Wunstorf (as). Im August 2022 zerstörte ein Feuer das Blumenauer Gasthaus und damit eines der geschichtsträchtigen Gebäude der Stadt. Der dreiflügelige Fachwerkbau wurde 1750 errichtet und gehörte zum Amt Blumenau. Von dort wurde der historische Verwaltungsbezirk Blumenau – sehr viel größer als der heutige Ort – als Teil des Fürstentums Calenberg beziehungsweise des Königreichs Hannover verwaltet.
Später wurde ein Teil des Amtshofes zur Gaststätte. Chronisten berichten, dass auch der berüchtigte Räuber Nickel List dort gezecht habe. Ob es dort war oder im Wunstorfer Ratskeller, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Fest steht, dass der Blumenauer Krugwirt Otto Müller als Komplize des Schwarzen Nickel identifiziert und zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt wurde.
Lokal und beliebter Treffpunkt blieb das Gebäude unter diversen Pächtern bis vor wenigen Jahren. Das spektakuläre Feuer 2022 zerstörte die wesentlichen Teile. Die Ursache des Brandes konnte nicht ermittelt werden – unter anderem auch deshalb, weil die Ruine vom Einsturz bedroht war und die Brandexperten nur sehr begrenzte Ermittlungsmöglichkeiten hatten. Grundstück und Gebäude sind im Besitz der Firma Heinz von Heiden aus Isernhagen, die dort ein kleines Wohnquartier bauen will. Der Denkmalschutz ist im vergangenen Jahr aufgehoben worden, so dass dem im Dorf nicht unumstrittenen Projekt eigentlich nichts im Weg stand.
Der Baubeginn verzögerte sich aber immer wieder, weil es doch Auflagen der Denkmalschutzbehörde gab: Alle hölzernen Bauteile, die nicht zerstört worden sind, sollen vorsichtig ausgebaut, katalogisiert, nummeriert und im Neubau wieder verwendet werden. Diese Sicherstellung des Materials wird nach Angaben der Stadtverwaltung in Kürze beginnen und in Handarbeit ausgeführt – unter der Aufsicht eines Sachverständigen. Zwei Wochen sind für den ersten Teil des Abrisses angesetzt: die alte Scheune neben der Ruine. Auf dieses Verfahren haben sich Denkmalschutzbehörde und Eigentümer erst vor kurzem in einer gemeinsamen Absichtserklärung verständigt.
Auch an der Ruine des ehemaligen Gebäudes der Firma Pelz am Ende der Langen Straße sollen in den nächsten Wochen Spezialisten damit beginnen, die Gebäudereste abzutragen. Dort soll ein Wohnkomplex entstehen. Der Baubeginn hat sich aus vielen Gründen verzögert: Anliegerproteste und -Widersprüche waren ebenso zu klären wie die Frage, ob die Reste eines jüdischen Gräberfeldes neben der früheren Lohgerberei dem Neubau im Weg stehen würden. Alle Fragen sind nach Auskunft der Stadtverwaltung geklärt, alle Probleme gelöst.
Mit dem Bauprojekt, dem Großfeuer im August dieses Jahres und dem Abriss des Mauergerippes weicht auch dort ein Gebäude mit Geschichte einem Neubau, das jahrzehntelang das Stadtbild geprägt hat. Bis Mitte der 1930er Jahre war dort eine Lohgerberei aktiv, die tierische Häute und Felle zu Leder verarbeitet hat. Zunächst konnte nicht ausgeschlossen werden, dass wegen dieser Nutzung auch nach so langer Zeit noch Milzbrandsporen im Boden überlebt haben. Die intensive Bodenanalyse hat das nicht bestätigt.
In den vergangenen Jahrzehnten war das Grundstück Geschäfts-, Werkstatt- und Wohnhaus. Bis in die jüngste Vergangenheit war es als Immobilie der Firma Pelz bekannt, die dort Möbel restauriert und verkauft hat. Firmenchef Lorenz Pelz hat die Immobilie vor wenigen Jahren verkauft, und inzwischen ist die Seelzer Nordisbau Eigentümer. Das Unternehmen will mit dem Projekt Westertor 24 Wohneinheiten und zwei Büroflächen schaffen.
