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Marcel Birth unter Verdacht: Gebraucht-E-Bike-Gewinner erwartet fabrikneues Rad und wendet sich an die Polizei

27.01.2024 • Daniel Schneider • Aufrufe: 9311

Ehrenamtliches Engagement kann auch richtig nach hinten losgehen: Das musste jetzt Marcel Birth erfahren, der im Dezember wieder ein Fahrrad verlost hatte. Statt sich über das E-Bike nur zu freuen, ging der Gewinner zur Polizei. Nun reicht es Birth endgültig, es soll in Wunstorf keine Fahrradsuch- und Gewinnaktionen mehr geben.

27.01.2024
Daniel Schneider
Aufrufe: 9311
Marcel Birth | Foto: privat

Wunstorf (ds). Die Fahrradsuchrallyes waren mittlerweile fast schon ein fester Bestandteil im Wunstorfer Stadtgeschehen, obwohl Veranstalter Marcel Birth, Betreiber einer ehrenamtlichen Fahrradgarage, nach wie vor am idealen Ablauf experimentierte. Im vergangenen Frühjahr und im vergangenen Sommer gab es zwei Schnitzeljagden, bei denen der Finder eines in der Stadt platzierten Bikes es behalten durfte – und zuletzt noch einmal eine Online-Verlosung auf Facebook.

Doch damit dürfte es nun vorbei sein – Marcel Birth mag nicht mehr, sein Enthusiasmus für diese Aktionen ist bei null angekommen. Grund dafür ist die Reaktion, die der letzte Gewinner zeigte: Er vermutete dubiose Machenschaften, ging zur Polizei und deutete schließlich gegenüber dem Unternehmen, das das Fahrrad für die Verlosung zur Verfügung gestellt hatte, an, dass Birth das Fahrrad heimlich gegen ein schlechteres ausgetauscht haben könnte.

Marcel Birth ist als ehrenamtlicher „Fahrradengel“ bekannt und genießt hohe Medienpräsenz auch über die Stadtgrenzen hinaus. Infolge seines Ehrenamtes war er z. B. auch einmal auf dem Titel der Auepost. Neben der kostenlosen Fahrradreparatur in „Marcels Fahrradgarage“ für Kinder und Ältere startete er in der Vergangenheit auch immer wieder Aktionen rund ums Fahrradfahren. Die Fahrradverlosungen waren ein Teil davon. 

Es war das i-Tüpfelchen, das Birth diesbezüglich den Glauben an seine Mitmenschen verlieren ließ. Schon nach den ersten Aktionen hatte er sehr damit gehadert, dass es einige gab, die den Gewinnern das Rad nicht gönnten. Es war sogar unterstellt worden, dass das Ganze ein abgekartetes Spiel sei, die Gewinner schon im Vorfeld feststehen würden. Neid und Skepsis sind menschlich, doch dass nun auch noch die Gewinner selbst an Births Redlichkeit zweifeln, hat das Fass zum Überlaufen gebracht.

Wie konnte es dazu kommen?

Der Zufallsgenerator bei der Verlosung, die auf Birhts Facebook-Seite stattfand, hatte eine Wunstorferin ausgewählt, die für ihre Tochter an der Verlosung teilgenommen hatte. Doch nach der ersten Freude über den Gewinn begegnete sie der Sache mit zunehmenden Zweifeln. Denn zunächst ließ Birth einen vereinbarten Übergabetermin aus persönlichen Gründen verstreichen, und für den Ersatztermin wählte er einen abendlichen Termin bei Dunkelheit an seiner Privatadresse. Das kam der Gewinnerin merkwürdig vor – denn sie ging offenbar davon aus, dass „Marcels Fahrradgarage“ ein Unternehmen sei.

