Es ist ein historisches Haus, das jedoch nicht unter Denkmalschutz steht: Das „Pelz“-Gebäude stand bereits seit einigen Jahren leer und sollte demnächst abgerissen werden, um Platz zu schaffen für den an derselben Stelle geplanten Wohn- und Geschäftskomplex.
Gegen 18.30 Uhr des 4. August, dem letzten Ferientag in Niedersachsen, wurde die Feuerwehr alarmiert – auch über die Sirenen in der Kernstadt gab es Alarm, der alle verfügbaren Kräfte in den Einsatz rief. Brandrauch stieg aus dem Gebäude auf und war bereits in der westlichen Kernstadt deutlich wahrnehmbar. Anwohner im umliegenden Viertel traten vor ihre Häuser und sahen sich um, woher der Qualm kam. Die Qualmwolke wurde immer dichter und stieg in den Himmel über Wunstorf. Wunstorfs Ortsbrandmeister Sven Möllmann erhöhte sofort die Alarmstufe.
Der erste Wasserstrahl der Feuerwehr wurde auf die Fenster an der östlichen Ecke des Gebäudes gerichtet – hier schlugen kurz nach Eintreffen der ersten Kräfte bereits Flammen heraus. Doch es brannte offenbar nicht nur an einer Stelle im Gebäude. Auch auf der gegenüberliegenden Seite drang Rauch ins Freie.
Kaum war der Wasserstrahl ins Feuer gerichtet, begannen auch Flammen durch das Dach zu schlagen, unter dessen Ziegeln es bereits bedrohlich qualmte. Dachziegel lösten sich reihenweise und fielen in Richtung der Feuerwehrleute, die sich gerade noch für einen Innenangriff vorbereitet hatten. Nun war Rückzug angesagt – ein Betreten des Gebäudes war nicht mehr möglich. Die Feuerwehr konzentrierte sich nun auf das Löschen von außen.
Das Feuer schien sich rasend schnell auszubreiten: Offenbar war es unter dem Dach zu einem sogenannten Flashover gekommen – einer Durchzündung, bei der die hohen Temperaturen die vorhandenen Rauchgase schlagartig in Brand setzen und auf diese Weise eine Feuerwalze erzeugen. Dieser selbstverstärkende Effekt setzte dann offenbar auch schnell das restliche Dach in Brand.
Die fallenden Dachziegel schlugen klirrend auf dem Boden auf der Straße vor dem Haus auf. Auch weitere Fensterscheiben sprangen infolge der Hitze, ein Glasregen überzog die Haster Straße. Einige Feuerwehrleute, die offenbar nicht mit der schnellen Ausbreitung des Feuers im Dach gerechnet hatten und noch am Eingang des Gebäudes standen, wurden glücklicherweise von den Dachziegeln nicht getroffen. Ironie: Die Sirene auf dem Dach des Gebäudes, die normalerweise die Feuerwehr alarmiert, fing selbst auch Feuer und stand wie symbolhaft in Flammen, bevor sie mit dem Dach zusammen in die Tiefe stürzte.
Bei anderen Bränden, etwa bei jenem im Mai in einem Fachwerkhaus in Luthe, reißt die Feuerwehr für gewöhnlich das Dach auf, um an Brandherde heranzukommen. Beim Brand im Pelz-Gebäude blieb dafür gar keine Zeit mehr – schon vorher brach das Dach förmlich in sich zusammen und legte den Blick auf die Flammen frei.
Die Hitzeentwicklung war so enorm, dass sie auch in der Umgebung des brennenden Gebäudes deutlich zu spüren war. Der Rauch zog jedoch nach oben und eher östlich ab, so dass sich die Brandgase Richtung Innenstadt ausbreiteten. Dies war offenbar auch der Grund für die Katastrophenschutzwarnmeldungen, die zweimal abgegeben wurden: Einmal über die Katwarn-App kurz nach Beginn des Feuerwehreinsatzes – und später noch einmal an alle erreichbaren Handys, die sich in den Funkzellen der Kernstadt befanden.
