner Wittrock

Es ist kaum noch vorstellbar: Wo heute die Wunstorfer Fußgängerzone liegt, im Herzen der Altstadt, wo flaniert und gebummelt wird, wo Veranstaltungen stattfinden und sich der Handel ausbreitet – genau dort verliefen vor 50 Jahren noch zwei Bundesstraßen. Ihr Kreuzungspunkt lag mitten im Herzen der heutigen Kernstadt, wie die Fußgängerzone auch oft genannt wird.

Das Wunstorfer Zentrum hat damals einen bemerkenswerten Wandel vollzogen. Es war ein mutiger, tief ins Stadtbild eingreifender Schritt, der die Kernstadt bis heute nachhaltig verändert und prägt. Mehr als ein Jahrzehnt Vorarbeit war nötig, bevor am Ende der Umbaupläne, Anfang der 1980er Jahre, überhaupt mit dem großen Umbau zur städtischen Einkaufsmeile begonnen werden konnte.

Damit war Wunstorf in Sachen Fußgängerzone schon ziemlich spät dran. Die Hochphase des Fußgängerzonenbaus in Deutschland hatte bereits in den 1960er Jahren eingesetzt. Eine Stadt nach der anderen wandelte damals historische Stadtkerne mit normalen Straßen in Fußgängerzonen um. Bis weit hinein in die 1970er Jahre entstanden überall neue Fußgängerbereiche.

Es entsprach dem damaligen Zeitgeist: Die Trennung von Straßenverkehr und Fußgängern sollte nicht nur den Fußgängern neuen, modernen Raum in den Städten erschließen und den Handel stärken, sondern auch den Straßenverkehr begradigen und beschleunigen. Getrennte Bereiche für Autos und Menschen im Straßenverkehr galten damals als Königsweg der Verkehrsplanung – normale Straßen mit Bürgersteigen waren altmodisch und erschienen bei immer stärker wachsendem Straßenverkehr zunehmend gefährlich.

Der 7. August

Als die neu geschaffene Wunstorfer Fußgängerzone schließlich am 7. August 1982 mit einem großen Fest eingeweiht wurde, war die Fußgängerzonenbegeisterung im Land schon wieder spürbar abgeebbt, die Zeit der großen Umbauten in den deutschen Innenstädten war vorbei.

Wer erkennt es? Es ist die Südstraße in den 1970er Jahren, bevor sie Fußgängerzone wurde. Die Spitze der Stadtkirche ist zu sehen, im Hintergrund das ehemalige Stadtsparkassengebäude, das bald dem großen Neubaukpomplex wich, davor der Parkplatz vor Rathaus und Stadtkirche neben der Bundesstraße. | Foto: Archiv Heiner Wittrock
Das Potenzial war da: Wunstorf brauchte die Fußgängerzone. Das zeigte sich besonders, wenn wie hier zum Altstadtfest die Lange Straße in den 70ern für den Verkehr einmal gesperrt wurde | Foto: Archiv Heiner Wittrock

Dass Wunstorf relativ spät zu einer Fußgängerzone kam, hatte verschiedene Ursachen. Einerseits mussten erst die baulichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Anders als in anderen Städten, wo oftmals ein bestehender großer, aber kommunaler Straßenzug einfach umgewidmet werden konnte, mussten vorher in Wunstorf gleich zwei existierende Bundesstraßen noch verlegt werden. Die B441 und B442 treffen sich heute an der Hagenburger Straße, an „Sölterkreuzung“ und „Obi-Kreuzung“, aber vor 50 Jahren lag der Schnittpunkt am heutigen Säulenbrunnen in der Fußgängerzone. Lange Straße, Nordstraße und Südstraßen waren viel befahrene Bundesstraßen.

Zeitenwandel

Aber nicht nur die asphaltierten Fahrbahnen, auch ein Wasserweg musste vorher noch umziehen: Mit der Begradigung der Westaue und der Umleitung und Kanalisierung der Südaue, der sogenannten Aueregulierung, verschwand auch die Mühlenaue am Wunstorfer Bürgerpark. Die Innenstadt wurde damit hochwassersicher, und es war auch die Voraussetzung für den neuen Straßenbau rund um die spätere Fußgängerzone herum. Zahlreiche alte Häuser mussten weichen, auch viele Neubauten entstanden in diesen Jahren in der heutigen Fußgängerzone.