Auch bei der Übergabe blieb es für sie merkwürdig: Denn Birth wollte „gern etwas mehr im Dunkeln stehen bleiben“ und habe das Licht einer Straßenlaterne offensichtlich gescheut. So äußerte sie sich später gegenüber dem Unternehmen, aus dessen Fundus das Rad stammt. Zu Hause bei Licht fielen dann die Kratzer und Beschädigungen am Rad auf – und das Ladegerät zum Akku fehlte noch. Die Wunstorferin bezweifelte daher auch den angegebenen Wert von 2.700 Euro. Zu allem Übel war aber auch noch ein Vermerk an dem Rad angebracht, der darauf hinwies, dass es zuvor bei der Berliner Polizei aktenkundig geworden war.

Nun ging die Gewinnerin zur Wunstorfer Polizei, um Licht in die Sache zu bringen. Dort konnte man beruhigen, dass es sich um keine Hehlerware handelte – man teilte jedoch mit, dass das E-Bike tatsächlich zuvor einmal in einer Asservatenkammer der Polizei in Berlin gestanden hatte.

Was sind Fundräder?

Licht in die Sache kann Marion Wessel bringen. Sie ist beim Versicherungsunternehmen Wertgarantie beschäftigt und dort neben anderen Kollegen ebenfalls mit der Verwertung von Fundrädern betraut. Im Gespräch mit der Auepost erklärt sie die Hintergründe.

Die von Birth verschenkten Räder hatten keinen Neuzustand, oft Schrammen, Lackschäden oder auch einzelne fehlende Teile, aber als hochwertige Markenräder dennoch einen hohen Gebrauchtwert (Archiv) | Foto: Deppe/Dombrowski

Denn was passiert, wenn gegen Diebstahl versicherte Fahrräder gestohlen werden? Die Versicherung ersetzt den Schaden, der Bestohlene kann sich von der Versicherungssumme ein neues Fahrrad kaufen. Aber was geschieht, wenn das gestohlene Fahrrad danach doch wieder auftaucht? Hat der ehemalige Besitzer dann zwei Fahrräder? Oder muss er den Kauf des zweiten Fahrrades wieder rückgängig machen und der Versicherung das Geld zurückzahlen? Natürlich nicht. Der Versicherte könnte das erhaltene Geld zurückzahlen, aber er kann auch einfach das aufgefundene Altrad – das z. B. von der Polizei beim Täter sichergestellt wurde oder irgendwo anders gefunden wurde – der Versicherung überlassen. Aus den Asservatenkammern der Behörden finden die Räder dann nicht zurück zum ehemaligen Eigentümer, sondern zu den Versicherern.

Die erhaltenen Räder kann die Versicherung dann für karitative Zwecke verwerten, und genau das mache die Wertgarantie auf zwei Arten, erzählt Wessel: Das Unternehmen lässt die Räder oder Teile davon von einem Verwerter verkaufen und spendet das so generierte Geld selbst – oder es gibt die Räder direkt für den guten Zweck weiter, an Ehrenamtliche wie Birth, die damit in ihrer Arbeit unmittelbar unterstützt werden oder eigene Spendensummen generieren können. So spendet auch Birth immer wieder Geld für den guten Zweck.

Pro Monat kämen etwa zwei Fundräder auf ihren Schreibtisch, die dann weitergereicht würden, berichtet Wessel. Auf diese Weise gelangen Versicherungsfall-Fundräder nicht nur gelegentlich zu Birth, sondern im Bereich Wunstorf beispielsweise auch an einen Steinhuder Verwerter. Andere Kollegen würden wiederum andere Stellen für die Fahrradverwertung nutzen.

Kein Anschwärzen beabsichtigt

Die Gewinnerin des Fahrrades möchte sich zu dem Geschehen nicht näher äußern, bestätigte im Gespräch mit der Auepost jedoch die Vermutung, dass sie von einem neuwertigen Fahrrad ausgegangen sei. Und: Es sei nie darum gegangen, Birth zu diskreditieren, gerade deshalb habe sie den Weg über die Polizei und das Unternehmen gewählt, statt sich etwa öffentlich in den Sozialen Medien zu beschweren, betont sie ausdrücklich. Es sei ihr ausschließlich darum gegangen, sich dagegen abzusichern, hier ein womöglich zuvor gestohlenes Fahrrad erhalten zu haben.