Auf einmal piepsten viele Smartphones mit dem typischen Alarmsignal für Katastrophenfälle. Es war das erste Mal, dass diese Funktion in Wunstorf zum Einsatz kam – zuvor war sie nur einmal während der Tests am bundesweiten Warntag zu hören gewesen.
Dies funktionierte auch ohne die vorherige Installation einer speziellen App, das Telefon selbst übermittelte den Alarm über die Cell-Broadcast-Funktion. Kritik wurde jedoch in den sozialen Medien geäußert, dass diese Alarmierung die meisten Wunstorfer erst erreichte, als der Brand schon fast gelöscht schien und es kaum noch Rauchentwicklung gab.
Erst gegen 20.30 Uhr – gut zwei Stunden nach Ausbruch des Brandes, war die Warnung gesendet worden. Offenbar kam sie für einige tatsächlich zu spät – laut Angaben der Feuerwehr wurden mehrere Anwohner in der Umgebung des Brandes mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung vom Rettungsdienst behandelt.
Die Warnungen an die Bevölkerung über Warn-Apps, Cell Broadcast oder Radio waren jedoch vorsorglich erfolgt: Messungen der Luftqualität hatten keine akuten gesundheitlichen Gefahren vermuten lassen.
Die Wasserversorgung erwies sich als schwierig, da nur ein Hydrantenverbund in der Nähe war. Mit Wasser versorgt werden mussten aber zahlreiche Einheiten, darunter allein drei Drehleitern. Zu Spitzenzeiten wurden mehr als 10.000 Liter Wasser pro Minute auf das brennende Gebäude abgegeben. Neben den Drehleitern aus drei Städten waren auch zwei Schaumwasserwerfer und weitere Strahlrohre im Einsatz.
Die Umgebung und Straßen glichen deshalb kurz darauf einer Schlauchlandschaft. Überall wurden Schläuche verlegt und zusätzliche Wasserentnahmemöglichkeiten geschaffen. Die Bundeswehrfeuerwehr rückte ebenfalls aus diesem Grund an und stellte die riesigen Wassertanks in ihren Fahrzeugen zur Verfügung, die normalerweise zum schnellen Löschen von Flugzeugbränden ausgelegt sind. Wasserbecken wurden aufgebaut und Leitungen zu Hydranten bis hin zum Alten Markt oder zur Südaue gelegt. Motorpumpen beförderten das Wasser über weite Strecken zum Einsatzort.
Feuerwehr und Polizei hatten die Einsatzstelle weiträumig abgesperrt, zunächst provisorisch, im Verlauf des Einsatzes großflächig mit Flatterband. Auf den Straßen blockierten Streifenwagen die Durchfahrten. Jedoch konnte hier nicht weiträumiger gesperrt werden, da die Polizei zu wenig Einsatzfahrzeuge vor Ort hatte – so fuhren vor allem aus Richtung Haste vor allem auf der B442 Autos weiterhin bis fast kurz vor die Einsatzstelle, um erst dann zu wenden oder eine Umleitung zu fahren.
Insgesamt waren über 300 Rettungskräfte mit über 40 Fahrzeugen in Aktion. Weil derart viele Feuerwehrkräfte im Einsatz gebunden waren, kam für die Feuerwache Wunstorf Verstärkung aus Kolenfeld und Luthe, um die Einsatzbereitschaft im Stadtgebiet sicherzustellen. Dazu wurde auch ein Fahrzeug aus Luthe zur Wunstorfer Feuerwache gefahren.
