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In Wunstorf wird so viel gebaut wie nie – aber warum so lange?

10.07.2023 • Daniel Schneider • Aufrufe: 3069

Warum werden Bauprojekte in der Stadt nie pünktlich fertig? Die Liste der Gründe ist lang: Baufirmen mit Mondpreisen, nicht lieferbare Bauteile, unflexible Fördervorgaben – und manchmal erklärt die Umweltaufsicht das Bauland wegen 10 Bäumen zum Wald. Ein herber Rückschlag droht unterdessen bei der Innenstadtsanierung: Für die Weiterentwicklung der Fußgängerzone gibt es bislang kein Fördergeld.

10.07.2023
Daniel Schneider
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Nein, die Stadtplanung findet normalerweise nicht an diesem Modell statt: Bauamts-Chef Alexander Wollny und Bürgermeister Carsten Piellusch vor der Stadtkirche | Foto: Daniel Schneider

Wunstorf (ds/as). „Das Bauamt hat alle Hände voll zu tun“, sagt Bürgermeister Carsten Piellusch, und es ist keine Übertreibung: Aktuell sind so viele Bauprojekte gleichzeitig geplant oder bereits begonnen worden wie noch nie zuvor in Wunstorf. Knapp 30 Bauvorhaben sind derzeit im Gange. Und das in schwierigen Zeiten: Störungen in Lieferketten und der Fachkräftemangel im Bausektor lassen Fertigstellungstermine verpuffen und werfen Planungen über den Haufen.

Zwei Beispiele, die exemplarisch für große Verzögerungen stehen: Die gerade fertig werdende Erweiterung der Stadtschule hätte schon vor einem Jahr fertiggestellt sein sollen, und auch die Hölty-Schüler müssen bis auf Weiteres noch mit dem Ausweichquartier am Flüchtlingswohnheim vorliebnehmen – der Gymnasiums-Anbau ist ebenfalls noch nicht fertig. Bei Letzterem sorgen aktuell Lieferschwierigkeiten von speziellen Fassadenelementen für eine Verzögerung, die auch die übrigen Arbeiten am Gebäude aus dem Takt bringt. Der Innenausbau ist vorerst gestoppt, weil die Fenster nicht eingebaut werden können. „Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir schlichtere Fenstereinfassungen geplant“, sagt Piellusch.

Deshalb musste auch der Termin am vergangenen Donnerstag, bei dem das Rathaus der Presse einen Überblick über die Bauprojekte in der Stadt gab, in den Ratssaal verlegt werden. Ursprünglich war der Hölty-Anbau dafür vorgesehen gewesen.

Hölty-Baustelle (Archiv)

Bei anderen Projekten ist es die Rechtslage, die das Bauen unvorhergesehen ausbremst: Bei der geplanten BMX-Anlage in der Reiterkuhle, die in diesen Tagen hätte eröffnet werden sollen, wurde ähnlich wie einst beim Bürgerpark festgestellt, dass man es hier inzwischen mit Waldrecht zu tun hat. Die Planungen mussten von vorn beginnen.

„Wir haben bei fast allen Bauvorhaben aktuell immer ein Gewerk dazwischen, wo wir gar kein Angebot bekommen“

Alexander Wollny

Auch Ausschreibungen scheinen in diesen Zeiten manchmal eher einem Glücksspiel zu ähneln: Beim neuen Feuerwehrgerätehaus für Bokeloh und Mesmerode, für das am kommenden Donnerstag Richtfest gefeiert wird, gelang es bislang nicht, alle Aufträge zu vergeben. Für Rohbau, Tiefbau, Gebäudeleittechnik, Heizung, Lüftung und Sanitär waren die Ausschreibungen zwar erfolgreich und es konnten die entsprechenden Firmen beauftragt werden – die Ausschreibung für die Elektroarbeiten scheiterte jedoch. Firmen gaben keine oder zuletzt unwirtschaftliche Angebote ab. Deshalb läuft hier nun bereits die dritte Vergaberunde.

Doppelt so hohe Preise wie üblich

„Wir haben bei fast allen Bauvorhaben aktuell immer ein Gewerk dazwischen, wo wir gar kein Angebot bekommen oder ein unwirtschaftliches“, sagt Stadtbaudirektor Alexander Wollny. Unwirtschaftlich bedeutet hierbei, dass Firmen deutlich zu hohe Angebote abgeben. Bürgermeister und Baustadtrat erklären das so: Baufirmen wüssten, dass der Markt gesättigt sei – und würden dann, obwohl sie im Grunde ausgebucht sind, einfach einmal viel zu hohe Preise aufrufen, nach dem Motto: „Man kann es ja mal versuchen.“ Es wird darauf spekuliert, dass Bauträger keine andere Wahl haben und das Angebot trotzdem annehmen. Die Angebote lägen deshalb teils doppelt so hoch wie die aktuellen Marktpreise.

Stellen sich den Pressefragen: Wollny und Piellusch | Foto: Achim Süß

Im Falle Wunstorfs funktioniert das nicht: „Es gibt keine Vergabe um jeden Preis“, sagt der Bürgermeister. Dies könne man nicht verantworten als Stadt. In solchen Fällen gebe es dann eben keinen Zuschlag, stattdessen würde neu ausgeschrieben.