Tankstelle vor der Stadtkirche
Wunstorfer Zentrum in den 1930er Jahren: Kaum Verkehr, damals wirkten die Straßen auch ohne Fußgängerzone wie eine Fußgängerzone. | Foto: Stadtarchiv Wunstorf, Nachlass Armin Mandel
Wunstorfer Zentrum in den 1970er Jahren: Der Verkehr wälzt sich durch die Innenstadt. In der Mitte der Ratskeller. Wo heute der Säulenbrunnen steht, brauchte man einst noch eine Ampel, um über die Straße zu kommen. | Foto: Archiv Heiner Wittrock
Der Bau der Fußgängerzone Anfang der 80er Jahre, hier der Blick in die Lange Straße noch ohne Kuhbrunnen, beendete dieses Kapitel und stieß ein neues auf | Foto: Archiv Heiner Wittrock
Historische Fußgängerzone
Wunstorfer Zentrum in den 1980er Jahren: Die Autos sind verschwunden, Bäume gepflanzt und Plateaus gebaut. Es wird gebummelt und auf modernen Bänken gemütlich in der Sonne gesessen | Foto: Stadtarchiv Wunstorf, Nachlass Armin Mandel

Auch die Gebietsreform hatte Anteil an der zeitlichen Dimension: Politisch umsetzbar und finanziell zu stemmen waren die großen Pläne realistischerweise erst in den 1970er geworden: Erst das vergrößerte Wunstorf, das 1974 im Rahmen der niedersächsischen Gebietsreform entstanden war, konnte man sich für das bisherige Wunstorf – nun zur Kernstadt geworden – einen solch großen Umbau erlauben. Die Wunstorfer Kernstadt sollte und durfte neues gesamtstädtisches Zentrum für die neue große Kommune werden.

Im Zusammenspiel mit der zuvor notwendig gewordenen Verlegung der Bundesstraßen, die auf den alten Strecken den Verkehr nicht mehr bewältigen konnten, waren die Voraussetzungen dafür geschaffen.

Verkehr adé

In den 1980er Jahren waren damit die Ampeln am heutigen Marktplatz verschwunden, der frühere Parkplatz am Rathaus ebenfalls Vergangenheit. Der Fernverkehr rauschte nun am neu gebauten Stadtgraben und am Schützenplatz vorbei. Der größere Teil der Südstraße, der östliche Abschnitt der Langen Straße und die Nordstraße bis zum Bürgerpark waren reine Fußgängerzone geworden. Auch einen richtigen Marktplatz gab es nun damit auf einmal vor der Stadtkirche.

Die heutige Wunstorfer Fußgängerzone mit den typisch zweifarbigen Pflasterungen | Foto: Daniel Schneider

Die Menschen hatten auf einmal Platz – Wunstorf hatte mit einem Schlag gleich drei zusammenhängende Einkaufsstraßen. Bäume wurden gepflanzt, an Stellen, an denen zuvor der Verkehr gerollt war oder die schmalen Bürgersteige keinen Platz ließen für Grün. Wo zuvor nur wenige Meter Raum auf den Bürgersteigen war, um sich die Angebote der Geschäfte anzusehen, ragten die damals noch typischen Faltmarkisen über den Schaufenstern nun in einen einzigen großen Bürgersteig hinein.

Die Einweihung selbst war ebenfalls angemessen bedeutsam, weiß Heimatforscher Heiner Wittrock zu berichten: Zur Einweihung war in der neuen Fußgängerzone eine lange Tafel unter freiem Himmel aufgebaut für einen „rekordverdächtigen Mittagstisch“. Sie reichte vom Stadtkirchenvorplatz bis zum Kuhbrunnen. Für 1.000 Teilnehmer wurde Rindsroulade, Rotkohl und Eis vom Iglo-Werk serviert.

Das Besondere

Das Besondere infolge des späten Baus: Die Wunstorfer Fußgängerzone atmet in hohem Maße den Stil der späten 1970er und frühen 1980er Jahre. Der ausgesuchte Bodenbelag, die installierten Schaukästen und dunkelbraunen Kugellaternen sind dafür ein Beispiel. Und natürlich die Olympiabänke, die damals das Modernste waren, was an Sitzbänken zu bekommen war. Die Design-Drahtgitterkonstruktionen standen bis vor kurzem noch als Originale in der Stadtmitte, mittlerweile wurden sie vollständig durch Holzbänke ersetzt. Die verschiedenen Pflasterarten gehörten einst ebenso zum Konzept. Die Brunnen, die damals überall in der Fußgängerzone miterrichtet wurden, sind dabei ein eigenes Kapitel.