Etliche Wunstorfer haben in den vergangenen vier Jahren sorgenvoll und kritisch auf die Neue Dechanei geschaut, die die Stifts-Kirchengemeinde vor fast genau vier Jahren für 800.000 Euro an ein Hamburger Unternehmen verkauft hat. In dem 237 Jahre alten Doppelhaus sollten auf etwa 700 Quadratmetern Wohnfläche sechs Wohnungen und zwei Penthäuser entstehen. Gesamtinvestition: knapp drei Millionen Euro.
Während das Äußere weitgehend erhalten werden sollte, plante der Investor eine gründliche Entkernung. „Das riesige Treppenhaus“ werde entfernt, und auf der Rückseite zur großen Wiese der Kirchengemeinde sollten mit drei „riesigen Erkern“, Wintergärten und Dachterrassen architektonische Maßstäbe gesetzt werden. Der Repräsentant der Baufirma damals im Gespräch mit der Auepost: „Das ist das Absolute!“
Tatsächlich ist wenig geschehen seit August 2020. Im Gebäude ist die Entkernung stecken geblieben, und selbst dringende Dachreparaturen wurden nur nach massivem Druck der städtischen Denkmalpfleger ausgeführt. An den Experten aus der Wunstorfer Bauverwaltung ist das vollmundig angekündigte Projekt letztlich auch gescheitert: Die Sanierungs-, Renovierungs- und Umbaupläne stießen auf den Widerstand der städtischen Fachleute, die immer wieder die Erhaltung der historischen Bausubstanz verlangt haben.
Der Stillstand hat viele Wunstorfer umgetrieben, denen das Gebäudeensemble im Stiftsbereich am Herzen liegt. Besorgte Bürger haben – auch in Briefen an die Stadtverwaltung – davor gewarnt, das wertvolle Fachwerkhaus drohe zu verfallen, wenn nichts geschehe. Inzwischen ist die Immobilie in den Besitz einer anderen Hamburger Firma übergegangen, und die Architekturbüros sind mehrfach gewechselt worden. Mit dem Architekten Hartmut Ehlert aus Buchholz bei Bad Eilsen scheint ein erfahrener Planer gefunden. Zurzeit ist er federführend in Hannover-Vinnhorst an der Sanierung des Poelzig-Baus beteiligt, der als Paradebeispiel des Backsteinexpressionismus in Hannover gilt und unter Denkmalschutz steht.
Ehlert hat nach eigenen Angaben vor etwa einem halben Jahr von den Eigentümern den Auftrag erhalten, die Neue Dechanei zu sanieren und umzugestalten. Im Rathaus heißt es, die Perspektive für das Projekt sei nun erstmals positiv. Die Vorentwürfe berücksichtigten alle Forderungen des Denkmalschutzes. Ehlert selbst sagt, er wisse, wovon er spreche. Das Wunstorfer Projekt sei nicht das erste historische Gebäude, das er umgestalte. Bereits Ende des Monats rechnet er mit der Baugenehmigung.
Für den Betrachter werde sich wenig ändern, kündigt Ehlert im Gespräch mit der Auepost an. Das Erscheinungsbild werde wie vorgeschrieben erhalten. Allerdings seien an einigen Stellen neue Balken notwendig. Das historische hölzerne Treppenhaus sei zum großen Teil in gutem Zustand. Ehlert: „Das ist ja keine zusammengeschusterte Bude von 1960, sondern insgesamt ein sehr, sehr schönes Haus.“ Sein Entwurf weicht wesentlich von den Plänen der Hamburger ab. Treppenhaustürme auf der Rückseite werde es ebenso wenig geben, betont Ehlert, wie Penthäuser. Beides lasse das Denkmalschutzgesetz gar nicht zu. Die künftigen Bewohner sollen das renovierte Treppenhaus benutzen, um in die acht Wohnungen zu kommen. An der Rückfront zum großen Garten sollen Balkone angebaut werden. Angaben zu den Investitionskosten gibt es nicht. Ehlert weiß: „Mit historischen Gebäuden ist kein Geld zu verdienen!“ Der Investor werde erst einmal Geld ausgeben müssen, das er woanders verdient habe. Erst langfristig werde das Objekt sich über Abschreibungen amortisieren.
Was soll man dazu sagen, im D Staat dauert Alles Jahre, eh sich etwas tut, das ändert sich niemals!!!