Um die Verzögerungen bei den Bauprojekten gering zu halten, würde dann versucht, den Bauablauf umzustellen. So auch geschehen beim Feuerwehrhaus: Die übrigen Arbeiten werden nun so ausgeführt, dass die Elektroarbeiten erst zum Schluss vorgenommen werden können – und Zeit gewonnen wird für die Einholung neuer, wirtschaftlicher Angebote. Sollte das nicht gelingen, dann würde sich die Fertigstellung der neuen Wache für die Wehren von Bokeloh und Mesmerode jedoch tatsächlich ebenfalls deutlich verzögern. Aktuell ist man bereits ein halbes Jahr in Verzug.

„Die Kollegen sind deshalb manchmal auch etwas angespannt“

Die Situation bereitet in der Verwaltung durchaus Kopfschmerzen: „Die Kollegen sind deshalb manchmal auch etwas angespannt“, sagt Wollny. Gerade im Hochbau, wo viele Gewerke ineinandergriffen, sei es besonders kompliziert. Es kommt zu einem zeitlichen Dominoeffekt, der sich praktisch nicht wieder aufholen lässt.

Abriss der Barneschulen-Turnhalle II (Archiv)

Bereits jetzt schon in Verzug ist der große Turnhallenneubau in der Barne – obwohl noch kein einziger Stein gesetzt wurde: Hier sind es wiederum finanziell-rechtliche Gründe, die einen schnellen Baustart ausbremsen: Da Fördergelder im Spiel sind, können noch keine Bauaufträge vergeben werden, denn die baufachliche Prüfung im Rahmen der Fördermaßnahme läuft noch. Die geplante Fertigstellung Ende 2024 ist damit noch vor Baubeginn passé. Immerhin ist das Fördergeld damit nicht futsch, der Förderzeitraum wird verlängert. Ursprünglich war er auf 2024 begrenzt. In der Zwischenzeit wurde nun schon einmal die alte Halle abgerissen.

„Stinkendes“ Schulgebäude wird abgerissen

Auch bei der benachbarten Albert-Schweitzer-Grundschule herrscht Investitionsbedarf: Hier beschäftigt sich das Bauamt derzeit mit der Machbarkeitsstudie und will dabei auch das gesamte Barne-Schulzentrum in den Blick nehmen. Genaueres wird man ab Herbst dieses Jahres wissen. Fest steht nur: der Standort bleibt erhalten, die Albert-Schweitzer-Grundschule wird nicht verlegt.

Albert-Schweitzer-Grundschule
Albert-Schweitzer-Grundschule (Archiv)

Noch nicht entschieden ist das für die Grundschule Luthe: Hier könnte es zu einem Neubau auch an anderer Stelle kommen. Hierfür läuft derzeit eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung. Erste Erkenntnisse werden ebenfalls ab Herbst erwartet. Der berüchtigte Pavillon wird jedoch kein Teil zukünftiger Planungen mehr sein, versicherte Wollny.

Grundschule Luthe (Archiv)
Verlassener Klassenraum
Ein Klassenraum im Pavillon-Anbau der Grundschule Luthe: Hier führte Geruchsbelastung zur Unbenutzbarkeit, Klassen wichen auf eine Containerlösung aus. (Archiv)

Das Bauprojekt „Neue Mitte Wunstorf“, eines der auch flächenmäßig wichtigsten Stadtentwicklungsprojekte, wird nur kurz angerissen: Mit dem Eigentümer befindet man sich nach wie vor in Abstimmung über die weitere Entwicklung. Die einstigen großen Ideen aus dem städtebaulichen Wettbewerb werden mittlerweile nur noch im Konjunktiv formuliert. Ein urbanes, autoarmes Quartier mit integriertem Landschaftspark für 250 Haushalte war vorgesehen.

Was demnächst fertig wird

Bauprojekte im Rahmen der Nordumgehung werden Wunstorf in den nächsten Jahren weiter begleiten, aber die Nordrehr-Fahrradbrücke über die künftige B441 ist bereits so gut wie fertig: Im August soll das Bauwerk vollendet sein.

Beim Barneplatz war man im Juni schon sehr weit – die Restaurants haben ihre Tische bereits wieder draußen stehen (Archiv)

Auch der derzeitige Baufortschritt am Barneplatz im Rahmen der Platzsanierung liegt im Plan und soll im Spätsommer fertiggestellt werden – verbunden mit einer großen Einweihungsfeier für das Stadtviertel, wie Ortsbürgermeister Thomas Silbermann bereits angekündigt hatte.

Ausgerechnet beim Herzstück der Bauplanungen, der Innenstadtentwicklung, droht jedoch ein massiver Rückschlag: Eine Förderzusage im Rahmen des Programms „Lebendige Zentren“, steht weiterhin aus. Grund ist die Überzeichnung der Fördertöpfe, die aufgrund der Ukrainekrise auch noch gekürzt worden waren. Ob und welche der Ideen aus der großen Innenstadtumfrage am Ende umgesetzt werden können, ist damit völlig unklar. Bereits begonnene Maßnahmen wie die Umgestaltung des Bürgerparks waren mit anderen Mitteln aus der Corona-Sofortmaßnahmenförderung gestartet worden. Geplant ist die Aufwertung der Fußgängerzone zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität und Stärkung des Innenstadthandels mit zahlreichen baulichen Maßnahmen.