Letztlich war es alles nur ein großes Missverständnis, aus Unkenntnis über die Hintergründe, wie Versicherungen mit Fundrädern arbeiten – und die Gewinnerin hatte letztlich sogar Recht: Bei dem zur Verlosung gekommenen Rad handelte es sich ursprünglich einmal um ein gestohlenes Fahrrad – dessen Fall aber längst reguliert ist.

Das Rad der vorletzten Suche war sogar beim Wunstorfer Kommissariat versteckt – dorthin wandte sich nun auch die jetzige Gewinnerin (Archiv) | Foto: Daniel Schneider

Zum Irrtum beigetragen hat offensichtlich auch, dass Birth anlässlich der jüngsten Aktion nicht noch einmal deutlich gemacht hat, dass es sich bei der Verlosung um ein gebrauchtes E-Bike handelte und stattdessen sogar eine Symbolabbildung eines Neurades verwendete, ohne dies kenntlich zu machen. Auch dass sich der angegebene Gegenwert auf den Gebrauchtzustand bezog und nicht den Originalpreis darstellte, war nicht ersichtlich. In Zukunft wird Marcel Birth auf derlei aber nicht mehr achten müssen – er überlegt nun, künftige Räder ohne Zufallsbeteiligung einfach direkt zu verschenken an Menschen, die es seiner Meinung nach verdient haben.

„Lasten-Rad“

Behalten möchte die Tochter der Gewinnerin das Fahrrad auch als Gebrauchtrad gern – und auch Birth wird die Sache wohl ruhen lassen, obwohl er im ersten Moment daran dachte, das E-Bike zurückzufordern. Der Gewinnerin scheinen die Wellen, die ihre Detektivarbeit ausgelöst hat, sehr unangenehm zu sein, schließlich sollte ihre Skepsis nicht bis zu Birth durchdringen. Doch spätestens als die Versicherung bei ihm wegen des geäußerten Verdachts anrief, war es dafür zu spät. Auch Birth selbst ist weiterhin angefasst vom Geschehen: Dass ihm jemand solche Tricksereien zutraut, dass er teure Räder abzweige, und mit diesem Verdacht auch noch an das Unternehmen herantritt, das ihn so großzügig mit Fundrädern bedenkt, belastet ihn.

Bei der Wertgarantie sieht man das allerdings ganz locker, Birth genießt dort vollstes Vertrauen, man stärkt ihm den Rücken – und wundert sich eher über die Gewinnerin, die mit viel Aufwand eine mögliche Übervorteilung zu dokumentieren versuchte, statt sich für Infos direkt an Birth zu wenden.

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Kommentare


  • Andreas R. Niepel sagt:

    Mein Vater hätte augenzwinkernd gesagt:
    „Einem geschenkten Barsch guckt man nicht ins Maul.“

    • RA Fabek sagt:

      Das primäre „Geschenk“ ist hier wohl eher die eigene Publicity, bei der das E-Bike nur als Trittbrett dient, da dieses weder geputzt, noch mit notwendigem Ladegeät komplettiert, mit mutmaßlich „totem Akku“ durch jahrelange Tiefentladung in Asservatenkammern dem „Gewinner“ quasi vor die Füße geworfen wurde.

      Das der Gewinner eine andere Erwartungshaltung aufgrund des in Facebook gezeigten Neurades nebst Wertangabe hat, halte ich für legitim.

      Zitat Facebook:
      „An Heiligabend werde ich auslosen , wer dieses schöne Stevens e-bike (28 Zoll) von der WERTGARANTIE im Wert von 2.700€ unter dem Weihnachtsbaum stehen hat. “

      Das macht deutlich, dass dort ein Rad in abgebildeter Beschaffenheit (Neuwertig) UND Wert in Aussicht gestellt wurde.