Der Blick vom Rathaus zeigt die Gestaltungselemente am Schnittpunkt der ehemaligen Straßen | Foto: Daniel Schneider
Die Schaukästen gehören zum Fußgängerzonenkonzept | Foto: Daniel Schneider

Es verschwanden nicht nur die Fahrbahnen, die neue Fußgängerzone wurde auch besonders gestaltet: Es wurden kleine Mauern gezogen, Treppenabsätze eingefügt, Aufenthaltsbereiche angelegt. Auch das ganz typisch Stadtarchitektur der früheren Jahre. Die quaderartigen Plattformen, die auch heute noch Teil der Fußgängerzone sind, wurden später auf Initiative der Händlerschaft allerdings zweckentfremdet: Auf ihnen stehen heute metallene Pflanzkästen. Ursprünglich waren sie ebenfalls zum Sitzen gedacht.

Lange im Originalzustand

Die späte Fertigstellung der Wunstorfer Fußgängerzone hat dafür gesorgt, dass sie bis heute praktisch nahezu unverändert besteht. Während andere Städte ihre heute um die 50 oder 60 Jahre alten Fußgängerzonen oft schon vor vielen Jahren modernisiert und weiterentwickelt haben, ist in Wunstorf im Wesentlichen immer noch das Ursprungskonzept zu bewundern. Modifikationen kamen nur schleichend: Ausbesserungen am Pflaster, neue Stadtmöbel – und auch die Laternen sind längst modernisiert worden.

Die Lange Straße heute als Fußgängerzone – damals noch Bundesstraße | Foto: Daniel Schneider
Bis vor kurzem fast noch im Originalzustand – nur die Pflanzkästenaufsätze und Laternen sind neueren Datums | Foto: Daniel Schneider

Doch nun soll nach fast 50 Jahren auch in Wunstorf Zeit für etwas Neues sein. Die Fußgängerzone steht vor dem größten konzeptionellen Umbau seit ihrer Entstehung. Wie sie in Zukunft genau aussehen wird, das ist noch völlig unklar. Sicher ist nur, dass man die Zeit nicht zurückdrehen wird. Man wird nicht wieder mehr Autoverkehr in die Innenstadt holen.

Der lange Weg zur Wunstorfer Fußgängerzone: 
1967 Erste Untersuchungen zur Altstadtsanierung
1968 Beginn der Aueregulierung
1970 Beginn Abriss der Häuser im Stiftsbereich für den Stadtgraben
1975 Fertigstellung der neuen Hauptstraßen
1978 Abriss Sparkasse
1979 Arbeitskreis Fußgängerzone tritt zusammen
1980 Baubeginn Fußgängerzone
1982 Einweihung Fußgängerzone

Bekannt ist stattdessen bereits seit diversen Umfragen, Gutachten und Erhebungen, was sich die Mehrheit der Wunstorfer und Wunstorfbesucher für die Fußgängerzone wünscht. Ungünstigerweise sind es oft sich widersprechende Wünsche: Mehr Grün und mehr Parkplätze. Mehr Platz für Nichtkommerzielles, Kultur und Freizeit sowie mehr Platz für ein vielfältigeres Handelsangebot. Es wird keine leichte Aufgabe, das unter einen Hut zu bringen und daraus eine neue Fußgängerzone zu formen.

Das rötliche Pflaster ist zum Markenzeichen geworden und unterstützt das Fußgängerzonenflair auch in der Dämmerung | Foto: Daniel Schneider

Wunstorf hat sich mit dem Umbau der Innenstadt und der Schaffung der Fußgängerzone damals zukunftsfest gemacht. Ein gutes halbes Jahrhundert hat das Ergebnis gehalten. Nun wird sich zeigen, wie heutige Stadtplaner und Architekten die alte Idee weiterentwickeln werden.

~ Dank für die Unterstützung der Recherchen an Heiner Wittrock und Stadtarchiv Wunstorf ~

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Kommentare


  • Harald Möller sagt:

    Ich musste lachen bei dem Satz „ der Autoverkehr quält sich durch die Innenstadt“. Wie ist es heute? Nicht viel besser. Habe gerade von der Kolenfelder Str. bis Marktkauf 25 Minuten gebraucht.

    • Anonym sagt:

      Das liegt an den vollkommen schwachsinnig geschalteten Ampel-Phasen.
      Dass es besser geht, merkt man ab 18 Uhr bei beinahe gleichem Verkehrsaufkommen.
      Hier stimmt etwas grundlegend nicht.

  • dickfell sagt:

    Ja, da musste ich auch schmunzeln,immerhin fährt man nicht mehr direkt durch die City.

  • Anwohner Barnestrasse sagt:

    Lieber das Geld in die Schulen, Kitas oder in das Elements stecken als in die Fußgängerzone! Wir habe dort mehr und dringendere Baustellen als in der Innerstadt! Oder ist das wieder so ein Leuchtturm Projekt, welches unnötig und Schwachsinnig ist?

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