Aktuelle Bauprojekte in Wunstorf | Quelle: Stadt Wunstorf

Akut gefährdet sei derzeit aber keines der geplanten Projekte, versichert Piellusch. Alle Wunstorfer Bauprojekte sollen in absehbarer Zeit fertiggestellt werden können. Man müsse an der ein oder anderen Stelle umplanen – „aber wir bekommen das schon hin“, so der Bürgermeister.

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Kommentare


  • Rocky sagt:

    Lächerlich, einfach lächerlich, wie überall im D Staat!!!

  • S. M. sagt:

    Einfach erstmal eine Sache zu 100% beenden, dann die nächste…

    Diesen Flickenteppich kann man schon jahrelang beobachten, komischerweise immer von städtischen Baustellen und immer sind die anderen schuld…

    Die anderen haben scheinbar andere Lieferanten oder prüfen Ihre Dächer erst, bevor man Solar drauf wirft…egal dann eben wieder auf 0 und los geht es, kostet ja nix…

    Nunja Wunstorf eben, Trümmer schaffen ohne Waffen und nur ein Schelm denkt jetzt an die jaaahrelange Planung der Nord….

    Hauptsache der dumme Steuerzahler zahlt den ganzen Blödsinn, einfach nur unfassbar!

    • Elke Meyer sagt:

      Städtische Baustellen also.

      Die Nordumgehung ist eine Bundesstraße. Weißt du, welche Behörde diese Straße plant?

      Die Kanalbrücke ist eine Landesstraße. Weißt du welche Behörde die Ampel und Fahrbahn plant?

      Keine Ahnung aber einfach mal loströten.

      • Schorsch sagt:

        Tja, mit der Ahnung ist es so eine Sache: Die Stadt Wunstorf hat jahrzehntelang die Trassenführung der Nordumgehung obstruiert. Also ganz unschuldig ist die Stadt an der langen Verfahrensdauer wohl nicht.

        • Elke Meyer sagt:

          Das Land Niedersachsen hat ca. 1990 die Stadt Wunstorf gebeten, die Vorplanung zur Ortsumgehung zu übernehmen, damit es schneller geht.
          Das wurde auch so vorangetrieben.

          Problem war nur, dass – da Bundesstraße – nach der Wende die Bundesmittel in die neuen Bundesländer flossen und sich die Umgehungsstraße dann mehrfach verzögerte. Als sich die finanziellen Möglichkeiten wieder verbesserten, wurden die Vorplanungen wieder aufgegriffen und vor rd. 15 vom Bund auch so genehmigt.

          Die eigentliche Planung hat dann die für Bundesstraßenzuständige Landesbehörde für Straßenbau übernommen.

          Hätte also die Stadt nicht seinerzeit die Vorplanung für das Land übernommen, wären wir heute noch längst nicht so weit.

      • Homberti sagt:

        Zitat: „Keine Ahnung aber einfach mal loströten.“ => Ich glaube „Ahnung“ braucht man auch nicht, denn ich kann mich an keine Baumassnahme der letzten 50 Jahre in Deutschland erinnern die innerhalb der geplanten Zeit geschweige denn innerhalb der anvisierten Kosten geblieben ist. Es ist leider traurig aber wahr, sobald Beamte in Baumassnahmen involviert sind klappt es garantiert nicht wie es sollte. Oder haben Sie ein Beispiel bei dem mal alles geklappt hat? Ich lerne gerne dazu…

        • Elke sagt:

          Um mal drei Beispiele der Stadt Wunstorf zu nennen, die früher fertig und günstiger wurden:
          Umbau Grundschule Klein Heidorn Ganztag
          Anbau Venhof-Kita Krippe
          Neubau Sportforum

          Ich weiß gar nicht, wie das ein Problem von Beamten sein soll. Im Bereich Hochbau der Stadt gibt es doch nur eine Beamtin, im Bereich Tiefbau gar keine. (Das sind alles öffentlich einsehbare Dokumente). Die Frau alleine bringt all die Projekte durcheinander?

  • Schorsch sagt:

    Sehr geehrte Frau Meyer. Vielleicht ist Ihnen das nicht bekannt,aber die ersten Vorschläge des Landes zur Trasse stammen aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Verhandlungen mit dem NDS Wirtschaftsministerium Anfang der 90er, die zu der von Ihnen erwähnten Vereinbarung führten,sind mit übrigens bestens bekannt.Sie sehen, der Ablauf ist doch etwas komplexer.

    • E. Meyer sagt:

      Sehr schön.

      50er Jahre stimmt nicht, aber sei’s drum. Um 10 Jahre sollte man sich nicht streiten.
      Frage: Und wo ist jetzt nochmal das Versäumnis der Stadt vor der Wende 1990?

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