Die Wunstorfer nahmen großen Anteil am Geschehen, was jedoch nicht immer auf Gegenliebe bei den Einsatzkräften traf. Anwohner etwa stellten Getränkekisten für die Feuerwehrleute vor die Türen, was dankend angenommen wurde, aber in den Sozialen Medien wurde auch dazu aufgerufen, extra Getränke zur Einsatzstelle zu bringen. Eine gut gemeinte, aber in Wirklichkeit keine gute Idee, denn das hätte die Hilfswilligen in Gefahr gebracht und im ungünstigsten Fall sogar die Arbeit der Retter behindert. Bei derartigen Einsätzen werden Feuerwehrleute ohnehin durch eigene Einheiten oder die Schnelleinsatzgruppe der Johanniter verpflegt.
Auch Gerüchte verbreiteten sich während des Brandes: Eine „Asbestwolke“ würde über Wunstorf ziehen, hieß es beispielsweise. Eine mögliche Asbestbelastung des Gebäudes hatte zwar auch die Feuerwehr vor Ort im Einsatz in Erwägung gezogen, doch eine große Belastung war von vornherein unwahrscheinlich: Das Gebäude wurde lange Zeit bevor Asbest in der Baubranche standardmäßig verwendet wurde errichtet. Auch hätte eine „Asbestwolke“ infolge des Gebäudeeinsturzes vor allem die Einsatzkräfte vor Ort gefährdet – nicht umsonst tragen die Feuerwehrleute Atemschutz.
Auch die mögliche Milzbrandsporen-Belastung des Geländes wurde bei dieser Gelegenheit wieder in Erinnerung gerufen – doch Untersuchungen im vergangenen Jahr hatten bereits bestätigt, dass keine Gefährdung vorliegt.
Angesichts der neuerlichen Verbreitung von Gerüchten bat die Feuerwehr Wunstorf noch einmal darum, solche Falschinformationen nicht in die Welt zu setzen. „Wir möchten betonen, dass sich die Bevölkerung ausschließlich auf Informationen aus unseren offiziellen Kanälen oder der örtlichen Presse verlassen sollte“, heißt es vonseiten der Feuerwehr.
Auch am Tag nach dem Brand beschäftigt das Geschehen die Stadt. Einen solchen Brand hat es in der Kernstadt seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben – die Dimension und die Kraft, die das Feuer entfaltete, ist mit nichts vergleichbar, was sich in jüngerer Zeit in Wunstorf abgespielt hat.
Passanten bleiben fassungslos vor der Brandruine stehen und machen Fotos. Es ist schwer zu begreifen, wie schnell und heftig das Feuer in der vergangenen Nacht hier gewütet hat.
Das Möbel-, Restaurations- und Antiquitätengeschäft der Firma Pelz hatte sich viele Jahre dort befunden. Ursprünglich war in dem Gehöft bis in die 1930er Jahre eine Gerberei ansässig gewesen. Der Komplex sollte nun abgerissen werden für einen modernen Bau, ein Wohn- und Geschäftsquartier, das bereits unter dem Namen „Westertor“ vermarktet wird.
Das Feuer kam dem Abriss zuvor. Ein Zufall war es nicht: Sicher scheint bereits zu sein, dass etwa kein technischer Defekt das Feuer ausgelöst hat, sondern Brandstiftung die Ursache war. Auch darüber war bereits in vielen Kommentaren spekuliert worden.
Fotos: Deppe/Dombrowski/Süß/Schneider
Siehe auch: Großbrand in Wunstorfs Mitte: Altes „Pelz“-Gebäude brennt ab
Siehe auch: THW beginnt noch in der Nacht mit dem Abriss des Pelz-Gebäudes, Feuerwehr legt Schaumteppich über Ruine
Siehe auch: Brandstiftung: Polizei sucht Zeugen zum Pelz-Gebäude-Feuer
Danke Wunstorfer Auepost, daß ihr zeitnah, sachlich und sehr informativ informiert. Diese Seite ist ein absolut klasse Beitrag.
Als normaler Bürger kann man den enormen logistischen und auch gefährlichen Aufwand nicht einschätzen. Dieser Artikel würdigt die Leistung der Einsatzkräfte und macht alle Leser klüger.