      Neue Stevens E-Bikes 28″ bekommt man vur unter €2400. Wie kommt dann der Wert von €2700 zustande, wenn auch noch das Ladegerät fehlt?

      • KV sagt:

        Vielleicht sollte die Gewinnerin den Ehrenämtler auf Herausgabe eines neuen Rades verklagen und den anderen Schrott wieder abholen lassen. Damit bekommt er noch eine Gelegenheit für Publicity. Aber dann bitte wirklich mit Blumenstrauß und Kinderchor beim Überreichen, das ist ja verschenktes Potenzial.

  • Basti g. sagt:

    Gutmenschen sind zu gut für diese welt

  • Nanouk sagt:

    Tja Pech, selber Schuld, was solls, bei allem Verständnis, Übereifer schadet nur!!! Ist nun sein Problem & ausserdem, die Deutschen brauchen solch Aktion nicht, haben genug Geld, sich teure Fahrräder zu leisten, ende des Themas

  • Basti g. sagt:

    Ich finde auch Herr birth sollte ein Gewerbe anmelden und nicht einfach so eine Werkstatt betreiben !

  • Sabine W. sagt:

    Feststellung:
    Herr Birth verwendete gemäß Artikel eine Abbildung eines neuen E-Bikes, gab dann aber in einer „Nacht & Nebel Aktion“ ein diesem Bild nicht entsprechendes Rad heraus und verzichtete auf die üblichen Übergabebilder mit Blumenstrauß, Ehrenjungfern und Kirchenchor.
    Weiter hat er sogar darauf verzichtet, Polizeivermerke vom Rad zu entfernen und vergessen zu erwähnen, dass kein Ladegerät dabei ist.

    Klingt wirklich professionell.

  • Andreas R. Niepel sagt:

    @RA Fabek, @Sabine W.: ich kenne Herrn Birth nicht persönlich, sondern nur aus der Berichterstattung, aber hinsichtlich Ihrer jeweiligen Ausführungen nehme ich ihn in Schutz:
    er betreibt die Werkstatt nicht gewerblich, sondern ehrenamtlich; er gibt Fahrräder aus dem Besitz einer Versicherung unentgeltlich weiter.
    1. er hat von der Spende keinen steuerlichen Vorteil, da er kein diesbezügliches Gewerbe hat,
    2. es ist daher egal, welchen Wert er für ein Geschenk nennt,
    3. er hat genügend Verwaltungsarbeit mit dem Erwerb des Rades, Schriftwechsel mit der Versicherung usw., so dass ich verstehen kann, wenn er das Rad nicht aufhübscht, weil er auch anderes zu tun hat
    (das war nicht optimal und wird ihm nun übel ausgelegt – aber ich habe Verständnis.)
    4. die etwas seltsame Übergabe war vielleicht dem Umstand geschuldet, dass er wusste, dass das Rad besser hätte aussehen können.

    Letztlich wiederhole ich mich:
    „einem geschenkten Barsch …“

    Wenn die Gewinnerin sich über das Rad ärgert, einfach den zweit-platzierten Gewinner fragen, ob er das Rad haben möchte – vielleicht verfügt dieser über betriebswirtschaftliches Denken und freut sich ohne herum zu maulen über das Rad.

    Und noch etwas an RA Fabek und Sabine W.:
    Sie werden niemals ein Geschenk von mir bekommen … ;-))

    • Inga H. sagt:

      Können Sie sich vorstellen, dass man von Leuten mit seltsamer Moral überhaupt nichts geschenkt bekommen möchte? Ich habe Zweifel.

      • Andreas R. Niepel sagt:

        @Inga H.: „… ich habe Zweifel.“
        1. Sie irren, denn ich kann mir das vorstellen.
        2. Bitte definieren Sie für mich und andere Foristen „Leuten mit seltsamer Moral“,
        3. Sie bekommen auch kein anfassbares Geschenk von mir, sondern nur ein Geschenk in Form dieser Antwort.
        EdD.
        :-D

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